Tausende Arbeitgeber überlassen ihren Mitarbeitern Firmenwagen – auch zur privaten Nutzung. Daran möchte der Fiskus natürlich mitverdienen. Eine aktuelle EuGH-Entscheidung bringt Bewegung in die bisherige Steuerpraxis, erläutert Dennis Klein.
Arbeitslohn muss nicht unbedingt in Geld gezahlt werden. Auch geldwerte Vorteile wie Job-Tickets oder zur privaten Mitbenutzung überlassene Fahrzeuge können Teil der Vergütung sein. Damit unterliegen sie als Bestandteil des Gehalts freilich auch der Besteuerung. Und zwar nicht nur der Lohnsteuer, sondern eventuell auch der Umsatzsteuer.
Mit einer solchen Frage der Umsatzbesteuerung hatte sich jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf eine Vorlage des Saarländischen Finanzgerichts hin zu befassen. Der EuGH hat geurteilt, dass deutsche Finanzämter die Überlassung von Firmenwagen für den privaten Gebrauch nicht grundsätzlich der Umsatzsteuer unterwerfen dürfen (Urt. v. 20.01.2020, Az. C-288/19). Nur bei einer Dienstleistung gegen Entgelt komme Umsatzsteuer in Betracht. Dafür müsse jedoch eine gesonderte Miete für den überlassenen Wagen gezahlt werden. Die schlichte Überlassung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses reiche für eine solche Annahme aber noch nicht aus, so die Luxemburger Richterinnen und Richter.
Deutsche Finanzämter nehmen die Entgeltlichkeit bisher grundsätzlich an
Damit stellt sich der EuGH gegen die bisherige deutsche Besteuerungspraxis. Die sieht nämlich die Entgeltlichkeit bereits in der anteiligen Arbeitsleistung eines Mitarbeiters begründet. Mit anderen Worten: Der Fiskus geht erst einmal davon aus, dass kein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmerinnen und –nehmern ohne Grund einen Firmenwagen überlässt.
Dieser Auffassung liegt die generelle Annahme zu Grunde, dass niemand etwas zu verschenken habe. Wenn ein Arbeitgeber seinem Personal Vorteile gewährt, erfolge dies einzig und allein aus dem Motiv heraus, deren Arbeitsleistung zu erhalten. Umgekehrt würden Arbeitnehmer auf eine höhere Geldvergütung bestehen, wenn sie nicht die geldwerten Vorteile erhalten hätten, so die Grundannahme.
Daher sind deutsche Finanzbeamte angewiesen, immer dann von Entgeltlichkeit und damit Umsatzbesteuerung auszugehen, wenn das fragliche Fahrzeug für eine gewisse Dauer und nicht nur gelegentlich zur Privatnutzung überlassen wird. Für die Steuerbemessung wird wiederum auf eine ausgeklügelte Systematik zur Bewertung der Fahrzeugüberlassung zurückgegriffen, so kennt zum Beispiel fast jeder die sogenannte Ein-Prozent-Regelung.
Ein spezieller Fall, doch allgemeine Aussagen des EuGH
So apodiktisch wird sich diese Praxis wohl nicht mehr aufrecht erhalten lassen. Der EuGH-Entscheidung liegt zwar ein recht spezieller Fall zu Grunde. Im Urteil hat sich der EuGH aber zu einigen generellen Aussagen und Feststellungen zum gemeinsamen europäischen Mehrwertsteuersystem berufen gefühlt.
Der konkrete Fall betrifft eine luxemburgische Verwaltungsgesellschaft eines Investmentfonds, die in Luxemburg nicht der Mehrwertsteuer unterliegt. Diese Gesellschaft hat zwei Mitarbeitern mit Wohnsitz in Deutschland und Arbeitsort in Luxemburg Firmenfahrzeuge zur Verfügung gestellt. Die Fahrzeuge durften sowohl dienstlich als auch privat genutzt werden. In einem Fall war zusätzlich vereinbart worden, dass wegen der Fahrzeugüberlassung jährlich 5.700 Euro vom Gehalt abgezogen werden. Wegen des deutschen Wohnsitzes der Mitarbeiter unterstellte die deutsche Finanzverwaltung eine Leistung im Inland und verlangte von der luxemburgischen Gesellschaft entsprechend Umsatzsteuer. Die Gesellschaft wehrte sich dagegen und über das Saarländische Finanzgericht landete der Fall schließlich beim EuGH.
In Fragen der Umsatzbesteuerung hat der EuGH regelmäßig ein gehöriges Wort mitzureden. Denn über die sogenannte Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSysRL) sind innerhalb Europas die Vorgaben für die Umsatzsteuer verhältnismäßig detailliert harmonisiert und vorgegeben.
Nach diesen Vorgaben lässt sich die Firmenwagenüberlassung als Vermietung eines Beförderungsmittels nach Art. 56 MwStSysRL subsumieren. Zur Vermietung wiederum hatte der EuGH in anderem Kontext geurteilt, dass ein in Geld zu entrichtender Mietzins notwendig sei. Kostenfreie Nutzungsüberlassung reicht zur Annahme einer Vermietung im Umsatzsteuersinne noch nicht aus. Auch dann nicht, wenn eine sachliche Nähe zu einem anderen Rechtsverhältnis besteht, etwa dem Arbeitsverhältnis.
Folgerichtig differenzierten die europäischen Richter ihre Entscheidung im Vorlagefall: Bei dem Mitarbeiter, der ohne besonderen Gehaltsabzug den Firmenwagen überlassen bekam, verneinten sie eine entgeltliche Vermietung und damit die Umsatzsteuer. Im anderen Fall hingegen hatte der Mitarbeiter auf ansonsten fällige zusätzliche Vergütung von 5.700 Euro verzichtet. Dieser Verzicht ist eine entgeltliche Gegenleistung. Damit liegt eine Vermietung im Richtliniensinne vor, die der Umsatzsteuer unterfällt.
Geldwerter Vorteil und Mietzins sind nicht das Gleiche
Die Kernaussage zu der Entgeltlichkeit birgt gewisse Sprengkraft: Geldwerter Vorteil und Mietzins sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Zukünftig ist es für die Finanzverwaltung damit schwieriger, allein aus dem Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses auf die Entgeltlichkeit zu schließen. Vielmehr muss sie sich die Mühe machen, Leistung und Gegenleistung konkret nachzuweisen. Wird das Fahrzeug ohne spezifische Gegenleistung zur Verfügung gestellt, spricht dies gegen die Umsatzbesteuerung.
Umgekehrt sollten Steuerpflichtige ab jetzt noch mehr auf die Modalitäten ihrer Firmenwagenüberlassung achten. Es empfiehlt sich, Aspekte wie expliziten Gehaltsverzicht, Gehaltsumwandlungen oder Zuzahlungen im Zusammenhang mit der Firmenwagenüberlassung möglichst zu vermeiden. Stattdessen ist es besser, die Überlassung als Zusatz auszugestalten, ohne diesen näher zu bewerten und zu quantifizieren.
Vor allzu großer Euphorie sollten sich Steuerpflichtige übrigens hüten: Der EuGH hat nur zur Umsatzsteuer entschieden. Einkommensteuerlich und vor allem lohnsteuerlich gelten andere Maßstäbe. Hier darf und wird die Finanzverwaltung den geldwerten Vorteil nach wie vor mit dem Kontext zum Arbeitsverhältnis begründen.
Der Autor Dr. Dennis Klein ist Professor für Wirtschafts- und Steuerrecht sowie Rechnungslegung an der Leibniz-Fachhochschule in Hannover und zugleich Steuerberater, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht in Toppenstedt bei Hamburg.
EuGH zu privat genutzten Firmenwagen: . In: Legal Tribune Online, 21.01.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44061 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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