BGH-Urteil zu Beihilfen für Ryanair: Etap­pen­sieg für Luft­hansa und Air Berlin

Lübeck-Blankensee oder Frankfurt-Hahn sind sicher keine zentralen Verkehrsknotenpunkte in Deutschland. Für die Geschäftsstrategie von Ryanair haben sie aber große Bedeutung. Nur bei solchen Regionalflughäfen besteht Verhandlungspotential, um reduzierte Lande-, Start- und Abfertigungsgebühren sowie Marketingzuschüsse durchzusetzen. Diese Praxis dürfte nun ein Ende haben.

Die Karlsruher Richter hatten sich in den gestern verkündeten Urteilen (I ZR 213/08 und I ZR 136/09) mit zwei Klagen der Lufthansa gegen die Flughafen Frankfurt- Hahn GmbH und der Air Berlin gegen die Flughafen Lübeck-Blankensee GmbH zu befassen. Beide beriefen sich unisono auf eine kaskadenförmige Struktur von Ansprüchen. Es ging neben Auskunfts-, Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen auch um etwaige Schadenersatzansprüche.

Kern dieser Ansprüche ist die Frage, die auch bei der Europäischen Kommission in einigen anhängigen Verfahren geprüft wird: Haben die Flughäfen der irischen Ryanair unzulässige Beihilfen gewährt, die nicht bei der Kommission angemeldet wurden? Flughäfen sind mehrheitlich in öffentlicher Hand. Die Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH wird vom Land Rheinland-Pfalz zu 82,5 Prozent und dem Land Hessen zu 17,5 Prozent gehalten; die Flughafen Lübeck-Blankensee GmbH befindet sich zu 100 Prozent im Besitz der Hansestadt Lübeck.

Diese staatliche Einflussnahme ebnet den Weg in die beihilferechtlichen Fragen. Liegt eine Beihilfe vor, hat dies drastische Konsequenzen. Die Beihilfe ist dann von Ryanair zurückzugewähren, denn sie würde gegen das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 S. 3 des Vetrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoßen.

Vorinstanzen lehnten Anspruchsgrundlage der Wettbewerber ab

Nachdem erst zum 1. Januar 2011 die neue Luftverkehrsabgabe eingeführt wurde, könnte eine etwaige Rückzahlung den profitablen Low-Cost Carrier teuer zu stehen kommen. Die Gebühr von 8 Euro für Kurzstrecken, 25 Euro für mittlere Strecken und 45 Euro für Langstrecken führt aktuell zu sinkenden Zahlen. Ryanair erhebt daher bereits seit August 2010 diesen Aufschlag, um die Veränderungen besser kompensieren zu können.

Folge ist, dass Flüge gestrichen werden: Am Flughafen Lübeck sollen künftig nur noch 16 Flüge wöchentlich stattfinden, vor geraumer Zeit waren es noch 56. Mit dem Plan, die Flughafenbetreiber zum Tragen der Luftverkehrsabgabe zu verpflichten, ist der Billigflieger größtenteils gescheitert.

Die Vorinstanzen, das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig und das OLG Koblenz hatten die Berufungen zuvor zurückgewiesen, da sie keine Anspruchsgrundlage der konkurrierenden Fluggesellschaften sahen. Insbesondere schlossen die Gerichte aus, dass sich die Wettbewerber auf das Durchführungsverbot berufen können.

Zweite gerichtliche Niederlage für Ryanair innerhalb weniger Monate

Diese Ansicht teilte der Bundesgerichtshof (BGH) jedoch nicht: Ein möglicher Anspruch von Lufthansa und Air Berlin ergebe sich möglicherweise sowohl aus § 823 Abs. 2 BGB als auch aus § 4 Nr. 11 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Nach Ansicht der Karlsruher Richter stellt das Durchführungsverbot ein Schutzgesetz dar. Sodnerlich überraschend ist diese Auslegung nicht: Zuvor war bereits Art. 81 des EG-Vertrags und jetzt Art. 101 AEUV, als Schutzgesetz qualifiziert worden. Das Durchführungsverbot schützt laut BGH nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch den Einzelnen. Im Übrigen handelt es sich auch um eine Verhaltensregel im Wettbewerb, die zu Unterlassungs- und Schadenersatzansprüchen nach §§ 8, 9 UWG berechtigt.

Erforderlich bleibt jedoch, dass die Konkurrenten als Wettbewerber aktivlegitimiert sind und eine geschäftsmäßige Handlung vorliegt. Das wird im Einzelfall zu prüfen sein. Eine weitere Hürde ist die kurze Verjährungsfrist im UWG. Nach § 11 UWG verjähren die Ansprüche bereits nach sechs Monaten.

Die irische Fluggesellschaft fährt damit bereits die zweite Niederlage in kurzer Zeit ein. Erst am 10. Dezember 2010 hat das Gericht der Europäischen Union mehrere Klagen von Ryan Air abgewiesen, die gegen die stillschweigende Verweigerung der Kommission bezüglich der Offenlegung verschiedener Dokumente in den diversen anhängigen beihilferechtlichen Verfahren gerichtet gewesen war.

Die Kommission hatte zuvor in den Jahren 2002 bis 2006 zahlreiche Beschwerden erhalten, dass seitens der oftmals unmittelbar oder mittelbar in staatlicher Hand befindlichen Flughäfen in Aarhus, Alghero, Berlin-Schönefeld, Frankfurt-Hahn, Lübeck-Blankensee, Tampere und Bratislava unerlaubt Beihilfen gewährt worden seien. Gegen Ryanair waren daraufhin verschiedene Beihilfeprüfverfahren eingeleitet worden; in die entsprechenden Akten hatte die Fluggesellschaft Einsicht nehmen wollen.

Den aktuellen Fall hat der BGH an die Vorinstanzen zurückverwiesen. Die Gerichte müssen nun prüfen, ob die durch den Flughafen Frankfurt-Hahn an Ryanair gewährten Beihilfen staatliche Beihilfen darstellen, die der Europäischen Kommission anzumeldend sind. Diese Enscheidungen dürfen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuG mit Spannung erwartet werden: Dieses hat nämlich im Jahr 2008 entgegen der Ansicht der Kommission die Nachlässe auf Landegebühren (50 Prozent Preisnachlass) und die reduzierten Gebühren für die Bodenabfertigung von Passagieren (1 Euro pro Passagier) nicht als Beihilfe angesehen und damit die damalige Entscheidung der Europäischen Kommission betreffend die Region Wallonien für nichtig erklärt.

Der Autor Lars Maritzen Dipl. iur, LL.B, B.Sc. ist Rechtsreferendar am Landgericht in Duisburg und war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Linklaters. Er beschäftigt sich mit Fragen des Kartell-, Sport- und Medienrechts.

 

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Zitiervorschlag

Lars Maritzen, LL.B MLE, BGH-Urteil zu Beihilfen für Ryanair: . In: Legal Tribune Online, 11.02.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2526 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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