Mit einem überraschenden Urteil bietet das BAG neue Möglichkeiten beim Abschluss befristeter Arbeitsverhältnisse. Sie sind nun ohne Sachgrund möglich, auch wenn mit dem Arbeitnehmer schon vorher ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat, solange dieses nur mindestens drei Jahre zurückliegt. Erfurt macht damit alles richtig, meint Christian Oberwetter.
Ein Arbeitsverhältnis kann befristet werden, wenn ein Sachgrund vorliegt, der Arbeitnehmer also zum Beispiel einen Mitarbeiter vertreten soll oder erprobt werden soll. Daneben gibt es die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis auch ohne einen sachlichen Grund bis zur Dauer von zwei Jahren gemäß § 14 Abs. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) zu befristen.
Allerdings musste jeder Arbeitgeber bislang das so genannte Anschlussverbot beachten: Eine Befristung ohne Sachgrund war unzulässig, wenn mit demselben Arbeitnehmer bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hatte.
Diese Regelung war zu Zeiten rot-grüner Regierungsverantwortung im Jahr 2000 geschaffen worden, um Kettenarbeitsverträge – also die dauerhafte Befristung von Arbeitsverhältnissen - zu verhindern.
Dieses Ziel wurde erreicht, allerdings um den Preis, dass Arbeitgeber die befristete Einstellung von Arbeitnehmern scheuten, die irgendwann vorher einmal bei Ihnen beschäftigt waren. So manche Bewerbung eines Absolventen wurde von den Personalabteilungen der Unternehmen allein deshalb aussortiert, weil er als Student in einem Semesterjob bei der Firma seine Fähigkeiten unter Beweis gestellt hatte, auch wenn das bereits fünf Jahre zurücklag.
Keine Gefahr missbräuchlicher Befristungsketten nach mehr als drei Jahren
Diese missliche Lage hat das Bundesarbeitsgericht nun am Mittwoch beseitigt (BAG, Urt. v. 06.04.2011, Az. 716/09). Eine Lehrerin war nach § 14 Abs.2 TzBfG für den Zeitraum vom 01. August 2006 bis zum 31. Juli 2008 eingestellt worden. Sie hatte dann Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung erhoben, weil sie bei dem gleichen Arbeitgeber bereits während ihres Studiums vom 1. November 1999 bis zum 31. Januar 2000 als studentische Aushilfe beschäftigt war.
Der Siebte Senat des BAG entschied nun, dass die mehr als sechs Jahre zurückliegende Beschäftigung um die Jahrtausendwende der Befristung des Arbeitsvertrages im Jahre 2006 nicht im Wege stand. Die Gefahr missbräuchlicher Befristungsketten bestehe regelmäßig nicht mehr, wenn zwischen dem Ende des früheren Arbeitsverhältnisses und dem sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre liegen, so die Erfurter Richter.
Diese Wertung überzeugt, denn sie entspricht der gesetzgeberischen Intention, die in der regelmäßigen zivilrechtlichen Verjährungsfrist von drei Jahren zum Ausdruck kommt.
Nun kann also zusammenwachsen, was zusammen gehört. Der Absolvent muss nicht dafür bestraft werden, dass er bei seinem potentiellen neuen Arbeitgeber schon einmal gute Arbeit geleistet hat. Gesetzesästheten werden bekritteln, dass die Bundesrichter nun eine Regelung geschaffen hätten, die einen eindeutigen Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes darstellt. Wird die Judikative nun zur Legislative? Das müssen wir nicht befürchten. Die Justiz ist manchmal einfach nur schneller, als das Gesetz erlaubt.
Der Autor Christian Oberwetter, Rechtsanwalt und Maître en droit, ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und IT-Recht in Hamburg und Verfasser zahlreicher Publikationen auf diesen Gebieten.
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Christian Oberwetter, BAG kippt Anschlussverbot: . In: Legal Tribune Online, 08.04.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2984 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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