Nachrichten, Ideen, künstlerische Leistung – der Online-Konsument ist daran gewöhnt, Information kostenlos zu erhalten. Gleichzeitig ist Wissen kostbar und seine Produktion teuer. Bei der Kölner Tagung zum Urheberrecht debattierten die Diskussionsteilnehmer über geistiges Eigentum, Leistungsschutzrechte und die Abschaffung des Urheberrechts. Paul Kurscheidt war dabei.
"Es geht ein Gespenst um ..." Im westlichen Kapitalismus der Moderne scheint das Internet eine Insel des realen Sozialismus' zu sein. Karl Marx hätte seine helle Freude an einer Welt, in der Information barrierefrei und kostenlos serviert wird. Auf der anderen Seite kann die richtige Information zur rechten Zeit am richtigen Ort Schicksale verändern, und Wissen ist nicht nur bekanntlich Macht, sondern Ideen sind auch kostbar.
Die Fragen sind nicht neu. In Zeiten des Internets, rückläufiger Umsätze von Musikindustrie und Zeitungshäusern aber sind sie dringender denn je. Sind Informationen wertvoll oder wertlos und kann man ihren Wert in Geld messen? Jedenfalls wer von Informationen und deren Vermarktung lebt, kommt an diesem grundsätzlichen Thema im digitalen Zeitalter nicht vorbei, denn auch geschützte Inhalte im Netz werden von vielen wie Freiwild behandelt. Das Schlagwort heißt "Internetpiraterie".
Der Staat geht das Problem an: Kulturstaatsminister Neumann hat ein Zwölf-Punkte-Papier mit dem Titel "Ohne Urheber keine kulturelle Vielfalt" vorgelegt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi ) lässt einen europäischen Rechtsvergleich über Warnhinweismodelle, also automatisch erscheinende Hinweisen, die auf den Urheberrechtsschutz des Inhaltes aufmerksam machen, zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im Netz erstellen. Der 3. Korb zum Urheberrechtsgesetz mit dem von der Regierung zugesagten Leistungsschutzrecht für Presseverlage ist lange überfällig. Um diese Ansprüche auf Vergütung für die Nutzung von Inhalten durch Dritte und die zugrunde liegenden Rechtsfragen ging es am Donnerstag auf einer Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung in der Reihe "Das Urheberrecht in der digitalen Welt".
Geistiges Eigentum vs. Netzrealität
Dabei wies der Kölner Medienrechtsprofessor Rolf Schwartmann auf verfassungsrechtliche Eckpfeiler hin. Schwartmann ist Sachverständiger in der Urheberrechtsanhörung der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" und Leiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht, die die Studie zu den Warnhinweismodellen im Auftrag des BMWi erstellt.
Seiner Einschätzung nach könnten Modifikationen am Urheberrecht zwar diskutiert werden, allerdings müssten sie im Einklang mit dem Grundgesetz stehen. Es bestehe seitens des Staates auch die Pflicht, Nutzerinteressen in den Blick zu nehmen. Allerdings lasse es die Verfassung nicht zu, die Privatnützigkeit als zentralen Wert des Eigentums zugunsten einer Gemeinnützigkeit aufzugeben, weil dieses Wesensmerkmal bestimmend für das hieisge Wirtschaftssystem sei. "Das individuelle Verlangen nach freier Teilhabe an geschützten Inhalten im Netz rechtfertigt keine Orientierung an Nutzerinteressen und löst keine Sozialbindung aus", so Schwartmann weiter.
Jimmy Schulz setzte einen anderen Schwerpunkt. Der Netzpolitiker, Bundestagsabgeordnete und Obmann der FDP-Bundestagsfraktion in der Enquete-Komission "Internet und digitale Gesellschaft" lehnt das Leistungsschutzrecht ab und widerspricht damit auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Schulz begründet seine Forderung nach einer Reform der rechtlichen Grundlagen des Urheberrechts mit dessen massenhafter Verletzung im Netz. "Das Gesetz muss die 'Netzrealität' tolerieren", so der FDP-Politiker. Es sei die Aufgabe des Rechteinhabers, sich durch neue Geschäftsmodelle diesen Gegebenheiten anzupassen. Würde diese Forderung umgesetzt, bedeutete das die Abschaffung des Urheberrechtes, so wie wir es bislang kennen.
Urheber müssen von ihrer Leistung leben können
Philipp Otto, der für die Internetplattformen iRights und co:llaboratory arbeitet, pflichtete Schulz im Wesentlichen bei. Er sieht sich und seine Webseiten zwar als Aufklärer über Urherberrechte, beklagt jedoch, dass die Rechtslage für die Anwendung viel zu kompliziert sei. Das Urheberrecht müsse dem Nutzer mehr Möglichkeiten schaffen. Sebastian Kocks von der Mediengruppe RTL bekräftigte, dass RTL auch in Zeiten der Internetpiraterie vollwertiger Anbieter von Inhalten bleiben wolle und machte in diesem Zusammenhang deutlich, dass Internetinhalte kostspielig seien und daher einen Rahmen benötigten, der die Refinanzierung dieser Inhalt gerade für privater Anbieter ermöglicht.
Einig waren sich alle Diskutanten darüber, dass der Urheber von seiner Leistung leben können soll. Aber wollen wir kreative Leistungen und Kultur nach den Vorstellungen der geistigen Eigentümer der Leistung honorieren, oder vertrauen wir darauf, dass die Kultur uns auch erhalten bleibt, wenn Künstler pauschal oder freiwillig vergütet werden?
Das Internet ist global und kann von einem nationalen Gesetzgeber nicht beherrscht werden. Der Nutzer berührt mit seinem Verhalten viele verschiedene Rechtsordnungen. Interessant ist, ob diese Tatsache Einfluss auf den verfassungsrechtlichen Eigentums- und somit auch Urheberbegriff nehmen wird. Verfassungswerte wandeln sich zu Recht; Homosexualität war vor 50 Jahren strafbar, heute ist sie gesellschaftlich und rechtlich akzeptiert. Ist ein solcher Wandel auch beim Eigentum und damit dem Urheberrecht denkbar? Für den Verfassungsrechtler Schwartmann nicht, "weil die Privatnützigkeit keine Frage eines sich wandelnden Werteverständnisses ist, sondern eine gleichbleibende Grundvoraussetzung unseres Staates. Wer dieses Axiom ändert, verändert das Wirtschaftssystem." Könnte dies Karl Marx gefallen?
Paul Kurscheidt ist als Rechtsanwalt in Köln und im Medien- und Strafrecht tätig.
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Kölner Tagung zum Urheberrecht: . In: Legal Tribune Online, 17.10.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4577 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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