2/2: Obergrenze beim Dreifachen der gesetzlichen Regelungen
Der Arbeitnehmer war bei einem Unternehmen der Energiewirtschaft befristet beschäftigt. Nach dem einschlägigen Tarifvertrag zwischen der Arbeitgebervereinigung Energiewirtschaftlicher Unternehmen e.V. (AVE) und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) war die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grunds bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer war die fünfmalige Verlängerung der Befristung zulässig.
Der Kläger hielt die tarifliche Erhöhung der Befristungshöchstdauer auf fünf Jahre für unzulässig. Die den Sozialpartnern durch § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG eröffnete Gestaltungsmöglichkeit solle lediglich branchenspezifische Lösungen erleichtern. Lägen keine branchenspezifischen Umstände vor, um die tarifliche Ausweitung der sachgrundlosen Befristung zu rechtfertigen, sei eine Verlängerung der Höchstdauer wie hier auf fünf Jahre unwirksam.
Keine Rechtfertigung durch branchenspezifischen Sachgrund nötig
Dem Erfordernis eines branchenspezifischen Sachgrunds hat sich das BAG nicht angeschlossen. Die Tarifregelung und damit auch die Befristungsdauer von 5 Jahren bewege sich im Rahmen des Zulässigen.
Dafür hat das BAG aber festgehalten: Die Tarifparteien können nur insoweit abweichende Regelungen schaffen, als die in § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG genannten Werte für Höchstdauer und erlaubte Anzahl von Vertragsverlängerungen nicht um mehr als das Dreifache überschritten werden.
Missbrauch verhindern und Tarifautonomie wahren
Rechtssicherheit versus Tarifautonomie – jene Kräfte sind mit der BAG-Entscheidung abgewogen worden. Das oberste Arbeitsgericht hat sich für die Rechtssicherheit und die Befristungsmöglichkeiten um einen festen Faktor entschieden.
Eine gewisse Vorliebe für die Zahl drei hatte das BAG bereits bei der Sachgrundbefristung offenbart: Nach dem dreistufigen "Ampelmodell" sei bei einer kumulativen Überschreitung von Befristungsdauer und Verlängerungsanzahl jeweils um das Dreifache eine vertiefte Prüfung sämtlicher Umstände geboten, bei Überschreitung in größerem Ausmaß sei Rechtsmissbrauch indiziert.
Das Faible für die Drei sei dem BAG dort unbenommen, wo es zur Rechtsfindung berufen ist. Den Inhalt eines Tarifvertrags sollen die Tarifpartner aber autonom bestimmen. Indiziert die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen dabei mangelnde soziale Stärke der Gewerkschaft, ist der Tarifakteur, nicht aber der Tarifvertrag zu überprüfen. Es ist sicherlich richtig, das Erfordernis eines branchenspezifischen Sachgrundes für die sachgrundlose Befristung abzulehnen. Ebenso muss dafür gesorgt werden, dass ein Tarifvertrag nicht dazu missbraucht wird, arbeitsrechtliche Mindeststandards abzusenken.
Zur Missbrauchsbekämpfung stehen Instrumente bereit, so etwa das Verfahren zur Überprüfung der Tariffähigkeit einer Tarifpartei durch die Exekutive. Auch die Legislative kann Missbrauch verhindern, indem sie der tariflichen Abweichungsmöglichkeit Grenzen im Gesetz setzt. Die inhaltliche Zensur von tariflichen Befristungsregelungen durch Bestimmung zahlenmäßiger Obergrenzen durch die Judikative erscheint dabei nicht als der schonendste Eingriff in die verfassungsmäßig verbriefte Tarifautonomie.
Die Autorin Dr. Sabrina Fasholz, LL.M. (Bristol) ist Anwältin in der Kanzlei für Arbeitsrecht vangard in Hamburg.
BAG zur Grenze tarifvertraglicher Befristung: . In: Legal Tribune Online, 27.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20995 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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