Bald ist es so weit und 2011 schon wieder vorbei. Vielerorts geschieht der Rutsch in das neue Jahr lautstark und farbenprächtig mit Böllern und Raketen. Die Warnungen vor den Gefahren des Feuerwerks kehren alljährlich wieder, seine rechtlichen Grundlagen aber sind weit weniger bekannt. Was man darf und wie es böse enden kann, erklärt Alfred Scheidler.
Das Silvesterfeuerwerk ist Sprengstoff. So auf der Hand liegend das erscheinen mag, so wenig macht man sich bewusst, dass es rechtlich primär durch das Sprengstoffrecht geregelt wird, konkret die „Erste Verordnung zum Sprengstoffgesetz“ (1. SprengV). Das übliche Silvesterfeuerwerk fällt unter die Kategorie 2 der pyrotechnischen Gegenstände.
Solche dürfen Verbrauchern nur in der Zeit vom 29. bis 31. Dezember überlassen werden (§ 22 Abs. 1 der 1. SprengV). Schon ab dem 28. Dezember dürfen sie dann in den Verkauf, wenn einer der genannten Tage ein Sonntag ist.
Nur Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, dürfen Feuerwerksartikel verwenden, also abbrennen. Auch die Verwendung ist nur zeitlich beschränkt zulässig, nämlich grundsätzlich am 31. Dezember sowie am 1. Januar. Nur mit einer Ausnahmegenehmigung wie zum Beispiel für ein Feuerwerk anlässlich einer Hochzeit dürfen sie an anderen Tagen des Jahres abgebrannt werden.
Silvesterfeuerwerk ist nicht überall zulässig
In unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen sowie Reet- und Fachwerkhäusern dürfen pyrotechnische Gegenstände nicht abgebrannt werden. Außerdem kann die zuständige Behörde anordnen, dass ein Silvesterfeuerwerk nicht in der Nähe von Gebäuden oder Anlagen stattfinden darf, die besonders brandempfindlich sind. Für bestimmte dicht besiedelte Gebiete kann sie selbst an und um Neujahr herum untersagen, Feuerwerkskörper mit ausschließlicher Knallwirkung abzubrennen.
Zum Umgang mit Feuerwerkskörpern in der Silvesternacht gibt es eine ganze Reihe von Gerichtsentscheidungen. Grundlegend ist das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 22. Februar 1966 (Az. VI ZR 206/64): Danach muss für ein Silvesterfeuerwerk ein Platz gewählt werden, von dem aus etwa fehlgehende Raketen aller Voraussicht nach keinen nennenswerten Schaden anrichten können. Im entschiedenen Fall sah der BGH diese Sorgfaltspflicht als verletzt an, weil sich in der Nähe mehrstöckige Wohnhäuser befanden.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hielt auch nicht viel von der Zündung von Silvesterraketen nahe einigen Büschen und einem angrenzenden Wald (Beschluss vom 29.10.2009, Az. 4 ZB 09.822). Dabei betonten die Münchener Richter, dass der Umgang mit Feuerwerkskörpern immer ein gefährlicher Vorgang ist. Es half den Hobby-Zündlern nicht, dass sie Pyrotechnik erworben hatten, die mit behördlicher Genehmigung im Handel war, und dass sie diese nach den Abbrennvorschriften des Herstellers benutzt hatten.
Silvester gibt es eben Feuerwerk: Eingeschränkte Verkehrssicherungspflicht
In der Silvesternacht sind die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflichten beim Abbrennen von Feuerwerkskörpern allerdings herabgesetzt, weil das Silvesterfeuerwerk ein allgemein praktizierter und üblicher Brauch ist, auf den sich der Verkehr einrichtet. Das gilt, wie der BGH schon 1985 entschied auch für die Maßnahmen zum Selbstschutz (BGH, Urt. v. 09.07.1985, Az. VI ZR 71/81). So ist zum Beispiel vom Besitzer eines Gebäudes zu erwarten, dass er in der Silvesternacht Fenster und Türen seiner Gebäude schließt, um zu verhindern, dass Feuerwerkskörper hineingelangen (Oberlandesgericht Stuttgart, Urt. v. 20.3.2008, Az. 10 U 219/07).
Wer erlaubnisfreie Feuerwerkskörper bestimmungsgemäß und entsprechend den Herstellerhinweisen abbrennt, ist nicht verantwortlich für die daraus resultierenden "normalen" Gefährdungen von Personen, die sich in der Nähe der Abschuss-Stellen aufhalten und sich auf das Feuerwerk einstellen können.
Jeder vernünftige Mensch, der dem Silvesterfeuerwerk zuschaut, muss sich auf derartige Gefährdungen selbst einrichten, sofern sie nicht aus Richtungen kommen, aus denen er sie nicht zu erwarten braucht. Vorkehrungen zum Schutz auch dieses Personenkreises vor den "normalen" Gefährdungen muss man daher beim Böllern nicht treffen (BGH, Urt. v. 9.7.1985, Az. VI ZR 71/81).
Böller sind kein Spielzeug für Minderjährige
Ein besonderes Problem stellt die Silvesternacht für Tiere, vor allem Hunde dar. Wird ein Hund durch den Lärm dermaßen erschreckt, dass er auf Nimmerwiedersehen wegläuft, kann der Hundehalter keine Schadensersatzansprüche gegen die "Feuerwerker" geltend machen. Jeder Hundehalter hat grundsätzlich dafür zu sorgen, dass sein Hund nicht davonlaufen kann, entschied das Landgericht Erfurt im Jahr 2009 (Urt. v. 29.12., Az. 10 O 219/09).
Wer auch Minderjährigen in der Silvesternacht Feuerwerkskörper überlassen will, genügt als Erziehungsberechtigter seiner Aufsichtspflicht nur dann, wenn er die Kinder nicht nur in den Umgang mit den Feuerwerkskörpern einweist. Außerdem ist er verpflichtet, sie ständig im Auge zu behalten, wenn er weiß, dass die Feuerwerkskörper für Personen unter 18 Jahren ungeeignet sind, worauf auf der Verpackung hingewiesen wird. Bloße Ermahnungen reichen nicht aus (Oberlandesgericht Braunschweig, Urt. v. 09.08.2004, Az. 6 U 5/03).
Der Umgang mit Feuerwerkskörpern ist immer gefährlich, auch wenn man sie mit dem Landgericht Magdeburg (Urt. v. 01.10.2010, Az. 10 O 551/10 u. a.) als "Spielzeug" einstuft. Wenn daher das alte Jahr verabschiedet und 2012 mit Feuerwerk begrüßt wird, sollten bei aller Feierlaune bestimmte Sorgfaltsmaßnahmen beachtet werden, um nicht mit einem Malheur – rechtlicher oder tatsächlicher – Art in das neue Jahr zu starten.
Der Autor Dr. Alfred Scheidler ist Oberregierungsrat in Neustadt an der Waldnaab und Autor zahlreicher Publikationen zum öffentlichen Recht.
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Alfred Scheidler, Feuerwerk zum neuen Jahr: . In: Legal Tribune Online, 30.12.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5200 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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