2/2: "Hauptgegenstand des Vertrages" oder nicht?
Nach Auffassung des Generalanwalts stellt eine Klausel in einem Darlehensvertrag, wonach der Darlehensnehmer den Betrag in der gleichen Währung zurückzahlen muss, in der das Darlehen gewährt wurde, einen "Hauptgegenstand des Vertrags" dar und ist damit gem. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie von der Missbrauchskontrolle ausgenommen. Denn wenn die Bank ein Darlehen in Fremdwährung vergeben habe, könne sie auch verlangen, die Rückzahlung des Darlehens in der gleichen Währung zu erhalten.
Deshalb könne die Verpflichtung zur Rückzahlung der Monatsraten in Fremdwährung nicht als Vertragselement von untergeordneter Bedeutung betrachtet werden, sondern gehöre zu den Schlüsselelementen eines Fremdwährungsdarlehens. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass Darlehensverträge in einer Fremdwährung im Gegenzug für das Fremdwährungsrisiko einem niedrigeren Zinssatz unterliegen als Darlehensverträge in der Landeswährung.
Aber bitte kein Legalesisch
Der Generalanwalt geht aber davon aus, dass eine solche Klausel entsprechend der Richtlinie klar und verständlich abgefasst sein müsse, was voraussetze, dass sie vom Verbraucher auch hinsichtlich ihrer konkreten Tragweite verstanden werden könne. Ein normal informierter Durchschnittsverbraucher, der angemessen aufmerksam und kritisch ist, sollte daher nicht nur über die Möglichkeit einer Auf- oder Abwertung einer Fremdwährung informiert, sondern auch in die Lage versetzt werden, die Folgen einer solchen Klausel für seine finanziellen Verpflichtungen einschätzen zu können.
Dieser Grundsatz darf aber nicht so weit gehen, dem Gewerbetreibenden aufzuerlegen, die Folgen im Nachhinein nicht absehbarer Entwicklungen zu tragen, so der Generalanwalt. Dazu zählten auch die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Wechselkursschwankungen. Deswegen könne ein Gewerbetreibender auch nicht für Entwicklungen nach Abschluss des Vertrages außerhalb seines Einflussbereichs verantwortlich gemacht werden. Andernfalls würden ihm nicht nur unverhältnismäßige Verpflichtungen auferlegt, sondern auch der Grundsatz der Rechtssicherheit würde gefährdet.
Zu berücksichtigen sind daher nur solche Umstände, die für die Vertragspartner zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vernünftigerweise vorhersehbar waren. Das erhebliche finanzielle Missverhältnis könne letztlich nicht anhand von Entwicklungen beurteilt werden, die nach Vertragsschluss eintraten und auf die der Gewerbetreibende keinen Einfluss und die er auch nicht vorhersehen konnte.
Ausblick auf die EuGH-Entscheidung
Die Schlussanträge des Generalanwalts binden den Europäischen Gerichtshof nicht, allerdings folgt der Gerichtshof den Schlussanträgen häufig.
In diesem Fall bliebe allerdings noch einiger Spielraum für Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Banken. Derartige Streitigkeiten würden sich künftig vor allem auf die Frage konzentrieren, ob in dem zugehörigen Darlehensvertrag über die Möglichkeit einer Auf- oder Abwertung der Fremdwährung sowohl grammatikalisch korrekt als auch hinsichtlich ihrer konkreten Tragweite zutreffend informiert wurde und ob bei Vertragsschluss bestimmte Wechselkursentwicklungen absehbar waren oder nicht. Für die nationalen Gerichte bleibt also noch genug zu tun.
Tucholsky sagte einmal: "Fremde Sprachen sind schön, wenn man sie nicht versteht." Für fremde Darlehen gilt ganz klar das Gegenteil.
Alexander Knauss ist im Bonner Büro der überörtlichen Sozietät MEYER-KÖRING Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB tätig. Als Partner und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht leitet er deren Praxisgruppe Bankrecht, die ausschließlich auf Anbieterseite tätig ist.
Alexander Knauss, Schlussanträge zu Darlehen in ausländischer Währung: . In: Legal Tribune Online, 28.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22786 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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