Beschäftigte in Pflege- und Gesundheitsberufen müssen ab Mitte März geimpft oder genesen sein, sonst drohen Tätigkeitverbote und Kündigung. Die arbeitsrechtlichen Konsequenzen erklärt Michael Fuhlrott im Interview.
LTO: Der Gesetzgeber hat am vergangenen Freitag die Einführung einer berufsspezifischen Impfpflicht beschlossen. Für wen gilt danach ab wann eine Impfpflicht?
Prof. Dr. Michael Fuhlrott: Die Impfpflicht gilt für Gesundheits- und Pflegeberufe. Dort tätige Personen müssen bis zum 15. März 2022 nachweisen, dass sie geimpft oder genesen sind. Ab 16. März 2022 neu eingestellte Beschäftigte in diesen Berufen dürfen erst gar nicht mehr tätig werden ohne entsprechenden Nachweis.
Geregelt ist das im "Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19". Über dieses Gesetz ist § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG) neu ins IfSG eingeführt: Danach müssen Beschäftigte u.a. in Krankenhäusern, Dialyseeinrichtungen, Arzt- und Zahnarztpraxen, Gesundheitsämtern, Heilpraxen, Alten- und Pflegeheimen sowie der ambulanten Pflege bis zum 15. März nachweisen, dass sie geimpft oder genesen sind. Der Bundesrat hat diesem Gesetz ebenfalls bereits am Freitag in einer Sondersitzung zugestimmt, es tritt mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt, die zeitnah zu erwarten ist, also in Kraft.
Die im Gesetz genannten Einrichtungen sind vielfältig, die konkret betroffenen Berufe hingegen sind nicht gesondert aufgeführt. Für welche Personen in diesen Institutionen gilt also die Impfpflicht?
Die Impfpflicht gilt für alle Personen, die in einem der genannten Unternehmen arbeiten, und zwar unabhängig davon, ob die Menschen in der Kantine, als Hausmeister:in, Empfangsmitarbeiter:in, als Altenpfleger:in oder als Krankenpfleger:in arbeiten. Es ist also nicht die konkrete Tätigkeit relevant, sondern allein der Umstand, dass ich in einer Einrichtung arbeite, in der Kontakt zu vulnerablen Gruppen besteht.
Arbeitgebende haben Dokumentationspflicht
Nach dem Gesetz müssen die Beschäftigten den Arbeitgebenden einen Nachweis über die Impfung oder die Genesung vorlegen. Wie kann ein solcher Nachweis aussehen?
Die Beschäftigten müssen die erforderlichen Dokumente bei ihrem Arbeitgeber:innen bis zum 15. März vorlegen. Wie der Nachweis auszusehen hat, regelt der neue § 20a Abs. 2 IfSG: Das ist der Nachweis über die vollständige Impfung in Form des Impfpasses oder des digitalen Codes oder der Genesenennachweis mit entsprechenden Labordaten. Eine einzige Ausnahme gibt es allerdings von der Impfpflicht: Beschäftigte können ein ärztliches Zeugnis beibringen, dass sie aufgrund medizinischer Contra-Indikation nicht geimpft werden können.
Was machen die Arbeitgebenden mit den Nachweisen?
Die Arbeitgebenden müssen die Nachweise dokumentieren, sie müssen also vermerken, dass sie den Status aller ihrer Mitarbeitenden kontrolliert haben. Am besten erfolgt dies in einer gesonderten Dokumentation außerhalb der Personalakte.
Generell ist es ausreichend, dass die Unternehmen den Status prüfen, weitere Pflichten bestehen zunächst nicht. Wenn allerdings Beschäftigte keine ausreichenden oder gar keine Nachweise über den eigenen Status erbringen, trifft die Unternehmen die Pflicht, diese Personen namentlich dem örtlichen Gesundheitsamt zu melden. Das gilt auch dann, wenn die Arbeitgebenden Zweifel an der Richtigkeit der vorgelegten Unterlagen haben. Im nächsten Schritt wird sich dann das Gesundheitsamt bei den betreffenden Beschäftigten melden – zumindest so lange, wie diese Personen als Angestellte bei der Einrichtung geführt werden. Das Gesundheitsamt kann dann ein Beschäftigungsverbot verhängen.
Im Zweifel kommt die Kündigung
Was können oder müssen Arbeitgebende tun, wenn Beschäftigte den Nachweis nicht erbringen oder klar sagen, dass sie keine Nachweise erbringen, weil sie nicht geimpft sind und diese auch nicht wollen?
Die Erbringung des entsprechenden Nachweises bis spätestens zum 15. März 2022 ist eine Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis. Wer sie nicht erfüllt, verstößt gegen die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag. Arbeitgeberseitig kann dann mit dem "üblichen" Instrumentarium reagiert werden, sprich mit erneuter Aufforderung, Abmahnung und bei weiterer Nicht-Vorlage der Unterlagen mit einer außerordentlich fristlosen Kündigung.
Teilt die betroffene Person mit, dass sie keinen Nachweis vorlegen wird, weil sie eine Impfung ablehnt, stellt sich die Frage, wie das Unternehmen hierauf reagiert. Einfach ist der Fall, wenn ein behördliches Beschäftigungsverbot erteilt wird. In diesem Fall fehlt es an der persönlichen Eignung und eine personenbedingte ordentliche Kündigung dürfte ohne weiteres möglich sein.
Aber auch ohne ausdrückliches behördliches Tätigkeitsverbot könnte eine personenbedingte Kündigung in Betracht kommen: Wenn der Gesetzgeber das Vorliegen des 2-G-Status für so wesentlich erachtet, muss man schon genau prüfen, ob Arbeitgebende dessen Vorliegen nicht auch zur notwendigen Voraussetzung einer Beschäftigung machen dürfen.
Arbeitsrechtlich kann sich zudem die Frage stellen, ob nicht sogar eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht kommt. Nimmt man an, dass die Pflicht zur Impfung eine arbeitsrechtliche Nebenpflicht darstellt, könnte die fehlende Vornahme der Impfung eine Pflichtverletzung darstellen, auf die mit Abmahnung und fristloser Kündigung reagiert werden könnte. Diese offenen Fragen werden zeitnah die Arbeitsgerichte beschäftigen.
Neu – ab dem 16. März 2022 - einzustellende Beschäftigte werden arbeitgeberseitig im Vorstellungsgespräch befragt werden, ob sie geimpft oder genesen sind und zur Vorlage der entsprechenden Unterlagen verpflichtet werden. Eine Beschäftigung darf dann erst erfolgen, wenn der entsprechende Nachweis erbracht ist.
Welche Folgen hat es für die Einrichtungen und die Beschäftigten, wenn die Unternehmen die Nachweis- und Dokumentationspflichten missachten?
Halten die Arbeitgebenden die Nachweise nicht nach, melden sie die Beschäftigten ohne Nachweise nicht wie vorgeschrieben dem Gesundheitsamt oder beschäftigen sie die Betreffenden trotz Verbots weiter, dann liegen darin Ordnungswidrigkeiten. Diese werden mit Geldbußen von bis zu 25.000 Euro geahndet.
Aber auch die Beschäftigten können Ordnungswidrigkeiten begehen und ein Bußgeld bekommen. Das kann in dem Moment passieren, wenn das Gesundheitsamt den oder die Angestellte:n aufgrund der Mitteilung durch das Unternehmen zum Nachweis auffordert und die Betroffenen dieser Aufforderung nicht nachkommen. Auch dieses Bußgeld kann bis zu 25.000 Euro betragen.
Die einzige Ausnahme im Gesetz ist der Nachweis der Contra-Indikation durch das ärztliche Attest. Wie ist diese Ausnahme zu bewerten?
Das Attest, dass eine Impfung medizinisch ausgeschlossen ist, kann von jedem Arzt ausgestellt werden. Mit dem Attest werden die Betroffenen von allen genannten Maßnahmen befreit. Diese Ausnahme ist nötig, wird die Unternehmen aber vor große Schwierigkeiten stellen.
Denn wie soll der Arbeitgeber beurteilen können, ob ein solches Attest wirklich notwendig ist oder womöglich auf einer Gefälligkeit beruht. Letztere gab es zuhauf bei Attesten, die von der Maskenpflicht befreit haben.
Die Unternehmen können bei Zweifeln die Dokumente ihrer Beschäftigten nur einsammeln und an die Gesundheitsämter weitergeben. Die Gesundheitsämter werden es dann sein, die ein riesiges Vollzugsthema haben werden.
Das Verwenden von Gefälligkeitsattesten durch Beschäftigte kann aber gravierende Folgen nach sich ziehen. Die Beschäftigten riskieren zum einen eine fristlose Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses. Zum anderen sind auch strafrechtliche Konsequenzen und empfindliche Geldstrafen möglich.
Vielen Dank für das Gespräch.
Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei FHM sowie Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius in Hamburg.
Beschäftigte in Pflege- und Gesundheitsberufen: . In: Legal Tribune Online, 14.12.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46921 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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