Justizstreit in Rheinland-Pfalz beendet: Deutliche Worte der Experten gegen die OLG-Fusion

von Martin W. Huff

12.04.2012

Nach Monaten des Protests gegen die geplante Justizreform ist die Zusammenlegung der beiden rheinland-pfälzischen OLGe in Koblenz und Zweibrücken endgültig vom Tisch. Die von der Landesregierung nach viel Streit eingesetzte Expertenkommission hat ein eindeutiges Votum gegen die Fusion vorgelegt. Den Bericht analysiert Martin W. Huff.

Auf den ersten Blick scheint es, als sei eigentlich wenig passiert in der rheinland-pfälzischen Justiz. Unter der Überschrift "Zusammenarbeit weiter ausbauen" meldet die Staatskanzlei in Mainz, dass der Bericht der Expertenkommission zur Zusammenlegung der beiden Oberlandesgerichte (OLG) des Bundeslandes vorliegt. Und auch wer die Meldung auf der Homepage der Staatskanzlei liest, könnte den Eindruck haben, als sei alles business as usual.

Ist es aber nicht. Der 11 Seiten umfassende Bericht der Experten, zu denen auch zwei amtierende Präsidenten von Oberlandesgerichten, ehemalige Justizminister und Staatssekretäre zählen, ist eine schallende Ohrfeige für Ministerpräsident Kurt Beck. Dieser hatte im Koalitionsvertrag zur Überraschung nahezu aller Juristen im Land "aus Spargründen" die Zusammenlegung der Oberlandesgerichte Koblenz und Zweibrücken gefordert.

Doch er hatte wohl nicht mit einem so massiven Protest gerechnet. Selten sind Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte so geschlossen aufgetreten, sind auf die Straße gegangen und haben für die Erhaltung der beiden OLG mit einer Vielzahl von Argumenten plädiert. Und gerade auch die Kostenüberlegungen wurden von Anfang an in Zweifel gezogen.

Nachdem sich die Pläne des Ministerpräsidenten zu einer echten Krise für die Landesregierung ausweiteten, trat diese den geordneten Rückzug an. Anfang August 2011 wurde eine Expertenkommission eingesetzt, dann kam es zunächst zur ausstehenden Ernennung des OLG-Präsidenten Hans-Josef Greafen in Koblenz und dann auch noch zu der des neuen Generalstaatsanwalts in Zweibrücken, Dr. Host Hund.

"Erhebliche Kosteneinsparungen sind nicht zu erwarten"

Das Ende ist jetzt mit der Vorlage des Berichts der Expertenkommission Ende März 2012 erreicht. Die Experten verwerfen nahezu alle Argumente der Landesregierung für eine Zusammenlegung der beiden Gerichte. Einstimmig empfiehlt die Kommission, so heißt es in der Zusammenfassung "von der Zusammenlegung …. abzusehen". Und weiter: "Erhebliche Kosteneinsparungen sind nicht zu erwarte". Empfohlen wird eine engere Zusammenarbeit des OLG Zweibrücken mit dem OLG in Saarbücken, was aber wahrscheinlich einen Staatsvertrag zwischen den beiden Bundesländern erfordert. Und dann geben die Mitglieder noch Empfehlungen für die Veränderungen in der Verwaltungsgerichtsbarkeit ab.

Die Experten haben sich ihr Votum nicht leicht gemacht, in der Zeit zwischen August 2011 und März 2012 haben sie neunmal getagt, sich auch die betroffenen Standorte Koblenz und Zweibrücken angesehen und Gespräche geführt.

Wenig durchdacht: Hohe Kosten, niedrige Quoten

Der Bericht ergibt deutlich, dass die Forderung der Landesregierung nach einer Zusammenlegung mit der heißen Nadel gestrickt war. Sie war wohl eher auf die Verärgerung des Ministerpräsidenten über die Justiz als auf sachliche Überlegungen zurück zu führen.

Nahezu alle Einsparungen, die erzielt werden sollten, sind nach Ansicht der Kommission nicht zu erzielen. Dies beginnt bei der Nutzung dann eventuell leer stehender Gebäude, bei den nicht wie angedacht realisierbaren Personaleinsparungen und reicht bis zu erheblichen Neuinvestitionen, zum Beispiel für einen Staatsschutzsenat in Zweibrücken, der bisher in Koblenz sitzt.

Das Gremium weist auch darauf hin, dass die Zusammenlegung nachteilig für eine gezielte Frauenförderung in der Justiz wäre. Mit Blick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf würden aller Wahrscheinlichkeit nach besonders Frauen es ablehnen, die meist für eine Beförderung erforderliche "Erprobung" beim OLG und der Generalstaatsanwaltschaft im schlecht erreichbaren Zweibrücken zu absolvieren, so die Experten.

Und auch ein weiterer Aspekt zeigt, wie wenig überlegt die Zusammenlegungspläne waren: "Nicht auszuschließen ist aus Sicht der Kommission die Befürchtung, dass eine Zusammenlegung der Oberlandesgerichte am Standort Zweibrücken zu Gerichtsstandsvereinbarungen außerhalb des Landes Rheinland-Pfalz und damit zu erheblichen Gebührenverlusten führen könnte". Wären Becks Pläne umgesetzt worden, hätte das Land also hinterher eventuell sogar mehr Geld für die Justiz ausgeben müssen, die sich ohnehin zu über 50 Prozent selbst finanziert.

Das Resultat: Wer sich wehrt, wird gehört

In abschließenden Überlegungen stellen die Experten klar, dass auch die Justiz immer wieder prüfen muss, wie sich Konsolidierungspotenziale realisieren lassen. Doch dazu ist mittlerweile die Justiz in nahezu allen Bundesländern auch bereit. Fachwissen und Kompetenzen sollen bei bestimmten Gerichten konzentriert, zentrale Verfahren da durchgeführt werden, wo die Bürgernähe nicht die entscheidende Rolle spielt.

Die Auseinandersetzung in Rheinland-Pfalz zeigt zweierlei: Die Justiz ist oft Spielball der Politik. Ihre Stellung in den Kabinetten ist nicht besonders stark, obwohl sie eine der Säulen unseres Rechtsstaats ist. Auch die Kosten des Justizapparats fallen im Verhältnis mit 2 -3 Prozent der Landeshaushalte kaum ins Gewicht.

Aber wenn die Justiz und die Betroffenen sich wirklich einmal wehren, was bisher selten der Fall war, dann finden sie auch Gehör. Ohne die massiven Proteste in Rheinland-Pfalz wäre es wahrscheinlich zu einer "Justizreform" gekommen, die diesen Namen nie verdient hätte.

Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt und Journalist in Leverkusen. Er befasst sich seit Jahren mit Fragen der Rechts- und Justizpolitik und war unter anderem Pressesprecher im Hessischen Ministerium der Justiz.

Zitiervorschlag

Martin W. Huff, Justizstreit in Rheinland-Pfalz beendet: . In: Legal Tribune Online, 12.04.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5985 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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