Reform der US-Waffengesetze: Obama im Kampf gegen die NRA

von Robert Peres

17.01.2013

Gemeinsam mit Vizepräsident Biden stellte Obama am Mittwoch ein umfangreiches Paket zur Waffenkontrolle vor. Die Vorschläge zielen darauf ab, in Zukunft Amokläufe wie den in Newtown, Connecticut zu verhindern, bei dem ein psychisch gestörter Mann sechs Erwachsene und 20 kleine Schulkinder erschoss. Robert Peres bezweifelt, dass sich der Präsident mit seinem Vorhaben wird durchsetzen können.

In seiner von Tränen gezeichneter Rede kurz nach dem Massaker sprach US-Präsident Barack Obama davon "die ganze Macht seines Amtes" dafür einsetzen zu wollen, solche Tragödien zukünftig zu verhindern. Er berief eine Kommission unter der Leitung von Vizepräsident Joe Biden ein, die ihm nach umfangreichen Anhörungen Vorschläge unterbreiten sollte, wie der Waffenwahn eingedämmt werden könnte. Er wolle härtere Waffengesetze zu einem "zentralen Thema" seiner zweiten Amtsperiode machen, sagte der Präsident. Das nun vorgestellte Ergebnis ist für amerikanische Verhältnisse sehr ambitioniert; ob es auch durchsetzbar ist, ist eine andere Frage.

Die Medien in den USA sprechen von der größten Anti-Waffen-Gesetzesinitiative seit Generationen. Gleichzeitig hat die amerikanische Waffenlobby, angeführt von der National Rifle Association (NRA), Obama quasi den Krieg erklärt und ein Video veröffentlicht, das behauptet er sei ein "elitärer Heuchler", der seine eigenen Kinder von bewaffneten Sicherheitsbeamten schützen ließe, aber allen anderen amerikanischen Kindern diesen Schutz nicht gewähren möchte.

Bloße Wiederbelebung abgeschaffter Verbote

Bei näherer Betrachtung erscheinen Obamas Vorschläge jedoch keineswegs als extrem. Es geht nicht darum, den Amerikanern ihre Waffen wegzunehmen. Verboten werden soll zum Beispiel der Verkauf von halbautomatischen Gewehren und Hochkapazitätsmagazinen mit mehr als zehn Schuss Munition. Bei mehreren der größeren Attentaten in jüngster Zeit waren jeweils Waffen benutzt worden, bei denen der Täter in kurzer Folge bis zu hundert Schuss abgeben kann. Beide Vorschläge sollen lediglich Verbote wiederbeleben, die auf Druck der Waffenlobby unter Präsident George W. Bush abgeschafft wurden und betreffen nicht bereits im Umlauf befindliche Waffen und Magazine.

Des Weiteren soll Spezialmunition für Privatpersonen verboten werden, die schusssichere Westen überwinden kann. Ein anderer wichtiger Punkt der Initiative ist die Verschärfung der Hintergrundüberprüfung von Waffenkäufern, die nun auch auf Käufe bei Waffenshows, Messen und über das Internet ausgedehnt werden soll. Bisher können Amerikaner ungehindert Schusswaffen und Munition über diese Kanäle erwerben, was etwa 40 Prozent der gesamten Waffenkäufe ausmacht. Obama möchte außerdem den illegalen Waffenhandel strenger sanktionieren, insbesondere den Kauf von Waffen durch Strohmänner im Auftrag von Kriminellen.

Eine wichtige Forderung des Präsidenten ist zudem die Ausweitung der psychischen Betreuung an Schulen. Sämtliche Massenmörder der letzten Jahre wiesen erhebliche mentale Störungen auf und waren relativ jung. Ob Columbine, Virginia Tech, Tucson oder Aurora, alle Täter waren wie Adam Lanza in Newtown psychisch erheblich gestört, konnten aber im Waffenwunderland USA ungehindert Tötungsmaschinen erwerben oder diese einfach bei ihren Eltern aus dem Schrank holen.

Obama hat außerdem 23 sofort wirksame Exekutiv-Verfügungen erlassen, die bereits bestehende Regeln näher bestimmen oder Geld für Sicherheitsmaßnahmen an Schulen bereitstellen. Alle wirklich wichtigen Änderungen müssen aber als Gesetze erlassen werden und können nicht etwa über eine Exekutiv-Verfügung des Präsidenten in Kraft treten. Und hier ist der Haken: Die NRA hat über Jahrzehnte hinweg Senatoren und Kongressabgeordnete mit Wahlkampfgeldern gefügig gemacht und sie sogar über ein Notensystem als etwa "extrem" oder "solide" pro Waffen bewertet.

Republikaner stützen Pro-Waffen-Fraktion

Die Waffenlobby hat eine Lieblingspartei: Im letzten Wahlkampf stammten von den insgesamt 261 unterstützten Kandidaten 236 aus der republikanischen Partei. Deren Abstimmungsverhalten und die ablehnenden Aussagen der Pro-Waffen-Fraktion zu Obamas Maßnahmenpaket lassen wenig Hoffnung zu, dass die Regierung ihre Ziele erreichen wird. Da nützt es wenig, wenn liberale Senatoren wie Dianne Feinstein und Joe Lieberman am ersten offiziellen Sitzungstag des Senats ein Gesetz zum Verbot der Schnellfeuergewehre einbringen wollen.

Dabei wäre ein Verbot ein echter Gewinn. Sturmgewehre zielen ganz klar auf Angriff und das Töten von vielen Menschen – alles andere als die gern zitierte Selbstverteidigung. Von den ca. 300 Millionen Schusswaffen, die in den USA in Privatbesitz sind, sind über drei Millionen Schnellfeuergewehre des Typs AR-15. Sie werden etwa zum Jagen benutzt oder für das Sportschießen. Waffen vom Typ AR-15 sind auch in Deutschland für Jäger zugelassen, allerdings nur mit einer Ladekapazität von drei Schuss.

Zahlen verdeutlichen den Wahnsinn

Unter den entwickelten Ländern nehmen die USA mit jährlich 30.000 Schusswaffentoten einen einsamen Spitzenplatz ein. 12.000 davon fallen Gewaltverbrechen zum Opfer, 18.000 sind Unfällen und Selbstmorden zuzuordnen. Das sind weit mehr als alle Toten der Kriege im Irak und Afghanistan zusammen. Durch Schusswaffen verletzt werden in den USA pro Jahr sogar über 100.000 Menschen. Zum Vergleich: In Deutschland wurden im Jahre 2010 lediglich 158 Menschen Opfer von Verbrechen mit Schusswaffengebrauch, 772 starben durch Selbstmorde, ca. 1.000 Personen erlitten Schussverletzungen.

Statistiken beweisen, dass in Ländern mit weitgehend unregulierter Waffenverbreitung wie den USA, Mexiko oder afrikanischen Ländern die Zahl der Todesfälle durch Waffen wesentlich höher ist als in solchen mit strengen Kontrollgesetzen. In Großbritannien, dem Land mit einem der drakonischsten Waffengesetze der Welt – nicht einmal Polizisten tragen dort Waffen – wurden 2011 nur 58 Menschen Opfer von Waffengewalt.

Diese Zahlen werden stets vom britischen Journalisten und Waffengegner Piers Morgan in seiner täglichen CNN Talk- und Politsendung genannt, wenn er sich hitzige Redegefechte mit den Verfechtern des verfassungsmäßigen Rechts auf Waffenbesitz in den USA liefert. Letztere beharren fast rituell auf einem anachronistischen Verfassungszusatz aus dem Jahre 1791 (Second Amendment), der lautet: "Weil eine gut organisierte Miliz für die Sicherheit eines freien Staates erforderlich ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden."

Der amerikanische Supreme Court hat wiederholt bestätigt, dass das Recht, Waffen zu besitzen und zu tragen, auch ohne Miliz verfassungsrechtlich geschützt ist. Präsident Barack Obama will daran auch gar nicht rütteln. Dass es ihm gelingt, wenigstens kleine Kurskorrekturen durchzubringen, macht die derzeitige Zusammensetzung des Kongresses sehr fraglich.

Der Autor Robert Peres ist Rechtsanwalt und Kanzleiberater. Er arbeitete viele Jahre für große US Sozietäten in Deutschland und den USA.

Zitiervorschlag

Robert Peres, Reform der US-Waffengesetze: . In: Legal Tribune Online, 17.01.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7988 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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