Umsetzung des neuen Reiserechts: Auf Kosten der Kleinen

von Prof. Dr. Ernst Führich

07.06.2017

2/2: Neuer Reisetyp: verbundene Reiseleistungen

Bei der Vermittlung einzelner Leistungen auf getrennten Rechnungen liegt künftig der neue Reisetyp verbundenen Reiseleistungen vor. Auch dieser bereitet gerade den kleineren Reisebüros große Sorgen. Er liegt dann vor, wenn ein Reisebüro oder eine Internet-Plattform binnen 24 Stunden etwa Flug und Hotel zum Zweck einer Reise vermitteln, dabei aber bei der Buchung ihre bloße Vermittlerstellung betonen.

Dann soll der Reisevermittler zwar nicht als Reiseveranstalter für Reisemängel von Flug und Hotel haften, muss aber den Kunden mit einem Musterformblatt darüber informieren, dass er nicht unter den Schutz des Pauschalreiserechts fällt.

Vereinnahmt der Reisevermittler im eigenen Inkasso den Reisepreis, muss dafür als Basisschutz eine Insolvenzsicherung gegen seine eigene Pleite abschließen. Da die Versicherungen dafür wiederum Bonitätsprüfungen mit hohen Anforderungen durchführen werden, ist die Angst vor einem breiten Reisebürosterben groß.

Ferienwohnungen: Schutzniveau weiter gesenkt als nötig

Ferienimmobilien und Hotelzimmer, die von Agenturen oder Reiseveranstaltern als eigene Einzelleistung angeboten werden, stehen derzeit noch unter dem besonderen Schutz des deutschen Pauschalreiserechts. Mehr als 30 Jahre konnten sich deutsche Urlauber damit nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auf eine analoge Anwendung des Reisevertragsrechts verlassen. Daher sind die Kundengelder bisher auch im Falle vor einer Insolvenz des Veranstalters geschützt.

Nun entfällt diese Absicherung, da das deutsche Pauschalreiserecht nicht mehr mitreist. Diese Einzelleistungen unterliegen künftig nämlich dem durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) abänderbaren Beherbergungsrecht. Anbieter können sich durch eine Rechtswahl des Landes der Unterkunft aus dem deutschen Recht mit einer AGB-Klausel "herauswählen". Urlauber müssten im Schadensfall dann im jeweiligen Ausland ihr vorab gezahltes Geld für die Buchung wieder einklagen oder die dortigen Gewährleistungsrechte bei Mängeln geltend machen.

Mit dieser schwerwiegenden Absenkung des bisherigen Schutzniveaus höhlt Berlin ohne Not und ohne Begründung im Gesetzesentwurf das Pauschalreiserecht aus – und zwar weiter, als es die EU-Richtlinie vorgibt. Dieser umfassende Schutz war im ersten Referenten-Entwurf aus dem federführenden Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz noch vorgesehen. Auch bei der Anhörung vor dem Rechtsausschuss des Bundetages haben sich alle geladenen Rechtsexperten ebenfalls dafür ausgesprochen, dass Ferienunterkünfte und Hotels aus dem Angebot von Reiseveranstaltern und Agenturen auch weiterhin unter den Schutz des Pauschalreiserechts fallen sollen.

Preisanhebung kurz vor dem Abflug

Die materiellen Änderungen des neuen Reiserechts stellen den Urlauber in manchen Bereichen aber auch besser als das heutige deutsche Recht. Die Richtlinie orientierte sich bei der Reform an dem für den Verbraucher günstigen bisherigen deutschen Reiserecht als eine Art Blaupause. Pauschalreisende genießen damit weiterhin den Schutz des bisherigen Rechts mit einer verschuldensunabhängigen Haftung mit Preisminderung und Schadensersatz. Bei Schadensersatz wird wie bisher das Verschulden vermutet.

Allerdings kann sich der Veranstalter nur bei Eigenverschulden des Reisenden, unbeteiligter Dritter oder bei unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umständen entlasten, nicht mehr bei fehlendem Vertretenmüssen seinerseits. Die Hürde der Monatsfrist nach Reiserückkehr zur Anmeldung von Ansprüchen entfällt und es gilt nun nur noch eine zweijährige Verjährungsfrist.

Nachteilig für den Verbraucher, der unter das Pauschalreiserecht fällt, wird sein, dass bei Preiserhöhungen die bisherige Frist von vier Monaten nach Vertragsschluss entfällt.

Der Reisepreis kann sich darüber hinaus wegen geänderter Treibstoffkosten, Abgaben oder Wechselkurse zwischen Vertragsschluss und Reisebeginn sogar bis 20 Tage vor Reisebeginn um bis zu 8 Prozent erhöhen – und zwar ohne Rücktrittsrecht für den Reisenden. Einziger Vorteil eines Reisenden einer "verbundenen Reiseleistung“ wird sein, dass seine an den Vermittler gezahlten Gelder gegen dessen Pleite abgesichert sind.

Der Autor Prof. Dr. Ernst Führich hat als Sachverständiger im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Bundestages zu der Pauschalreiserichtlinie Stellung genommen. Er betreibt einen Blog zum Reiserecht.

Zitiervorschlag

Umsetzung des neuen Reiserechts: . In: Legal Tribune Online, 07.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23123 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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