Eurokrisen-Vorlage des BVerfG: Ein Gericht macht Politik und trifft die Wirtschaft

Ob das Europarecht einen strikten Anwendungsvorrang vor dem nationalen Recht hat oder hierfür diverse Einschränkungen gelten, ist seit längerem zwischen BVerfG und EuGH streitig. Nun trägt Karlsruhe diese Kontroverse ausgerechnet anhand der Eurokrise aus und beschädigt zudem die Gewaltenteilung zum Parlament, meint Felix Ekardt. Mit potenziell weitreichenden Folgen für die  Weltwirtschaft.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat kürzlich erstmals in seiner Geschichte ein Vorabentscheidungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingeleitet. Es hat den Luxemburger Richtern kurz gesagt die Frage vorgelegt, ob der Beschluss des Rates der Europäischen Zentralbank vom 6. September 2012 über den unbegrenzten Erwerb von Anleihen einzelner Euro-Staaten am Sekundärmarkt durch die Europäische Zentralbank (EZB) zwecks Kreditwürdigkeits- und damit Euro-Stabilisierung mit dem EU-Primärrecht vereinbar ist.

In der öffentlichen Debatte in Deutschland wurde dieser BVerfG-Beschluss weitestgehend begrüßt. Das BVerfG überlasse so dem EuGH die Festlegung des EU-verfassungsrechtlichen Rahmens in der Eurokrise, so die überwiegende Lesart der Karlsruher Entscheidung. Dieses Verständnis verkennt das Ziel und die Reichweite des Vorlagebeschlusses ebenso wie die europapolitisch und weltwirtschaftlich potenziell verheerenden Folgen. Dabei hätte allein schon die Lektüre von zwei abweichenden Voten, die vernichtende Kritik an der BVerfG-Senatsmehrheitsentscheidung üben, zumindest einige der Probleme in den Blick gebracht.

BVerfG contra EuGH

Der 2. Senat des BVerfG lässt in dem Vorlagebeschluss erkennen, dass er dem Nationalstaat im Verhältnis zur EU und sich selbst im Verhältnis zum deutschen parlamentarischen Gesetzgeber ungeahnte Macht zuzusprechen beabsichtigt.

Anliegen der diversen Kläger ist eine stärkere Einbeziehung von Bundestag und Bundesregierung in EZB-Entscheidungen, allein schon weil die EZB europarechtlich gar keine so weitgehenden Kompetenzen hätte erhalten dürfen. Bisher hatten die Bundesregierung und eine sehr große Bundestagsmehrheit gerade maßgeblich den Kurs in EU und EZB mit angeschoben und mitgetragen.

Nunmehr wird ihnen vorgehalten, dass die EZB-Anleihenkäufe mit dem EU-Primärrecht aus Art. 119, 123, 127 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und weiteren Normen unvereinbar seien. Letztlich verletze die "Untätigkeit" der deutschen Organe trotz dieser Situation ihre demokratischen Rechte und Pflichten in der Haushaltspolitik sowie das Recht der Wähler auf Wahrnehmung dieser Rechte. Diese starke Aussage wird nur teilweise dadurch gemildert, dass das BVerfG andeutet, dass eventuell eine sehr zurückhaltende Nutzung ihrer Kompetenzen durch die EZB gerade noch als mit dem EU-Primärrecht vereinbar angesehen werden könnte.

Entgegen dem EuGH: BVerfG könnte EZB-Politik als rechtswidrig einstufen

Man kann bereits ahnen, dass der von den Karlsruher Richtern nun angerufene EuGH die EZB-Anleihenkäufe nicht unbedingt problematisch finden wird. Möglicherweise wird Luxemburg auch eine von einem nationalen Verfassungsgericht soufflierte stark beschränkte Ausübung der EZB-Zuständigkeiten nicht für geboten erachten.

Das BVerfG sieht dies erkennbar anders und lässt durchblicken, dass es letztlich selbst entscheiden werde, ob das EZB-Handeln vom EU-Primärrecht und damit von den erfolgten Kompetenzübertragungen seitens der Mitgliedstaaten an die EU gedeckt ist. Jedenfalls behält der Senat sich das vor bei einer von ihm als eindeutig nicht richtig angesehenen EuGH-Sichtweise im Vorabentscheidungsverfahren. Und genau dazu droht es wie gesagt zu kommen. Vielleicht wird das BVerfG also Bundesregierung und Bundestag verpflichten, die EZB-Politik als rechtswidrige Eigenmächtigkeit einzustufen.

Damit wären die deutschen Organe nicht nur fatal widersprüchlichen Aussagen aus Luxemburg und Karlsruhe ausgesetzt. Sie würden vom BVerfG wohl auch verpflichtet, sich der EZB konkret zu widersetzen und schlimmstenfalls das bisherige Eurokrisenmanagement zum Einsturz zu bringen.

Zitiervorschlag

Felix Ekardt, Eurokrisen-Vorlage des BVerfG: . In: Legal Tribune Online, 14.02.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11001 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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