LG Stuttgart zum Streit ums Design des Porsche 911: Einmal kre­iert, später kas­siert?

Gastbeitrag von Dr. Daniel Kendziur und David Kleß

27.07.2018

Der Porsche 911 ist eine Ikone unter den Sportwagen. Ob für dessen so populäres Design dem Urheber bzw. dessen Erben nachträglich mehr Geld zusteht, musste das LG Stuttgart klären. Daniel Kendziur und David Kleß zum "Bestsellerpargraphen".

Das Landgericht (LG) Stuttgart hatte über den urheberrechtlichen Fairnessausgleich einer Erbin des vor 52 Jahren verstorbenen Porsche-Designers Erwin Franz Komenda zu entscheiden (Urt. v. 26.07.2018, Az. 17 O 1324/17).

Es klingt auch wirklich verlockend: Man ist Erbe eines schon lange verstorbenen Autors oder Designers, dessen Werke noch (oder sogar erst) Jahrzehnte nach dessen Tod echte Bestseller sind. Die Nutzungsrechte hatte der Erblasser indes seinem Arbeitgeber oder einem Verlag eingeräumt. Nun die Idee: Warum nicht den Inhaber der Nutzungsrechte auf eine weitere, zusätzliche Beteiligung an den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes verklagen? Immerhin erlischt das Urheberrecht erst siebzig Jahre nach dem Tod des Urhebers und ist während seines Bestehens vererblich.

Das mag sich auch die Erbin des Sportwagen-Konstrukteurs Erwin Franz Komenda gedacht haben, der von 1931 bis zu seinem Tod im Jahr 1966 bei Porsche beschäftigt war und unter anderem an der Entwicklung des VW Käfers sowie des ersten Porsche Modells Typ 356 und dessen Nachfolger, dem Modell 911, beteiligt war – wenngleich umstritten ist, in welchem Umfang. Den enormen Erfolg des Porsche 911, insbesondere seiner jüngsten Baureihen 997 und 991, hat die Erbin jedenfalls zum Anlass genommen, Porsche auf einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag zu verklagen. Ihr Argument: Die lebzeitige Vergütung ihres Vaters stehe unter Berücksichtigung seiner gesamten Beziehungen zu Porsche in einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen, die Porsche heute (noch) aus dem Design ziehe.

Der Erfolg blieb ihr zwar (noch) versagt, das LG wies ihre Klage am Donnerstag ab. Die Möglichkeit, dass andere Kläger in anderen Konstellationen erfolgreich urheberechtlichen Fairnessausgleich für Designs selbst Jahrzehnte nach deren Schöpfung geltend machen, ist nach diesem Urteil aber noch lange nicht aus der Welt.

Urheberrecht grundsätzlich offen für spätere Zusatzvergütungen

Das LG hatte sich mit dem sogenannten Bestsellerparagraphen (§ 32a Urhebergesetz) auseinanderzusetzen. Wie der Spitzname vermuten lässt, gewährt er dem Urheber für den Fall eines unerwartet großen kommerziellen Erfolges seines Werkes einen Anspruch auf Vertragsanpassung. Voraussetzung für diesen Anspruch ist aber, dass die erfolgreiche Nutzung auch von dem ursprünglichen Vertrag über die Nutzungsrechte umfasst war. Nur der Erfolg muss unvorhergesehen sein, so dass die vereinbarte Vergütung – ex-post bewertet – als unangemessen zu beurteilen ist.

In jedem Fall ist Voraussetzung des Anspruchs, dass ein urheberrechtlich schutzfähiges Werk vorliegt. Während der Bundesgerichtshof schon in seiner "Stadtbahnfahrzeug"-Entscheidung klargestellt hat, dass Urheberrechtsschutz auch für die formale Gestaltung von Fahrzeugformen insgesamt (statt nur einzelner Elemente) in Frage kommt (Urt. v. 08.05.2002, Az. I ZR 98/00), gibt es ansonsten sehr wenige Gerichtsentscheidungen, die sich mit diesem Thema befassen. Der Grund dürfte sein, dass man einen solchen Schutz typischerweise nur bei herausragenden formalen Gestaltungen, wie etwa dem Mercedes 300 SL-Flügeltürer oder ähnlich spektakulären Schöpfungen anerkennen wird – oder eben dem Porsche 911, wie das LG Stuttgart jetzt anerkannt hat.

Spätere Abwandlungen eines Designs in engen Grenzen

Für sein abweisendes Urteil letztendlich entscheidend war für das LG jedoch, dass die klagende Erbin keine vergütungspflichtigen Nutzungshandlungen durch Porsche nachweisen konnte. Sie hatte ihren Anspruch zwar vor allem darauf gestützt, dass die Werke ihres Vaters in den aktuellen Modellreihen des Modells 911 als (unfreie) Bearbeitungen oder gar Vervielfältigungen enthalten seien.

Das LG sah zwischen den ursprünglichen und den aktuellen Modellen des Porsche 911 aber so große Unterschiede, dass es sich nur um freie Benutzungen im Sinne von § 24 UrhG handele. Solche Nutzungen sind vergütungsfrei und können deshalb auch nicht zu einem nachträglich höheren Vergütungsanspruch des Urhebers oder seiner Erben führen.

Mit der zwischen den Parteien streitigen Frage, wer den "Ur-911er" denn nun überhaupt als Urheber geschaffen hat, musste sich das Gericht daher – leider – gar nicht beschäftigen.

Unabhängig davon, wie das Porsche-Verfahren letztendlich in den Folgeinstanzen ausgehen wird, dürften Unternehmen dieses Verfahren zum Anlass nehmen, die Vertragsverhältnisse mit ihren angestellten Designern und ähnlich schöpferisch tätigen Mitarbeitern auf urheberrechtliche Aspekte zu überprüfen. Wie das Verfahren eindrücklich zeigt, sind urheberrechtliche Ansprüche nämlich selbst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung nicht auszuschließen – und Erben dürften in aller Regel monetäre Interessen der Verbundenheit gegenüber einem erfolgreichen Unternehmen vorgehen.

Dr. Daniel Kendziur ist Partner und Rechtsanwalt und David Kleß ist Rechtsanwalt im Münchener Büro von Simmons & Simmons. Beide beraten in urheber- sowie marken- und wettbewerbsrechtlichen Angelegenheiten.

Zitiervorschlag

LG Stuttgart zum Streit ums Design des Porsche 911: . In: Legal Tribune Online, 27.07.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30023 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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