Die Kandidatin für den Chefposten bei der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien Goderbauer-Marchner beklagt die "Trashkultur" im Privatfernsehen und hat in diesem Zusammenhang 9Live den Kampf angesagt. Das Programm sei nur ein "dümmliches Mitmachquiz". Reicht dieser Vorwurf aus, um dem Sender wie angedroht die Sendelizenz zu entziehen? Von Dr. Tobias O. Keber.
Am 24. Februar 2011 wird entschieden, wer künftig die Geschicke der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien (BLM) leitet. Der Präsident, der vom Medienrat für die Dauer von fünf Jahren gewählt wird, steht der Aufsichtsbehörde vor, die über die privaten Hörfunk- und Fernsehangebote in Bayern wacht.
Es geht um eine wichtige Personalie, was in der Medienöffentlichkeit bis dato vor allem als Politikum diskutiert wurde. Gabriele Goderbauer-Marchners Kampfkandidatur gegen den Parteifreund Siegfried Schneider hatte in der CSU für reichlich Missstimmung gesorgt.
Wie die Kandidaten ihr Amt künftig inhaltlich auszurichten gedenken, darüber war indes bis zur vergangenen Woche wenig zu lesen. Das nun öffentlich kommunizierte sonore Bekenntnis der Kandidatin und Professorin für Print- und Online-Journalismus Goderbauer-Marchner zu Vielfalt und Qualität nebst Kampfansage an Mitmachsender wirft aber die Frage auf, wie weit dies nicht nur medienpolitisch trägt, sondern auch rechtlich durchsetzbar wäre. Vor allem geht es darum, ob eine mögliche Nichtverlängerung oder gar der Entzug der Rundfunklizenz tatsächlich mit mangelnder Vielfalt und Qualität des Angebots von 9Live begründet werden kann, und wer dies zu entscheiden hätte.
Aufhebung der Lizenz bei schwerwiegenden Verstößen gegen Gewinnspielsatzung
Die Kompetenzverteilung zwischen dem plural zusammengesetzten Medienrat der BLM und dem Präsidenten als Exekutivorgan geht von einer grundsätzlichen Zuständigkeit zu Gunsten des Medienrats aus. Vor allem für die Genehmigung von Angeboten ist nicht der Präsident, sondern der Medienrat zuständig, Art. 12 Bayerisches Mediengesetz (BayMG).
Im präsidialen Alleingang können Entscheidungen wie die von Goderbauer-Marchner angedachte also nicht gefasst werden. Allein nach Maßgabe des BayMG beurteilen sich Zulassungsfragen weiter nur, wenn es um nicht bundesweit verbreitete Angebote geht. Seit der Reform der Medienkontrolle 2007 bedienen sich die Landesmedienanstalten (LMA) für die Zulassung, Rücknahme oder den Widerruf der Zulassung bundesweiter Veranstalter nach § 36 des Rundfunkstaatsvertrags (RStV) der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK).
Die ZAK, deren Beschlüsse gegenüber der Landesmedienanstalt bindend sind, setzt sich aus den gesetzlichen Vertretern (Direktoren, Präsidenten) der 14 Landesmedienanstalten zusammen. Ihre Beschlüsse werden mit der Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder gefasst (§§ 2, 4 Geschäftsordnung der ZAK). Das Gremium hat für die 9Live Fernsehen GmbH am 18. Januar 2011 die Zulassung bezüglich der Programmkategorie "Spartenprogramm Unterhaltung" bis zum 18. April 2019 verlängert.
Die Frage einer Nichtverlängerung der Zulassung, die ansonsten im April dieses Jahres ausgelaufen wäre, stellt sich also nicht. In Betracht kommen aber Rücknahme und Widerruf der Zulassung. Diese sind in engen Grenzen und nach Maßgabe der Bestimmungen des RStV möglich: Ein Widerruf kommt in Betracht, wenn ein Rundfunkveranstalter gegen seine Verpflichtungen aus dem RStV wiederholt schwerwiegend verstößt. Hierüber ließe sich nachdenken, soweit 9Live sich künftig weiter und nachhaltig wegen Verstößen gegen die Gewinnspielsatzung verantworten muss, welche die Vorgaben des RStV zur Transparenz von Gewinnspielsendungen konkretisiert.
Spartenprogramme müssen nicht vielfältig sein
Soweit es um die Vielfalt als Attribut privater Rundfunkprogramme geht, muss man sich zunächst noch einmal die Architektur der deutschen Rundfunkordnung vor Augen halten. Im dualen System kommt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Aufgabe der Grundversorgung zu, wie das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung betont. Wird dieser Auftrag erfüllt und ein umfassendes Programm angeboten, das Bildung, Information und Politik aber auch Unterhaltung enthält, können an die privaten Veranstalter wesentlich geringere Programmanforderungen gestellt werden.
Für Letztgenannte gilt ein außenplurales Konzept, das heißt Meinungsvielfalt muss durch die Gesamtheit aller kommerziellen Angebote zum Ausdruck gebracht werden. Auf der Ebene des einzelnen Programms gibt der RStV vor, dass Vollprogramme zur Darstellung der Vielfalt im deutschsprachigen und europäischen Raum mit einem angemessenen Anteil an Information, Kultur und Bildung beitragen sollen (§ 41 Abs. 2 RStV).
Diese wenig konkrete Soll-Vorschrift vermag schon für Vollprogramme privater Veranstalter nur ein (in der Praxis schwer überprüfbares) Mindestmaß an Vielfalt zu gewährleisten. Für Spartenprogramme wie das von 9Live gilt auch dieser Minimalstandard nicht, wie § 41 Abs. 2 RStV ebenfalls klarstellt.
Damit wird der von der BLM-Präsidentschaftskandidatin angekündigte Feldzug gegen die Einfalt von Quiz-Sendern im Privatfernsehen auf Grundlage des geltenden Rundfunkrechts jedenfalls mit der angedachten Begründung nicht zu gewinnen sein. Spartenprogramme bilden naturgemäß keine Vielfalt ab. Das müssen sie auch nicht. Private Spartenprogramme dürfen sogar "einfältig" (im Sinne von dümmlich) sein. Im Ergebnis stellen überzogene Anforderungen an Vielfalt und Qualität im privaten Rundfunk das duale System insgesamt in Frage.
Dr. Tobias O. Keber ist Lehrbeauftragter für Medienrecht und habilitiert an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz.
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Kritik an 9Live: . In: Legal Tribune Online, 16.02.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2554 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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