Einfach keinen schriftlich Vertrag mit dem Energieversorger abschließen, trotzdem Strom verbrauchen und dann auf den Eigentümer verweisen, wenn die Rechnung kommt? So einfach können es sich Mieter nicht machen, entschied der BGH am Mittwoch. Wer Zugriff auf die Steckdose hat, muss auch zahlen, erklärt Dominik Schüller.
Vermieter können aufatmen: Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Vermieter nicht für die Stromrechnung ihrer Mieter aufkommen müssen (Urt. v. 02.07.2014, Az. VIII ZR 316/13). Selbst dann nicht, wenn letztere keinen schriftlichen Vertrag mit dem Stromanbieter abgeschlossen haben, aber trotzdem Strom verbrauchen. Das Urteil dürfte auch für vergleichbare Konfliktfälle mit Gas- oder Wasserversorger gelten.
Der vom BGH entschiedene Fall ist keinesfalls eine exotische Konstellation, sondern sogar häufig zu beobachten. Deshalb hat die Entscheidung erhebliche praktische Bedeutung. Der Pächter schloss mit dem Eigentümer eines Grundstücks einen Pachtvertrag. Vertraglich war geregelt, dass der Pächter – der Sohn des Eigentümers – die Stromkosten tragen sollte. Einen schriftlichen Strombelieferungsvertrag mit dem örtlichen Energieversorgungsunternehmen wurde jedoch nicht abgeschlossen. Trotzdem entnahm bzw. verbrauchte der Pächter Strom und verursachte erhebliche Kosten.
Der Energieversorger ließ die Zählerstände mehrere Jahre hintereinander ablesen und schickte die Rechnungen zunächst fälschlicherweise an die Voreigentümerin, die sich hierfür nicht mehr zuständig fühlte – was sie auch mitteilte. Daraufhin stellte der Stromversorger eine Gesamtrechnung über rund 33.000 Euro für einen ca. dreijährigen Zeitraum an den aktuellen Eigentümer. Auch dieser verweigerte die Zahlung und verwies auf den Pächter. Da die Sache bis nach Karlsruhe ging, steht zu vermuten, dass von letzterem nichts zu holen war.
Stromverbrauch: Konkludenter Vertrag
Die Zahlungsklage des Versorgers gegen den Grundstückseigentümer ist in allen Instanzen erfolglos geblieben. Auch der BGH bestätigte nun, dass durch die Nutzung des Stroms ein konkludenter Vertrag zwischen dem Energieversorger und demjenigen zustande kommt, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss hat – also etwa Zugriff auf die Steckdosen hat.
Bislang war in der Rechtsprechung nicht vollständig geklärt, ob das der Grundstückseigentümer oder der Mieter bzw. Pächter ist. Der Senat hat sich für letztere entschieden. Nicht die Eigentümerstellung sei relevant, sondern die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort. Im Regelfall sind es faktisch Mieter oder Pächter, die den Stecker in die Steckdose stecken können und dürfen und damit die Realofferte des Energieversorgers annehmen.
Dadurch kommt bereits nach der gesetzlichen Regelung des § 2 Abs. 2 Stromgrundversorgungsverordnung – entsprechendes gilt für Gas und Wasser in § 2 Abs. 2 Gasgrundversorgungsverordnung/Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser – zwischen diesen Parteien ein Strombelieferungsvertrag zustande und nicht etwa zwischen Eigentümer und Energieversorger.
Dabei hielt es der BGH für unerheblich, dass der Eigentümer in den wenigen Tagen zwischen Eigentumserwerb und Überlassung des Grundstücks an den Pächter Strom in geringfügiger Menge selbst Strom verbraucht hat.
Entscheidung über Haftung eines zweiten Hauptmieters verschoben
Für Vermieter schafft diese Entscheidung Rechtssicherheit. Insbesondere müssen sie sich in vergleichbaren Fällen nicht darum kümmern, dass der Mieter tatsächlich einen schriftlichen Energiebelieferungsvertrag mit einem Energieversorger abschließt und dies auch nachweist. Das erspart sehr viel Aufwand und Risiko. Hat der Eigentümer allerdings über einen längeren Zeitraum selbst Energie verbraucht, sollte er die Vertragsbeendigung sicherheitshalber anzeigen, um eine Forthaftung für vom Mieter verbrauchte Energie zu vermeiden.
Der BGH hat am Mittwoch noch über einen weiteren, ähnlich gelagerten Fall beraten (Az. VIII ZR 313/13). Dabei ging es darum, ob eine Frau die Gasrechnungen ihres Ex-Partners bezahlen muss, obwohl sie nie mit ihm zusammengewohnt hat. Ein schriftlicher Vertrag über den Bezug von Gas existierte auch hier nicht – weder mit dem Mann noch mit der Frau.
Der Mann lebte nach der Trennung allein in dem Haus und bezog knapp drei Jahre lang Gas. Seine Rechnungen von insgesamt 7.000 Euro zahlte er nicht. 2008 drehte der Berliner Gasversorger Gasag den Hahn zu und verlangte die offene Summe von der Frau. Sie habe den Mietvertrag schließlich mitunterschrieben. Darüber entscheiden will der BGH erst am 22. Juli.
Der Autor Dominik Schüller ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in der Immobilienrechtskanzlei SAWAL Rechtsanwälte & Notar in Berlin.
Mit Material von dpa.
Dominik Schüller, Vermieter haften nicht für Energieverbrauch: . In: Legal Tribune Online, 03.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12431 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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