Das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren: Unter Wert verkauft

von Robert Peres

06.03.2015

2/2: Enteignung Privater durch Private

Um die Verfahrensdauer zu verkürzen, wird immer wieder gefordert, eine erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte für Spruchverfahren einzuführen. Die im Jahre 2012 vom Bundesjustizministerium vorgelegte Aktienrechtsnovelle sah dies vor. Glücklicherweise fand sie keine Mehrheit, denn eine Verkürzung des Instanzenzuges würde die – im internationalen Vergleich – ohnehin bereits begrenzten Rechtsschutzmöglichkeiten der Minderheitsaktionäre weiter einschränken.

Es ist nicht nachvollziehbar, warum gerade der Ausnahmefall einer zulässigen Enteignung einer Privatperson durch eine andere Privatperson noch weiter privilegiert werden soll, indem der enteigneten Person eine üblicherweise gewährte Tatsacheninstanz genommen wird. Auch nach Ansicht des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat sich die Expertise und Kapazität der auf Spruchverfahren spezialisierten Kammern der Landgerichte bewährt.

Umgehung von Schutzrechten durch Delisting

Noch schlimmer als Aktionären im Squeeze-out oder beim Abschluß von Beherrschungs- bzw. Gewinnabführungsverträgen ergeht übrigens es den Anlegern im Falle eines Delistings. Hier hat der BGH mit seiner "FRoSTA"-Entscheidung das Erfordernis einer Barabfindung im Falle eines Delistings gänzlich aufgegeben.

Die Gefährdung für den Minderheitsaktionär ist offensichtlich. Wird ein Delisting angekündigt, wird sich das Angebot an Aktien deutlich erhöhen, da die Anleger schnell aus dem Wert flüchten. Die Folge: der Aktienpreis sinkt und es entsteht weiterer Verkaufsdruck. Die Hauptaktionäre können sich so billig mit weiteren Anteilen eindecken und ihre Mehrheit auf Kosten der Minderheitsaktionäre – deren Zustimmung für ein Delisting ebenfalls nicht erforderlich sein soll – weiter vergrößern.

Leider hat der BGH hier lange geltendes Recht in die falsche Richtung fortgebildet, denn früher erhielten die Minderheitsaktionäre im Falle der Ankündigung, das Unternehmen von der Börse zu nehmen, zwingend ein Barabfindungsangebot. Dieses Barabfindungsgebot durfte nicht unter dem über die letzten drei Monate volumengewichteten Durchschnittkurs der Aktie liegen. Wegen dieser am Börsenpreis orientierten Mindestentschädigung entstand in der Folge durch die Ankündigung eines Delistings auch kein Verkaufsdruck und führten Delistings nicht zu Marktverwerfungen.

Korrektur durch den Gesetzgeber?

Heute kann das Unternehmen bzw. der herrschende Gesellschafter durch ein Delisting ohne Barabfindung wesentliche aktienrechtliche Schutzrechte umgehen. So entfaltet aus den oben genannten Gründen ein Delisting Wirkungen, die faktisch – zumindest teilweise – mit einem Squeeze-Out vergleichbar sind, ohne dass den Minderheitsaktionären nach dem gegenwärtigen Stand der zivilrechtlichen Rechtsprechung auch nur ein annähernd gleichwertiger Schutz geboten würde.

Zumindest im Falle der Rechtsprechung zum Delisting soll wohl bald der Gesetzgeber tätig werden. Hier könnte noch im Zuge der derzeit laufenden Aktienrechtsnovelle 2014 ein Korrektiv erfolgen. Es wäre zu wünschen, dass die Rechte von Minderheits-aktionären auch bei der Ausgestaltung des Spruchverfahrensgesetzes in Zukunft eine stärkere Beachtung finden würden.

Der Autor Robert Peres ist Rechtsanwalt in Wiesbaden.

Zitiervorschlag

Robert Peres, Das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren: . In: Legal Tribune Online, 06.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14866 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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