Gleichstellungsdebatte: Wie viele Eltern hätten's denn gern?

von Winfried Klein

28.02.2013

Auch in der Union will man eingetragene Lebenspartner nun den Ehegatten gleichstellen. Den Ausschlag gab das Urteil des BVerfG zur Sukzessivadoption. Die Entscheidung schreibt Gesellschaftsgeschichte. Winfried Klein hält nichts von ihr: Eltern sind nicht länger Vater und Mutter. Eltern sind nun diejenigen, die Unterhalt zahlen und ein Erbe hinterlassen. Ein Kommentar.

Anders als manche meinen, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in der vergangenen Woche nur am Rande eine Diskriminierung eingetragener Lebenspartner gegenüber Ehegatten festgestellt. Ein Recht auf ein Adoptivkind konnten die Karlsruher Richter dem Grundgesetz nicht entnehmen; auch nicht, wenn bereits eine sozial-familiäre Beziehung besteht. Sie konnten nur nicht verstehen, weshalb einzeln adoptierten Kindern von Schwulen oder Lesben ein zusätzlicher Elternteil versagt wird (Urt. v. 19.02.2013, Az. 1 BvL 1/11/1, BvR 3257/09).

Bislang waren Eltern Vater und Mutter (zuletzt noch BVerfG, Beschl. v. 02.12. 2010, Az.1 BvR 2414/10). 2006 hatte das BVerfG in einer Sorgerechtsstreitigkeit noch die Bedeutung einer geschlechtsverschiedenen Erziehung für die Persönlichkeitsentwicklung betont (Beschl. v. 23.10.2006, Az. 2 BvR 1797/06).

Das Ende des Elternbegriffs

Nun meint Karlsruhe, in unserer Verfassung kämen Vater und Mutter gar nicht vor, sondern nur "Eltern". Dieser Begriff sei nicht geschlechtsverschieden definiert. Dabei erwähnt Art. 6 Abs. 4 Grundgesetz (GG) sogar die Mutter ausdrücklich. Das kümmert das BVerfG aber nicht. Ihm genügt die gesetzliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Elternschaft. Dass die Väter und Mütter des Grundgesetzes von einem anderen Elternbegriff ausgegangen waren, interessiert nicht. Die Verfassungseltern hätten sich schließlich nicht vorstellen können, dass gleichgeschlechtliche Partner eines Tages Kinder haben könnten.

Ist die Vorstellungskraft des Verfassungsgebers Auslegungsmaßstab, so ist auch offen, ob Elternschaft überhaupt auf ein Paar beschränkt ist. Die einzige Grenze zieht Art. 1 GG mit der Anbindung der Grundrechte ans Menschsein. Den Mitgliedern des Parlamentarischen Rates stand dabei durchaus – eingedenk des Aufwachsens von Romulus und Remus – die Möglichkeit einer anderen "Elternschaft" vor Augen. Sie entschieden sich also bewusst für die Grundrechtsträgerschaft des Menschen (Art. 1 Abs. 3 GG).

Dabei ist der Mensch Mensch, gleich ob hetero- oder homosexuell. Dennoch unterscheiden sich Menschen. Männer und Frauen können gemeinsam Kindern das Leben geben, gleichgeschlechtliche Partner können das nicht. Dass sie jetzt mehr bekommen, als die Natur zu geben vermag, ist dem BVerfG egal. Ihm genügt die gleichermaßen rechtlich verfestigte Beziehung. Ob da das Verbot von Eizellspende und Leihmutterschaft noch zu halten ist, erscheint fraglich. Ebenso der Fortbestand des Klonverbots. Warum sollte nicht die Hülle der Eizelle einer Lebenspartnerin mit dem Erbgut der anderen vereinigt werden? So könnte wenigstens etwas Gemeinsames weitergegeben werden.

Die neuen Eltern als Geldquelle

Nachdem sie den Elternbegriff aufgelöst hatten, konnten sich die Verfassungsrichter der Frage zuwenden, ob Kinder mehr als ein Elternteil brauchen, und bejahte dies. Kinder müssten in behüteten Verhältnissen aufwachsen, meint das Gericht. Diese Wohltat hängt freilich nicht von der Zahl der Eltern ab. Deshalb brachte das BVerfG weitere Gründe vor: Die Kinder erhielten einen weiteren Unterhaltsschuldner, Sorgeberechtigten und Erblasser.

Das Karlsruher Urteil dürfte den Adoptivkindern gleichgeschlechtlicher Eltern aber wohl nur einen weiteren Unterhaltsschuldner eingebracht haben. Schon zuvor konnten beide Lebenspartner über Erziehung und Sorge des Kindes mitbestimmen. Und niemand hinderte einen daran, das Kind seines Partners testamentarisch zu bedenken. Erbschaftsteuerrechtliche Nachteile ergeben sich aus einem (bloßen) testamentarischen Erbrecht nicht. Auch sonst lässt sich rechtsgeschäftlich regeln, was dem BVerfG wichtig ist.

Überspitzt gesagt bedarf ein Kind also nur deshalb zweier Elternteile, um sich eine weitere Geldquelle zu verschaffen. Elternschaft ist aber mehr, sie geht über einen "behüteten" Rahmen hinaus. Noch vor zwei Jahren hielten es die Verfassungsrichter für ein berechtigtes Anliegen, Kinder ihren biologischen Eltern rechtlich so zuzuweisen, dass ihre Abstammung nicht im Widerspruch zu ihrer biologischen Zeugung auf zwei rechtliche Mütter oder Väter zurückgeführt wird (BVerfG, Beschl. v. 11.01.2011, Az. 1 BvR 3295/07). Weshalb hier etwas anderes gelten soll, erfährt man nicht.

So muss man sich fragen, warum das Gericht bei zwei Adoptiveltern oder Geldquellen stehen bleibt. Je mehr, desto besser, sollte man meinen. Schließlich soll der Elternbegriff offen sein.

Wer das politisch ablehnt, sollte die vom BVerfG offen gelassene Möglichkeit nutzen und die Ehe als auf Dauer angelegte Gemeinschaft von Mann und Frau ausgestalten, aus der Kinder hervorgehen können; die Lebenspartnerschaft aber nur als gleichermaßen auf Dauer angelegtes Rechtsinstitut. Der natürliche Unterschied beider Lebensformen wäre damit gesetzlich nachvollzogen. Das gemeinschaftliche Adoptionsrecht von Ehegatten könnte bleiben, die Einzel- und Sukzessivadoption dagegen vollständig entfallen.

Der Autor Dr. iur. Winfried Klein ist Rechtsanwalt und Vorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der CDU Heidelberg.

Zitiervorschlag

Winfried Klein, Gleichstellungsdebatte: . In: Legal Tribune Online, 28.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8242 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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