Der Ex-Kanzler verklagt den Staat, er will sein Büro samt Personal zurück. Die Erfolgsaussichten stehen eher schlecht, meinen Verwaltungsrechtler. Seine Klage wirft aber grundsätzliche Fragen für den Gesetzgeber auf.
Am Berliner Verwaltungsgericht (VG) hat man immer mal wieder mit der Politprominenz zu tun, aber die Konstellation am Donnerstag ist schon etwas ganz besonderes. Der Ex-SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder klagt gegen den Bund, er will sein Büro samt Ausstattung und Personal zurück, das ihm nach seiner Zeit als Kanzler nach 2005 zur Verfügung gestellt wurde. Das kostete zuletzt den Bund immerhin mehr als 400.000 Euro im Jahr. Im Mai 2022 entschied der zuständige Haushaltsausschuss im Bundestag die Mittel für Schröders Büro nicht mehr bereitstellen zu wollen, das Personal soll eine neue Aufgabe bekommen.
Als Grund wurde Schröder mitgeteilt, er verfolge keine nachwirkenden Aufgaben aus seiner Amtszeit mehr, deshalb werde sein Büro "ruhend" gestellt. Von den umstrittenen Russlandkontakten Schröders war – wohlweislich – keine Rede in der Begründung. Die Botschaft: Hier geht es nur um einen sachlichen Verwaltungsvorgang; Gazprom-Posten, Nordstream-2-Engagement, Putin-Freundschaft hin oder her. Zeitlich fiel die Entscheidung aber natürlich in die Diskussion um Schröders zunächst unbeirrte Nähe zu Russland nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, auch die SPD versuchte sich von Schröder zu trennen.
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Ein Anspruch auf ein Ex-Kanzlerbüro?
Seit den Anfangsjahren der Bundesrepublik war es eingeübte Praxis, dass ausgeschiedenen Kanzlern ein Sekretariat bzw. Büro zur Verfügung gestellt wurde, dazu immer mehr Personal. Gesetzlich geregelt ist das nirgendwo, obwohl der Bundesrechnungshof das bereits 2018 gerügt hatte. Rechtsgrundlage ist allein die Entscheidung des Haushaltsausschusses für jedes neue Haushaltsjahr. Schröder, selbst Jurist und Rechtsanwalt, und sein Hannoveraner Anwalt Michael Nagel argumentieren, dass es einen Anspruch auf das Ex-Kanzlerbüro gebe. Der ergebe sich aus der bisherigen Staatspraxis, aus Gewohnheitsrecht und dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 GG. Der Bund auf der Gegenseite im Verfahren sieht schon keinen Anspruch des Ex-Kanzlers.
Überwiegend schätzen Verwaltungsrechtler die Chancen Schröders vor Gericht als gering ein. Klaus Herrmann, Rechtsanwalt der auf öffentliches Recht spezialisierten Kanzlei Dombert Rechtsanwälte in Potsdam und Lehrbeauftragter an der Universität Halle-Wittenberg, hält die Klage in seinem Gastbeitrag für LTO weder für zulässig noch für begründet. Es fehle bereits an der Klagebefugnis, denn dafür müsste der Ex-Kanzler eine Verletzung in subjektiven Rechten geltend machen können. An einer rechtlichen Grundlage für einen solchen Rechtsanspruch auf ein Büro fehle es aber. Der Staat sei seinen Altkanzlerinnen und Altkanzlern zu nichts verpflichtet. Es sei schwer zu nachzuvollziehen, warum die öffentliche Verwaltung Privatmenschen Büros oder Personal überlasse. Die Klage sei zudem unbegründet, weil der zeitliche Abstand zum früheren Amt gewachsen sei und keine "nachwirkenden Verpflichtungen" mehr wahrgenommen werden. Zu solchen zählen wohl Reden oder Beiträge, die das amtliche Wirken der Ex-Kanzlerin oder des Ex-Kanzlers noch ausklingen lassen.
Wie soll der Übergang von Kanzlerschaft ins Private geordnet werden?
Aber hier wird es merklich schon unscharf. Darauf weist auch die Parteienrechtlerin Sophie Schönberger, Rechtsprofessorin der Uni Düsseldorf hin. "Gerade in Bezug auf die höchsten Staatsämter tut sich die Staatspraxis der Bundesrepublik (und auch diejenige anderer Länder) an vielen Stellen überaus schwer, die demokratische Unterscheidung zwischen dem Amt, das von einer Person ausgefüllt wird, und der Person, die zumindest in der öffentlichen (und wohl oft auch in der individuellen) Wahrnehmung mit dem Amt teilweise verschmilzt, in geordnete Bahnen zu lenken," schreibt sie in einem Beitrag für den Verfassungsblog.
"Die rechtlich völlig ungeregelten und in der Praxis wohl auch bisher keinerlei effektiver Kontrolle unterliegenden Altkanzlerbüros sind dafür genauso ein Beispiel wie die bisherige Übung, die scheidenden Kanzler relativ freihändig darüber entscheiden lassen, welche Akten aus dem Kanzleramt sie im Amt belassen […]", so Schönberger. Die spannende Frage nach der (möglichen?) Unterscheidung von Person und Amt hatte das Bundesverfassungsgericht erst 2022 anlässlich von Äußerungen Angela Merkels zur Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten beschäftigt.
Regeln für Kanzlerbüros ins Gesetz und strenger kontrollieren
Schönberger hält bereits die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, erster Prüfungspunkt einer verwaltungsgerichtlichen Klage, für fraglich. Denn Schröder will seinen Anspruch gerade aus einer wie auch immer abgeleiteten amtlichen Position heraus begründen, er steht dem Staat dann aber gerade nicht wie jeder andere Bürger als Privatperson gegenüber. Dann wäre der Verwaltungsrechtsweg aber nicht eröffnet, argumentiert Schönberger. Ihm bliebe dann nur der Weg zum Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe, dort könnte er quasi als nachwirkendes Verfassungsorgan sein Glück versuchen. Umgekehrt: Klagt Schröder als Privatperson, dürfte seine Klage mangels Anspruchs unbegründet sein.
Schönberger fordert für die Zukunft ebenso wie Verwaltungsrechtsanwalt Herrmann transparente Regelungen zu Umfang und Dauer, wenn Mittel für Ex-Kanzlerinnen und Kanzler eingesetzt werden, und ihre Verwendung müsse besser kontrolliert werden. Die Klage Schröders beim VG Berlin kann diesem Thema Aufmerksamkeit verschaffen und Unsicherheiten abräumen. Zuletzt hatte es auch Diskussionen um die Ausstattung des Büros und zum Personal von Altkanzlerin Angela Merkel gegeben. Freiwillig oder unfreiwillig könnte Schröder damit auch noch 18 Jahre nach seiner Kanzlerschaft nun den Staatsinteressen doch noch einen Dienst erwiesen haben.
VG verhandelt zu Altkanzlerbüro: . In: Legal Tribune Online, 03.05.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51685 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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