Kaum hat das Bundeskartellamt auf dem Mineralölmarkt "oligopolartige" Strukturen ausgemacht, werden wieder Forderungen nach einer Regelung laut, mit der marktbeherrschende Konzerne notfalls zerschlagen werden können. Der erste Anlauf vor gut einem Jahr scheiterte vor allem am Verfassungsrecht – gelernt scheint man daraus indes nichts zu haben. Von Christoph Naendrup.
Am Donnerstag hat das Bundeskartellamt offiziell seinen "Abschlussbericht zur Sektoruntersuchung Kraftstoffe" vorgelegt. Die Behörde stellt darin ein marktbeherrschendes Oligopol der fünf Mineralölkonzerne Aral, Shell, Jet, Esso und Total fest. Es handele sich, so die Wettbewerbshüter, um "Marktstrukturen zum Nachteil des Verbrauchers", die zu überhöhten Preisen führten.
Politiker vor allem der FDP haben daraufhin ihre Forderungen nach einem so genannten Entflechtungsgesetz erneuert, dessen Einführung im Koalitionsvertrag grundsätzlich vorgesehen ist. Einen ersten Entwurf hatte der damalige Wirtschaftsminister Rainer Brüderle bereits Anfang 2010 vorgestellt.
Durch ein Entflechtungsgesetz solle das Kartellamt in die Lage versetzt werden, marktbeherrschende Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen zum Verkauf oder zur Verselbständigung von Vermögensteilen zu zwingen. Dies soll sogar dann möglich sein, wenn dem betreffenden Unternehmen ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung nicht nachgewiesen werden kann – allerdings bestehen für diese Konstellation besonders hohe Hürden.
Der Gesetzentwurf sah vor, dass eine solche Entflechtung dann möglich ist, wenn sich eine marktbeherrschende Stellung auf einem wichtigen Markt nicht anders auflösen lässt. Mit diesem Vorhaben konnte sich Brüderle damals innerhalb der Koalition jedoch nicht durchsetzen.
Sanktionen für missbräuchliche Marktbeherrschung bereits jetzt möglich
Welche Erfolgsaussichten hat nun ein zweiter Anlauf zu einem Entflechtungsgesetz, gerade vor dem Hintergrund des wählerstimmenträchtigen Themas "Benzinpreis"? Zu konstatieren ist, dass aus rechtlicher Sicht die Kritikpunkte heute die gleichen sind, die dem Entwurf schon von vor gut einem Jahr entgegengehalten wurden.
So hält bereits das geltende Kartellrecht Möglichkeiten bereit, die es dem Bundeskartellamt ermöglichen, gegen einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung vorzugehen. Zum Beispiel können Fusionen untersagt werden, wenn sie zu einer Verstärkung einer Marktbeherrschung führen würden. Auch kann das Bundeskartellamt einschreiten, wenn ein Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung missbraucht. Die Behörde hat mit Blick auf die Sektoruntersuchung Kraftstoffe bereits angekündigt, in Zukunft von diesen Instrumentarien verstärkt und konsequent Gebrauch machen zu wollen.
Eine darüber hinausgehende Befugnis des Bundeskartellamts, auch bei Fehlen eines solchen Missbrauchs oder der Befürchtung einer Verstärkung einer Marktbeherrschung durch ein Fusionsvorhaben ein marktbeherrschendes Unternehmen notfalls zu zerschlagen, ist demgegenüber äußerst bedenklich.
Jede Anordnung muss Hürde der Verhältnismäßigkeit nehmen
So ist zum einen bereits unklar, ob eine solche Entflechtung "auf Verdacht" tatsächlich wettbewerbsfördernde Wirkungen entfalten würde. Jedenfalls dürfte dies nur sehr schwer zu prognostizieren sein.
Zudem stellen sich auch verfassungsrechtliche Fragen: Jede Anordnung des Bundeskartellamts, Teile eines Unternehmens zu veräußern, dürfte in die in Art. 14 Grundgesetz niedergelegte Garantie des Eigentums eingreifen. In jedem Einzelfall müsste daher die Hürde der Verhältnismäßigkeit genommen werden. Dies aber dürfte vor dem Hintergrund, dass ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gerade nicht vorliegt, nicht eben einfach sein.
Auf der anderen Seite darf man nicht verkennen, dass es Bereiche gibt, in denen einige wenige mächtige Unternehmen gemeinsam als Oligopol den Markt beherrschen, ohne dass ihnen ein Missbrauch dieser Marktbeherrschung vorgeworfen werden kann. Solche oligopolartigen Strukturen sind allerdings geeignet, den Markt jedenfalls zu verzerren und damit den Verbraucher zu benachteiligen. Dies hat das Bundeskartellamt auch in seiner Sektoruntersuchung zu Kraftstoffen festgestellt.
In einem solchen Fall sind den Wettbewerbshütern - von den Möglichkeiten der Fusions- und Missbrauchskontrolle einmal abgesehen - bislang die Hände gebunden. Ob dem Bundeskartellamt hier weitere Kompetenzen eingeräumt werden sollten, ist allerdings wohl weniger eine rechtliche als vielmehr eine politische Entscheidung.
Der Autor Rechtsanwalt Christoph Naendrup, LL.M. ist bei CBH Rechtsanwälte in Köln tätig und auf das Kartellrecht spezialisiert.
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Neues Entflechtungsgesetz geplant: . In: Legal Tribune Online, 27.05.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3376 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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