Interview zu Merkels Google-Hangout: "Staatliche Öffentlichkeitsarbeit ist ziemlich langweilig"

Interview mit Dr. Hans Hege

18.04.2013

2/2: "Der Staat darf den Medien nicht unbegrenzt Konkurrenz machen"

LTO: Wo sehen sie die Grenzen für staatliche Öffentlichkeitsarbeit?

Hege: Das ist aus meiner Sicht bisher juristisch wenig bearbeitet. Es ist natürlich klar, dass auch öffentliche Institutionen neue Formen der Kommunikation nutzen dürfen. Bloß: Ab wann nimmt das Ganze einen Umfang an, der rechtlich problematisch ist? Bei Angeboten der Regierung ist das sicherlich noch schwieriger als beim Parlamentsfernsehen. Der Bundestag hat ja intern Regeln, damit alle zur Sprache kommen. Das hat die Regierung nicht; deshalb muss es etwa besondere Vorschriften für die Öffentlichkeitsarbeit während des Wahlkampfs geben.

Bisher völlig ungeregelt ist außerdem die Frage, was die Regierung tun darf, um die Presse zu unterstützen. Das ist vor allem auf regionaler Ebene relevant, wenn etwa ein Landkreis die lokale Monopolzeitung unterstützt, die finanziell in Schwierigkeiten gekommen ist. Geht das? Das ist doch viel problematischer als irgendein Hangout.

LTO: Sehen Sie die Staatsfreiheit des Rundfunks gefährdet?

Hege: Sicherlich nicht in dem Ausmaß wie zu Zeiten des geplanten Adenauer-Fernsehens. Allerdings darf professionellen Medien nicht unbegrenzt aus staatlichen Mitteln Konkurrenz gemacht werden, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es immer schwieriger wird, Journalismus zu finanzieren und dieser die Aufgabe hat, unabhängig zu recherchieren und zu bewerten, auch zu kritisieren. Staatliche Öffentlichkeitsarbeit ist dagegen immer davon geleitet, sich im besten Licht darzustellen.

LTO: Im Grunde konkurrieren staatliche Öffentlichkeitsarbeit und journalistische Angebote also gar nicht miteinander?

Hege: Einerseits könnte der Staat professionellere Sachen machen, die weit über einen Google-Hangout hinausgingen. Andererseits bin ich da auch recht gelassen, weil staatliche Öffentlichkeitsarbeit für den Nutzer ja auch weniger attraktiv, weil meist langweiliger ist als ein guter journalistischer Beitrag.

Schwierig sind die Zwischenformen. Zum Beispiel die Amtsblätter. Viele Leute lesen keine Zeitung mehr, aber Amtsblätter und die haben auch einen informativen Teil über das allgemeine lokale Geschehen, der sich häufig durch relativ unkritische Berichterstattung auszeichnet. Wenn es vor Ort aber gar keinen Journalismus mehr gibt, weil er sich nicht mehr finanzieren lässt, dann ist das natürlich viel problematischer, als wenn der Bundestag noch ein paar Interviews in seinen Parlamentskanal stellt.

"Lizenzfreiheit der Presse sollte für alle Medien gelten"

LTO: Warum brauchen private Radio- und Fernsehveranstalter überhaupt eine Rundfunklizenz?

Hege: Ursprünglich ging es dabei um die Vergabe knapper Kapazitäten. Und das ist auch heute noch so. Wenn wir UKW-Frequenzen hier in Berlin vergeben, dann bewerben sich immer sehr viel mehr Veranstalter, als es Frequenzen gibt.

Ansonsten gilt aus meiner Sicht das, was für alle berufsrechtlichen Lizenzen gilt – wozu dienen sie und braucht man sie wirklich? Das geltende Rundfunkrecht geht da ziemlich weit. Es gibt nur wenige Ausnahmen. Ich denke, die könnte man durchaus erweitern. Muss wirklich jeder Mini-Kanal eine Lizenz beantragen, während auf der anderen Seite für die Meinungsfreiheit viel wichtigere Institutionen das nicht müssen? Kabelgesellschaften brauchen keine Lizenz, obwohl sie Programme zusammenstellen, Google auch nicht.

Die Presse hat ja schon historisch die Lizenzfreiheit durchgesetzt. Das ist für mich das Vorbild. Es sollte auch für die anderen Medien keine besondere Regelung geben, es sei denn, es geht um die Verteilung knapper Kapazitäten.

LTO: Sie fordern, die Rundfunkordnung zu einer Medienordnung weiterzuentwickeln, die dem Zeitalter des Internets gerecht wird. Wie könnte das aussehen?

Hege: Man kann mit dem bestehenden Rundfunkstaatsvertrag durchaus noch vernünftige Regelungen treffen. Aber schon der Name stimmt ja nicht mehr so richtig. Außerdem passt die Unterscheidung zwischen linearen und nicht-linearen Angeboten nicht mehr; linear sind Programme, die die Allgemeinheit nur zeitgleich empfangen kann. Das ist aber immer weniger der Fall.

Das wird besonders deutlich, wenn man sich das eigentliche rundfunkrechtliche Kriterium ansieht, nach dem auch die Lizenzen bei knappen Frequenzen vergeben werden: Da geht es um die Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung. Für Youtube-Channels, Spiegel Online oder den Abruf der Bundesliga auf bild.de braucht man keine Lizenz, für einen Minikanal dagegen schon, obwohl der nie die Chance hat, eine dominierende Rolle zu spielen. Dieses System müsste grundlegend überarbeitet werden.

LTO: Vielen Dank für das Gespräch.

Dr. Hans Hege ist Direktor der Medienanstalt Berlin Brandenburg (mabb).

Das Interview führte Claudia Kornmeier.

Zitiervorschlag

Interview zu Merkels Google-Hangout: . In: Legal Tribune Online, 18.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8559 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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