Ein Mann klagt auf Herausgabe seines Grundstücks. Über ein Jahr stritten sich zwei Gerichte über die Zuständigkeit. Nach mehreren Verweisungen hat das Brandenburgische OLG jetzt das zuständige Gericht bestimmt.
Dass Räumungsstreitigkeiten sich auch mal längere Zeit hinziehen können, ist keine Seltenheit. Meist liegt das aber an den Mietern bzw. Bewohnern. In einem Fall aus Brandenburg war das anders. Ein Mann klagte auf Herausgabe seines Grundstücks – und es dauerte mehr als ein Jahr, bis überhaupt das zuständige Gericht feststand und die inhaltliche Arbeit beginnen kann. Aber der Reihe nach.
Dem Kläger gehört ein Grundstück in der 4.000-Seelen-Gemeinde Rietz-Neuendorf in Brandenburg. Dieses hat er von seiner Mutter erworben und wurde im März 2022 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Auf dem Grundstück stehen ein Wohnhaus und Nebengebäude. Die Mutter des Klägers und der Beklagte waren mal ein Paar und wohnten dort gemeinsam. Das ist aber seit 2018 vorbei, die Mutter zog auch aus, der Beklagte jedoch nicht. Einen Mietvertrag haben die beiden laut Klageschrift, die LTO vorliegt, nicht geschlossen. Die Mutter habe ihrem ehemaligen Lebensgefährten jedoch eine jederzeit widerrufliche Zustimmung zur Nutzung des Grundstücks während ihrer Abwesenheit erteilt, heißt es in der Klageschrift. Die Zustimmung hat sie dann auch tatsächlich widerrufen und den Beklagten zur Räumung aufgefordert.
Passiert ist die Räumung bislang aber noch nicht. Deshalb erhob der Kläger, mittlerweile Eigentümer des Grundstücks, nach nochmaliger Aufforderung zur Räumung Klage auf Herausgabe des Grundstücks. Er stützt die Klage auf § 985 BGB und wendete sich – bei einem Verkehrswert des Grundstücks von 97.000 Euro – am 13. Mai 2022 an das Landgericht (LG) Frankfurt (Oder).
Daraufhin begann ein Zuständigkeits-Ping-Pong zwischen LG und dem Amtsgericht (AG) Fürstenwalde/Spree. Diesen Streit beendete schließlich das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) und erklärte das AG für sachlich zuständig (Beschl. v. 14.08.2023, Az. 1 AR 20/23 (SA Z)). Was war passiert?
Kompetenzgerangel der Gerichte
Das LG hielt sich mit Blick auf § 23 Nr. 2a Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) für sachlich unzuständig. Danach sind für Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Mietverhältnis über Wohnraum oder über den Bestand eines solchen Mietverhältnisses die Amtsgerichte ausschließlich zuständig. Ob es sich hier um eine solche Streitigkeit handelt, ist zwischen den beteiligten Personen und Gerichten durchaus umstritten. Das LG jedenfalls wies die Parteien darauf hin, dass es sich für unzuständig hält und reichte die Akten durch Beschluss nach § 281 Abs. 1 S. 1 ZPO an das AG (Beschl. v. 23.06.2022, Az. 13 O 120/22) weiter. Viele Worte verlor es dabei nicht.
Aber damit ging es erst richtig los: Auch das AG erklärte sich für sachlich unzuständig – und verwies den Rechtsstreit zurück an das LG (Beschl. v. 29.12.2022, Az. 12 C 163/22). Die Argumentation des AG: Es liege gerade keine Streitigkeit über Ansprüche aus einem Mietverhältnis vor, denn der Kläger stütze seinen Herausgabeanspruch ausdrücklich auf § 985 BGB. Für die Anwendung der Zuständigkeitsnorm des § 23 Nr. 2a GVG komme es allein auf das Klägervorbringen an – und nach diesem existiere gerade kein Mietvertrag.
Zudem habe das LG dem Beklagten nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt. Er habe keine ausdrückliche Möglichkeit bekommen, sich zur Zuständigkeit der Gerichte zu äußern. Eine nachvollziehbare Begründung enthalte der Verweisungsbeschluss auch nicht. Also alles wieder auf Anfang.
Das OLG soll es eigentlich richten
Und damit lag die Sache wieder beim LG. Und das holte das nächste Gericht ins Boot: Zur Bestimmung des zuständigen Gerichts legte es die Sache dem Brandenburgischen OLG vor (Beschl. v. 13.01.2023, Az. 13 O 120/22 (2). Nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO wird das zuständige Gericht durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt, wenn sich verschiedene Gerichte rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
Zu Ende war das muntere Hin und Her damit aber noch lange nicht. Das OLG bestimmte nicht das zuständige Gericht, sondern hob beide Verweisungsbeschlüsse auf – und gab den Rechtsstreit an das LG zurück (Beschl. v. 31.01.2023, Az. 1 AR 4/23 (SA Z)). Der Verweisungsbeschluss des LG sei in fehlerhafter Weise ergangen, denn – so hatte ja auch das AG argumentiert – das LG habe den Beklagten nicht hinreichend zu einer Verweisung des Rechtsstreits an das AG angehört. Mit Hinweis vom 3. Juni 2022, der den Beklagten mit der Klageschrift am 13. Juni erreicht hat, habe es auf seine vermeintliche Unzuständigkeit hingewiesen. Vor Erlass des Verweisungsbeschlusses habe es allerdings nicht die zweiwöchige Klageerwiderungsfrist abgewartet.
Auch den Verweisungsbeschluss des AG hob das OLG auf. Diesem sei durch die Aufhebung des Beschlusses des LG die Grundlage entzogen.
Für das LG hatte das OLG noch einige Hausaufgaben parat: Es solle sich unter anderem damit auseinandersetzen, dass der Kläger das Vorliegen eines Mietverhältnisses ausdrücklich verneint. Außerdem solle es der Frage nachgehen, ob für die sachliche Zuständigkeit nach § 23 Nr. 2a GVG "entgegen der wohl herrschenden Meinung" auf den Vortrag des Beklagten in der Klageerwiderung abgehoben werden kann. Dieser ist der Meinung, es liege ein Streit über das Bestehen eines Mietverhältnisses vor.
AG: Aufhebung beider Verweisungsbeschlüsse "eklatant rechtswidrig"
Damit war also (mal wieder) das LG am Zug. In der Sache änderte es seine Meinung nicht, begründete allerdings seine Auffassung diesmal ausführlicher als im knappen ersten Verweisungsbeschluss. Zur Bestimmung der Zuständigkeit nach § 23 Nr. 2a GVG, so das LG, komme es nicht allein auf den Klägervortrag an. Vielmehr sei auch der Sachvortrag des Beklagten einzubeziehen. Eine andere Vorgehensweise sei mit dem Grundsatz der Waffengleichheit der Parteien und dem Anspruch auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 2 GG nicht vereinbar.
Außerdem müsse das regelmäßig örtlich nähere Amtsgericht über das Eingreifen der besonderen Schutzvorschriften des Wohnraummietrechts entscheiden. Die maßgeblichen Zuständigkeitsnormen müssten weit ausgelegt werden. Deshalb reiche es aus, wenn sich die beklagte Partei mit Gegenrechten aus einem wohnraummietrechtlichen Vertragsverhältnis verteidige. Kurzum: Das LG erklärte sich erneut für sachlich unzuständig und verwies die Sache an das AG zurück (Beschl. v. 11.04.2023, Az. 13 O 120/22 (2).
Dieses blieb ebenfalls bei seiner Rechtsauffassung. Es erklärte sich für sachlich unzuständig, verwies den Rechtsstreit an das LG zurück und legte die Sache (erneut) dem OLG vor. Zuständig sei das LG. Auch sei die Zurückverweisung durch das AG für das LG bindend. Im Übrigen sei nicht nachvollziehbar, wieso das Brandenburgische OLG nicht das zuständige Gericht bestimmt, sondern vielmehr alle Verweisungsbeschlüsse aufgehoben habe. Das nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO bestimmende Gericht habe nur eine Aufgabe: die Bestimmung des tatsächlich zuständigen Gerichts. Einen Ermessensspielraum gebe es nicht. Es habe grundsätzlich auch keine Stellung als "Rechtsmittelinstanz, die etwa Verweisungsbeschlüsse im Falle ihrer Fehlerhaftigkeit nach Gutdünken aufheben oder abändern" darf. Diese "eklatant rechtswidrige Aufhebung gleich mehrerer Entscheidungen anderer Gerichte" könne nur "objektiv willkürlich und ohne Bindungswirkung für das weitere Bestimmungsverfahren sein".
Der in seiner Deutlichkeit nicht zu überbietende und überdies in "leicht" genervtem Unterton verfasste Beschluss des AG endete mit der Aufforderung, es sei "nach nunmehr über einem Jahr Pflicht und Schuldigkeit des OLG", das zuständige Gericht zu bestimmen.
Zuständigkeitsfrage nach über einem Jahr geklärt
Dieser Pflicht kam das OLG dann auch tatsächlich nach – und bestimmte das AG als zuständiges Gericht. Dies folge aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des LG nach § 281 Abs. 2 ZPO. Diese könne nur ausnahmsweise bei der Verletzung höherrangigen (Verfassungs-)Rechts entfallen, etwa bei objektiv willkürlicher Entziehung des gesetzlichen Richters. Diese Schwelle sei im Interesse einer baldigen Klärung und Vermeidung wechselseitiger (Rück-)Verweisungen hoch anzusetzen. (Diese Passage des Beschlusses kann man angesichts des dauernden Ping-Pongs zwischen den Gerichten wohl nur mit einem gewissen Schmunzeln lesen.)
"Offenbar gesetzwidrig oder grob rechtsfehlerhaft" sei die Verweisung durch das LG nicht gewesen, "im rechtlichen Ausgangspunkt" stehe der zugrundeliegende Beschluss im Einklang mit § 23 Nr. 2a GVG. Allerdings machte das OLG auch deutlich, dass es grundsätzlich eher der wohl herrschenden Meinung zuneigt, die zur Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit allein auf den Klägervortrag abstellt. Willkürlich sei der LG-Beschluss aber dann doch nicht.
Nach über einem Jahr Hin und Her steht das zuständige Gericht nun also fest. Mal schauen, wie lange der Kläger auf die Entscheidung in der Sache warten muss. Die Mühlen der Justiz mahlen langsam...
Ping-Pong zwischen den Gerichten: . In: Legal Tribune Online, 01.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52618 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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