Gerichtsöffentlichkeit beim NSU-Prozess: Im Namen des Volkes – nicht nur des deutschen

von Prof. Dr. Rüdiger Zuck

12.04.2013

"Im Namen des Volkes": Mehr als ein Etikett

Zwei Aspekte verdienen dabei Beachtung. Gerichtliche Entscheidungen ergehen "im Namen des Volkes". Das wird zwar in der Praxis als bloßes Etikett bagatellisiert. Das Volk ist aber ein Aktivposten im Rahmen eines sich wandelnden Demokratieverständnisses.

Das wird beispielhaft deutlich, wenn man sich beispielsweise die Aktivitäten der betroffenen Bürger bei Großbauvorhaben wie etwa den Flughäfen in Ballungsräumen oder dem Stuttgarter Tiefbahnhof ansieht.

Aber ein Volk, das handeln will, braucht Information. Das ist eine der zentralen Aufgaben der Medien in einem demokratischen System. Wenn also wirklich etwas im Namen des Volkes geschehen soll, kann das nicht die zufällige Anwesenheit von Bürgern in der mündlichen Verhandlung gewährleisten, sondern nur die gesicherte von Medienvertretern.

Damit wird aber zugleich deutlich, dass die Vorschrift des § 169 GVG nicht nur Information gewährleisten soll, sondern vor allem Teilhabe. Mit diesem demokratischen Teilhabeanspruch ist aber noch keine Aussage darüber verbunden, ob dieser auch über die Teilnahme ausländischer Medienvertreter zu verwirklichen ist.

"Volk" sind nicht mehr nur die Deutschen

Ein tradiertes Verständnis von "Volk" versteht darunter nur das deutsche Volk. Das wird sich aber angesichts der zunehmenden Vernetzung der Welt nicht aufrechterhalten lassen. Es ist auch nicht zu erkennen, wie mit einem solch engen Verständnis Inklusion verwirklicht werden soll.

Es muss deshalb ein zweiter Gesichtspunkt eingeführt werden. Er liegt in der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes. Dieser Aspekt kann es gebieten, auf besondere Gegebenheiten im Ausland Rücksicht zu nehmen. Die damit insgesamt verbundene verfassungskonforme Auslegung des § 169 GVG ermöglicht es deshalb, ausländischen Medienvertretern einen gesicherten, und das heißt auch revisionssicheren Zugang zu einem Strafverfahren zu verschaffen.

Wie das im Einzelnen zu geschehen hat, ist Sache des Gerichts. Eine Reservierung für bestimmte ausländische Medien scheidet natürlich aus. Man wird sich auch nicht mit der bloßen Vergabe einer Mindestzahl von Plätzen an ausländische Medien begnügen können, weil so offen bliebe, wie diese untereinander eine Rangordnung herstellen. Es liegt deshalb nahe, es grundsätzlich beim Windhundverfahren zu belassen, dann aber gegebenenfalls auch Bewerber außerhalb der Kontingentierung entsprechend der Reihenfolge zu berücksichtigen. Dadurch wird gewährleistet, dass die Entscheidung sich auf konkrete ausländische Medienbewerber bezieht.

Da eine sachgerechte verfassungskonforme Auslegung möglich erscheint, ist es nicht geboten, das Gesetz zu ändern. Insbesondere erscheint es wenig hilfreich, die Übertragung in einen Nebenraum zu legalisieren. Etwaige Ton- und Bildübertragungen bleiben Informationen aus zweiter Hand. Die Übertragung eines Fußballspiels im Fernsehen und der Besuch desselben Spiels im Stadion sind – schon logisch – nicht dasselbe. Sie sind aber auch nicht das Gleiche. Der unmittelbare Zugang der Medienvertreter zu einer Gerichtsverhandlung sollte deshalb nicht beeinträchtigt werden.

Der Autor Prof. Dr. Rüdiger Zuck ist Partner der Anwaltskanzlei Zuck in Stuttgart. Einer seiner Schwerpunkte liegt im Verfassungs- und Verfassungsprozessrecht, er war u.a. Vorsitzender des Verfassungsrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer.

Zitiervorschlag

Gerichtsöffentlichkeit beim NSU-Prozess: . In: Legal Tribune Online, 12.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8513 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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