2/2: Gleichbehandlung ist Sache des Gesetzgebers
Für die Entscheidung in der zweiten Instanz hatte das Land die Ergebisse der Arbeitsgruppe vorgelegt und behauptete nun selbst, dass ab einer Mindestkörpergröße von 163 cm von einer Eignung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst auszugehen sei. Dennoch sollte der männliche Kläger mit 166 cm weiterhin nicht aufgenommen werden.
Das Argument: Aus Gründen der Gleichstellung von Männern und Frauen wird von Männern eine fünf Zentimeter höhere Mindestgröße verlangt. Statistisch sind Männer größer als Frauen. Es könnten also mehr Männer zur Polizei zugelassen werden. Diesen natürlichen "Vorteil" der Männer will das Land nach eigenen Angaben durch die bei der Mindestkörpergröße mehr geforderten fünf Zentimeter ausgleichen.
Ein weiterer Schritt des Landes Nordrhein-Westfalen also, um Frauen zu fördern. Allerdings nicht erfolgreich: Das OVG stellt in seiner Entscheidung darauf ab, dass es sich bei der von den Männern geforderten Mindestkörpergröße nicht mehr um ein Eignungsmerkmal handeln und das Land diese Anforderung an die Männer damit nicht in einem Erlass regeln könne.
Dabei ist der Zweck der Regelung entscheidend. Wie das Land selbst behauptete, geht es bei den fünf Zentimetern Unterschied ausschließlich um Gründe der Gleichstellung. So kam das OVG Münster nicht umhin, in der Mindestkörpergröße für Männer eine eignungsferne Anforderung zu sehen.
Das Ziel der Regelung sei, den Leistungsgrundsatz aus Art. 33 Abs. GG mit dem Recht auf Gleichberechtigung aus Art. 3 GG in Einklang zu bringen. Die Herstellung praktischer Konkordanz könne aber nicht durch einen Erlass des Innenministeriums erfolgen. Die Richter verlangten deshalb vom Land eine parlamentarische Entscheidung. Um den "Vorteilsausgleich" zu regeln, braucht es also ein Gesetz.
Dynamik der Entscheidung
Die Entscheidung des OVG Münster macht damit klar, dass alle Entscheidungen, nach denen sowohl Bewerberinnen als auch Bewerber wegen des Nichterreichens der Mindestkörpergröße als ungeeignet für den Polizeivollzugsdienst befunden werden, rechtswidrig sind.
Bisher haben die meisten Verwaltungsgerichte kein Gesetz gefordert. Das Land scheiterte schon an dem Vortrag zur Geeignetheit ab einer bestimmten Körpergröße. Erst nachdem mit dem Ergebnis der Arbeitsgruppe die Eignung ab 163 Zentimeter substantiiert vorgetragen werden konnte, trat die Gleichberechtigung in den Fokus der Entscheidungen. Druch den Beschluss des OVG Münster bleiben die Klagen der abgelehnten Bewerberinnen und Bewerber wohl vorerst weiterhin erfolgreich.
Nun musste das Land also nicht nur eine Arbeitsgruppe einrichten, sondern künftig auch ein Gesetz entwickeln. Kommende Bewerber werden zunächst nicht an der Mindestgröße scheitern und die Ausblidung beginnen können.
In Deutschland haben die Bundesländer unterschiedliche Anforderungen an die Körpergröße von angehenden Polizistinnen und Polizisten. Meist liegt die Grenze bei 160 Zentimetern. Aber auch diese Grenze gilt NRW nun nicht mehr: Ebenso wie bei der Bundespolizei ist der Zugang nun unanhängig von der Körpergröße möglich. Künftig werden wir wohl nicht nur am Düsseldorfer Flughafen, auf dem die Bundespolizei eingesetzt ist, auf "kleine" Polizistinnen und Polizisten treffen, sondern auch im Stadtgebiet der Landeshauptstadt.
Bis die Landesregierung ihren Gedanken an den "Vorteilsausgleich" in ein Gesetz gegossen hat, wird noch einige Zeit vergehen. Eine Chance, zu zeigen, dass die Polizei in NRW auch ohne die Forderung einer Mindestkörpergröße ihre Augaben erfüllen kann.
Die Autorin Sarah Nußbaum ist Rechtsanwältin in der Hotstegs Rechtsanwaltsgesellschaft, Düsseldorf. Die Kanzlei ist auf das öffentliche Dienstrecht, insbesondere Beamten- und Disziplinarrecht spezialisiert.
OVG zur Mindestkörpergröße für Polizisten in NRW: . In: Legal Tribune Online, 22.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24659 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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