Unternehmen klagen darüber, dass sie ihren Jahresabschluss in elektronischer Form beim Bundesanzeiger einreichen müssen. Das ist mit hohen Bürokratiekosten und ungewollten Einblicken in die Finanzlage verbunden. Die EU will Kleinstunternehmen nun mit der so genannten Micro-Richtlinie entlasten. Ihre möglichen Rechtsfolgen und warum der Bilanzierungsaufwand trotzdem hoch bleiben könnte, erläutern Marc Krischer und Axel Wenzel.
Unabhängig von der Unternehmensgröße müssen handelsrechtliche Jahresabschlüsse von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaften (UG), Aktiengesellschaften (AG) und typischen GmbH & Co. KGs seit 2006 in elektronischer Form beim Bundesanzeiger eingereicht werden. Das kostet die Unternehmen zusätzliches Geld, und Wettbewerber, Kunden, Lieferanten erhalten mit wenig Aufwand auf elektronischem Weg tieferen Einblick in die Vermögens- und Finanzlage als den Unternehmen lieb ist.
Die EU will dem entgegenwirken und vor allem kleinen Unternehmen bürokratische Lasten abnehmen. Nach langer Wartezeit wurde dazu Ende Februar auf Betreiben Deutschlands die so genannte Micro-Richtlinie erlassen. Sie sieht vor, dass Kleinstunternehmen von bestimmten Bilanzierungspflichten befreit werden.
Der verkürzte Jahresabschluss muss innerhalb eines Jahres nach dem Bilanzstichtag offengelegt werden. Andernfalls muss das Bundesamt für Justiz (BfJ) nach einer Androhung ein Ordnungsgeld von bis zu 25.000 Euro festsetzen. Das Ordnungsgeld kann dem Unternehmen solange wiederholt auferlegt werden, bis es die Bilanzen offenlegt.
Zu viel Bürokratie und Offenheit für kleine Unternehmen
Anders als vor 2006 bleiben Verstöße auch nicht unentdeckt, denn der Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers ist gesetzlich verpflichtet, dem BfJ Verstöße gegen die Offenlegungspflicht mitzuteilen. Er kann dazu auf den Datenbestand sämtlicher Handelsregister zurückgreifen und diesen weitgehend automatisiert auswerten.
Insbesondere mittelständisch geprägte Gesellschaften haben deshalb enormen Aufwand betrieben, um eine Veröffentlichung ihrer Bilanzen und Erfolgsrechnungen – auch rückwirkend – zu vermeiden. Zum Beispiel durch Aufnahme einer natürlichen Person als Vollhafter in eine GmbH & Co. KG. Bei Kapitalgesellschaften ist seit Offenlegung der Jahresabschlüsse im elektronischen Bundesanzeiger häufig eine angepasste Bilanzierungsdarstellung zu beobachten, die gewisse – an sich geforderte – Informationen nicht enthält. Auch kleine Unternehmen ächzen unter der Bilanzierungsbürokratie.
Die Micro-Richtlinie soll den betroffenen Gesellschaften Erleichterung verschaffen. Sie eröffnet den Mitgliedstaaten mehr Flexibilität bei der Gestaltung der Vorschriften über Bilanzierung und Offenlegung. Sobald die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt ist, müssen „Kleinstunternehmen“ ihre Jahresabschlüsse in Zukunft nicht mehr elektronisch offenlegen, sondern können diese an ein Register übersenden. Von dort werden sie nur auf Nachfrage herausgegeben. Dadurch wird es fürDritte erheblich schwerer und langwieriger, Informationen über bilanzierungspflichtige Unternehmen zu erhalten.
Deutschland wird die Erleichterungsmöglichkeiten ausschöpfen
Als Kleinstunternehmen sollen solche Gesellschaften gelten, die zwei der drei folgenden Schwellenwerte nicht überschreiten: eine Bilanzsumme von 350.000 Euro, einen Jahresumsatz von 700.000 Euro, zehn Beschäftigte. Da Holdinggesellschaften diese Kriterien häufig erfüllen, profitieren auch sie von der Richtlinie. Das könnte Entspannung bei der Offenlegung von detaillierten Unternehmensinformationen bringen und einige Unternehmen zum "Zurückdrehen" der nach 2006 vorgenommenen Umstrukturierungen bewegen.
Außerdem haben die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, den kleinen Unternehmen die Bilanzierung noch weiter zu erleichtern. Insbesondere können sie davon befreit werden, einen erläuternden Anhang zu erstellen und bestimmte Rechnungsabgrenzungsposten zu bilanzieren.
Die Richtlinie ist zwar nicht zwingend und deren Umsetzung durch die Mitgliedstaaten freiwillig. Es ist aber damit zu rechnen, dass Deutschland als Antreiber der Änderungen die Richtlinie zügig in nationales Recht umsetzt und dabei die Erleichterungsmöglichkeiten ausschöpfen wird. Für kleine Gesellschaften bleibt dann allerdings noch das Problem, dass sie in den meisten Fällen unterschiedliche Jahresabschlüsse zu Offenlegungs- und Besteuerungszwecken erstellen müssen – die Anforderungen an die Bilanzierung bleiben für sie trotz Micro-Richtlinie hoch.
Marc Krischer LL.M. ist Steuerberater und Junior-Partner, Dr. Axel Wenzel LL.M. ist Rechtsanwalt und Junior-Partner der Kanzlei Oppenhoff & Partner
Bilanzierung für Kleinstunternehmen: . In: Legal Tribune Online, 04.04.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5944 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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