2/2: BGH: Auch einvernehmliche Schlägereien strafbar
Davon war die erste Instanz auch für einige der verabredeten und einvernehmlich stattfindenden Schlägereien ausgegangen. Nur dort, wo die gegenseitigen Angriffe wegen der hohen Zahl Beteiligter und eines sehr harten Untergrunds am "Kampfort" besonders gefährlich gewesen seien, habe eine solche Einwilligung wegen Sittenwidrigkeit nicht wirksam ergehen können, erklärten die Dresdner Richter. Dementsprechend ergingen auch nur in diesen Fällen Urteile wegen Körperverletzung gegen fünf der Hooligans. Damit stand auch die Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung auf tönernen Füßen.
Der BGH geht die Sache anders an. Er beurteilt sämtliche Tätlichkeiten der Angeklagten im Rahmen der verabredeten Schlägereien, unabhängig von der Anzahl der Beteiligten und der Beschaffenheit des Bodens, als strafbare Körperverletzungen. Folgerichtig können für ihn nicht nur die "Hooligans Elbflorenz", sondern auch alle anderen, strukturell ähnlich agierenden Hooligan-Gruppierungen kriminielle Vereinigungen im Sinne von § 129 StGB sein.
Diese Bewertung aller Schlägerei-Handlungen als strafbare Körperverletzungen erklärt der Senat unter anderem damit, das die Dresdner Hooligans rechtswidrig und schulhaft den Straftatbestand der Teilnahme an einer Schlägerei (§ 231 StGB) verwirklicht hätten. Das aber sei selbst durch eine Einwilligung sämtlicher Beteiligter nicht zu rechtfertigen, denn der Tatbestand pönalisiere die abstrakte Gefahr einer (Massen)schlägerei und sei nicht individuell einwilligungsfähig.
Zwar waren die Hooligans nach § 231 gar nicht strafbar, weil die Vorschrift außerdem voraussetzt, dass jemand schwer verletzt wird oder gar zu Tode kommt. Aber die Gruppe wolle, so die Karlsruher Richter, gerade im Rahmen von Schlägereien tätlich werden und damit strafbare gefährliche Körperverletzungen begehen.
Organisierte Hooligans?
Diese Bewertung erstaunt, ihre Begründung durch Bezugnahme auf den - nicht erfüllten - Tatbestand des § 231 StGB bedürfte wohl der Einsicht in die Urteilsgründe. Der Begriff der "Vereinigung", dessen Voraussetzungen der Senat offenbar als unproblematisch erfüllt ansieht, setzt nach bisherigem deutschem Verständnis - auch des BGH - ein Mindestmaß an Organisation voraus, also ein "koordiniertes Vorgehen mit verteilten Rollen und einer abgestimmten Aufgabenverteilung". Erst die Veröffentlichung der Urteilsgründe wird zeigen, ob die Karlsruher Richter tatsächlich, wie die bislang bekannte Pressemitteilung vermuten lässt, dafür die ungeschriebenen Regeln ausreichen lassen will, nach welchen gewaltbereite und in aller Regel alkoholisierte Glatzköpfe ihre Straßen-Schlägereien durchführen.
Bundesweit hunderte von gewaltbereiten Gruppierungen könnten so künftig als kriminielle Vereinigungen eingestuft und ihre Mitglieder ohne konkrete Straftaten mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. So begrüßte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) schon am Donnerstag das Urteil: "Diese kleine Gruppe hochaggressiver Täter lebt unter dem Deckmantel des Fußball ihre archaischen Gewaltfantasien aus. Jetzt kann die Polizei gegen solche kriminelle Vereinigungen viel massiver und wirkungsvoller vorgehen", sagte der GdP-Bundesvorsitzende Oliver Malchow. Und meint damit auch Überwachung im Vorfeld, die Speicherung von Daten und andere Ermittlungsmaßnahmen.
Eine als politisches Strafrecht und zu unbestimmt kritisierte Norm, welche bislang in der praktischen Anwendung eher ein Schattendasein führte, könnte damit in Zeiten von rechter bis islamistisch motivierter Gewalt, die offenbar nicht nur in Dresden derzeit gern in Gruppen ausgelebt wird, einen ungeahnten Aufschwung erleben. Es bleibt offen, ob und wie das geschehen kann, ohne die Grenzen zwischen strafloser Vorbereitung und strafbarer und -würdiger Tathandlung zu verwischen.
Mit Materialien von dpa
Pia Lorenz, BGH verurteilt Dresdner "Hooligans Elbflorenz": . In: Legal Tribune Online, 22.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14450 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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