Beugehaft für Bewertungsportal-Mitarbeiter: Das Zeugnisverweigerungsrecht im Journalismus 2.0

von Pia Lorenz und Martin W. Huff

19.02.2013

Journalisten haben ein Zeugnisverweigerungsrecht, wenn sie journalistisch tätig werden. Nicht erst der Fall des Mitarbeiters eines Internet-Bewertungsportals, der sich weigert, Daten eines Nutzers herauszugeben, zeigt, dass im Zeitalter von Blogs, Community und User Generated Content Grenzen verwischen können. Lösungsmöglichkeiten von Pia Lorenz und Martin W. Huff.

Kurz nach der Beinahe-Durchsuchung der Augsburger Allgemeinen Zeitung sorgen erneut nicht herausgegebene Nutzerdaten für Aufregung. Einem Mitarbeiter das Internetportals www.medizinfo.de droht Beugehaft. Das Portal bietet über die Unterseite klinikbewertungen.de auch die Möglichkeit, Kliniken zu bewerten. Dafür muss sich der Nutzer anmelden, seine  Bewertung erscheint dann unter einem Alias-Namen.

Ausweislich des "Bewertungseinmaleins" des Portals werden die Bewertungen von der Redaktion daraufhin geprüft, ob ihre Inhalte den dortigen Vorgaben entsprechen, die Redaktion behält sich vor, Beiträge zu ändern, zu kürzen oder zu sperren. Die in Bezug genommenen Vorgaben beschränken sich darauf, dass User auf die Nennung von Namen verzichten sollen und dass Beleidigung, Schmähkritik sowie Andeutungen von Straftaten nicht Gegenstand einer Bewertung seien.

Gegenüber LTO gab der verantwortliche Mitarbeiter an, die Nutzerbewertungen würden nicht im Voraus händisch geprüft, sondern vor der Veröffentlichung nur mit Hilfe einer Software gescannt. Im Nachhinein würden nach dem Zufallsprinzip Stichproben durchgeführt, bei denen manche Kommentare von einem Mitarbeiter überprüft würden.

Eine Therapeutin erstattete Strafanzeige wegen übler Nachrede im Kommentar eines nicht namentlich bekannten Nutzers. Der Betreiber des Portals löschte nach eigenen Angaben noch im Jahr 2011 die von ihr beanstandete Passage der Bewertung. Der zuständige Mitarbeiter verweigert aber seitdem die Nennung des Klarnamens des Kommentators, dessen strafrechtliche Verfolgung die Therapeutin erreichen möchte.

"Tagtäglich redaktionelle Arbeit" auf einem Bewertungsportal?

Der Mitarbeiter von medizinfo.de beruft sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Strafprozessordnung (StPO), da er eine journalistische Tätigkeit ausübe. Der zuständige Amtsrichter sah dies anders und verhängte erst ein Ordnungsgeld, dann Beugehaft gegen den Mitarbeiter, den er wie die Staatsanwaltschaft als Zeugen ansieht  Dieser hat Beschwerde eingelegt und nach eigenen Angaben das Bundesverfassungsgericht angerufen. "Wir üben tagtäglich redaktionelle Arbeit aus. Wir brauchen Rechtssicherheit", ist er überzeugt. Eben daran aber darf man erhebliche Zweifel haben. Das Zeugnis verweigern dürfen nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 1 S. 2 und 3 StPO "Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben."

Diese Personen dürfen das Zeugnis verweigern "über die Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten sowie über die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, über deren Inhalt sowie über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand berufsbezogener Wahrnehmungen." All das gilt aber nur für die Quellen und Materialien "für den redaktionellen Teil oder redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste".

Wer nicht mal liest, ist auch kein Journalist

Selbst wenn man das Internetportal medizinfo.de - eher großzügig - als einen solchen Dienst, also als ein Pressorgan ansehen wollte, hat der für die Klinikbewertungen zuständige Mitarbeiter aber wohl an den journalistischen Beiträgen, an welche die StPO anknüpft, nicht im erforderlichen Sinne "mitgewirkt".

Er selbst beruft sich darauf, auch Leserbriefe fielen unter die vom Zeugnisverweigerungsrecht geschützten Beiträge. Das gilt aber nur dann, wenn sie vor der Veröffentlichung von der Redaktion gesichtet und redaktionell bearbeitet werden.

Wenn dagegen Dritte, die sich einmal anonym angemeldet haben, einen Kommentar einstellen können und dieser online geht, ohne dass ihn ein Mitarbeiter inhaltlich überprüft hat, dann gibt es gerade keine Mitwirkung im Sinne des § 53 StPO. Auch der Einsatz von technischen Hilfsmitteln wie zum Beispiel Filtern ersetzt die tatsächliche redaktionelle Bearbeitung nicht.

Zitiervorschlag

Pia Lorenz und Martin W. Huff, Beugehaft für Bewertungsportal-Mitarbeiter: . In: Legal Tribune Online, 19.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8174 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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