Wahl im Bundesrat: Neuer Ver­fas­sungs­richter Holger Wöckel

von Dr. Christian Rath

15.12.2023

Der Bundesverwaltungsrichter Holger Wöckel ist an diesem Freitag im Bundesrat auf Vorschlag der unionsregierten Länder zum Richter des Bundesverfassungsgerichts gewählt worden. Der Sachse folgt im Zweiten Senat auf Sibylle Kessal-Wulf. 

Die Wahl war wieder einmal ein Ärgernis. Erst kurz vor Sitzungsbeginn des Bundesrats erschien ein neuer TOP 64 auf der Tagesordnung des Bundesrats: "Wahl eines Richters des Bundesverfassungsgerichts". In der zugehörigen Bundesratsdrucksache 662/23 fiel dann auch erstmals der Name des Kandidaten "Dr. Holger Wöckel". Da TOP 64 sofort an die zweite Position der Tagesordnung vorgezogen wurde, war Wöckel keine Stunde nach Bekanntwerden des Vorschlags bereits gewählt. Gerade so als scheue man jede Form öffentlicher Teilhabe. 

Wöckel ist 47 Jahre alt und Richter am Bundesverwaltungsgericht (BVerwG). Er kommt vom 7. Senat, der etwa für das Immissionsschutzrecht, Verkehrsinfrastrukturrecht und Streitigkeiten nach dem LNG-Beschleunigungsgesetz zuständig ist. Wöckel ist erst seit Februar 2021 Richter am BVerwG. Doch in § 2 Abs. 3 Bundesverfassungsgerichtsgesetz heißt es zur Wahl von Bundesrichtern ans BVerfG: "Gewählt werden sollen nur Richter, die wenigstens drei Jahre an einem obersten Gerichtshof des Bundes tätig gewesen sind." Diese Frist hat Wöckel offensichtlich nicht erfüllt, aber es ist auch nur eine Soll-Vorschrift. 

Schnelle Rückkehr nach Karlsruhe

Noch am Donnerstag saß Wöckel mit dem 10. Revisionssenat des BVerwG auf der Richterbank, um über den bayerischen Kreuzerlass zu verhandeln. Auch an der Urteilsverkündung am Dienstag wird er wohl noch teilnehmen können, da er bis dahin noch nicht als Verfassungsrichter ernannt ist. 

Für Holger Wöckel bringt die Wahl zum Verfassungsrichter eine schnelle Rückkehr nach Karlsruhe mit sich. Von April 2019 bis Februar 2021 war Wöckel wissenschaftlicher Mitarbeiter. So schnell ist wohl noch kein BVerfG-WiMi zum Verfassungsrichter aufgestiegen. 

Wöckel war als Mitarbeiter im Dezernat von Präsident Stephan Harbarth tätig. Da Harbarth dem Ersten Senat vorsitzt und Wöckel dem Zweiten Senat angehören wird, wird Harbarth also nicht mit seinem ehemaligen Zuarbeiter im gleichen Senat zusammenarbeiten. 

Ex-Mitarbeiter von Dietrich Murswiek 

Da der Zweite Senat für Europarecht zuständig ist, könnte von Interesse sein, dass Wöckel von 2004 bis 2010 in Freiburg wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Rechtsprofessor Dietrich Murswiek war. Der inzwischen emeritierte Murswiek hatte mehrfach EU-skeptische Verfassungsbeschwerden des CSU-Politikers Peter Gauweiler geschrieben. 

Wöckel selbst hat wissenschaftlich bisher aber wohl noch nicht zum EU-Recht publiziert. Seine Freiburger Dissertation beschäftigte sich mit der "Festlegung von Flugverfahren". Auch sonst hat Wöckel einiges zum Flugverkehrsrecht publiziert. 

Mit der Wahl von Holger Wöckel ist am Bundesverfassungsgericht die Geschlechterparität verloren gegangen. Das Gericht wird nun aus neun Männern und sieben Frauen bestehen. Im Zweiten Senat bleibt die Parität allerdings mit nun vier Männern und vier Frauen erhalten. 

Dabei verfügt die Unions-Seite durchaus auch über profilierte Bundesrichterinnen, wie die BGH-Richterin Angelika Allgayer, die von der CDU/CSU-Fraktion immer wieder als Sachverständige in Bundestags-Anhörungen benannt wird. 
 

Ostdeutsche Sozialisation

Wie man hört, soll jedoch der ostdeutsche Hintergrund des 1976 in Karl-Marx-Stadt geborenen Wöckel für ihn gesprochen haben. Es war auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der die Wahl Wöckels heute per Pressemitteilung besonders hervorhob: "Ich freue mich sehr, dass mit der Wahl von Dr. Holger Wöckel zum Bundesverfassungsrichter ein gebürtiger Sachse dem höchsten Gericht der Bundesrepublik Deutschland angehört." Wöckel ist nach Ines Härtel, die vor zwei Jahren von Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) durchgesetzt wurde, erst der zweite Bundesverfassungsrichter mit ostdeutscher Sozialisation. 

Die Ernennung Wöckels durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird vermutlich am 21. Dezember stattfinden. An diesem Tag wird jedenfalls auch Generalbundesanwalt Peter Frank ernannt, der auf den ausscheidenden Peter Müller folgt und bereits im November im Bundesrat gewählt wurde. Es liegt nahe, beide Ernennungen zu einem Festakt zu verbinden. 

Nachfolger von Kessal-Wulf

Wöckel folgt auf Sibylle Kessal-Wulff, deren Amtszeit just am heutigen 15. Dezember endete. So punktgenau haben die Wahlgremien noch selten einen Nachfolger für einen Verfassungsrichter gewählt. 

Kessal-Wulf machte zuletzt als Berichterstatterin im Schuldenbremsen-Urteil des Zweiten Senats Furore. Auch die Nichtigerklärung von § 217 StGB (geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung) hatte sie vorbereitet. Mit Kessal-Wulf verlässt den Senat also eine zwar öffentlich wenig bekannte, aber sehr durchschlagskräftige Richterin. 

Wie es am Zweiten Senat üblich ist, wird Wöckel nicht die Zuständigkeiten von Kessal-Wulf übernehmen. Vielmehr findet eine neue Geschäftsverteilung statt, die vermutlich nächste Woche im Senat beschlossen wird. 

Die nächste Wahl eines Bundesverfassungsrichters betrifft im November 2024 die Position von Josef Christ im ersten Senat. Hier wählt der Bundestag und die CDU/CSU hat wiederum das Vorschlagsrecht. 

Zitiervorschlag

Wahl im Bundesrat: . In: Legal Tribune Online, 15.12.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53436 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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