AG München prüft Status des ADAC: Nicht gerade ein idealer Verein

von Dr. Dirk-Ulrich Otto

28.01.2014

2/2: Unternehmerischer Auftritt am Markt und warum man trotzdem ein Verein sein kann

Dem finanzstarken Automobilclub kann also nur daran gelegen sein, seinen Status zu erhalten. Bei der Abgrenzung der Vereinsklassen ist man längst davon abgekommen, den ideellen Zweck, der zur Eintragung im Vereinsregister berechtigt, positiv zu definieren. Auch auf eine Exegese des Vereinszwecks kommt es weniger an.

Vielmehr fragt man im Rahmen einer Typenlehre zumeist anhand des praktischen Befunds ab, ob sich die Tätigkeit des Vereins als wirtschaftlich und damit nicht-eintragungsfähig darstellt. Der ADAC bietet genauso wie gewerbliche Mitstreiter Reisen, Rettungsdienste, Versicherungen und vieles mehr für jedermann an, er ist am Markt unternehmerisch tätig. Der Automobilclub selbst bezeichnet sich auf seiner Homepage als "führender Mobilitäts-Dienstleister".

Auch ein Idealverein darf sich aber neben den Beiträgen zusätzliche Einnahmequellen erschließen. Dann nämlich, wenn es darum geht, nur den nichtwirtschaftlichen Zweck zu befördern, ohne dass die Unternehmung selbst zum Hauptzweck wird. Das Amtsgericht München wird Tätigkeitsberichte und Ergebniszahlen intensiv auszuwerten haben. Bei einer Gegenüberstellung der oben genannten Ergebniszahlen von Verein einerseits und Konzern andererseits dürfte es schwer fallen, für den ADAC dieses so genannte Nebenzweckprivileg zu bejahen.

BGH 1982: ADAC-Holding durfte eingetragener Verein bleiben

Vielleicht macht es sich der Rechtspfleger in München aber auch leichter und hält sich an eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 1982: Die Karlsruher Richter bestätigten trotz oder sogar wegen der einem Unternehmenskonzern gleichenden Strukturen den Charakter der ADAC-Holding als eingetragener Verein.

Die Versicherungssparte etwa wird gerade nicht vom Verein, sondern von Aktiengesellschaften betrieben. Wettbewerber aus diesem Bereich hatten wegen unlauteren Wettbewerbs geklagt, was so heute nicht mehr möglich ist.

Besteht der Sinn der Vereinsklassenabgrenzung allein darin, etwaige Gläubiger im Rechtsverkehr zu schützen, dann können die Regeln der Aktiengesellschaft zu Kapitalaufbringung und Kapitalerhalt genügen. Auf die wenigen Fälle persönlicher Gesellschafterhaftung muss es nach Ansicht des BGH im Ergebnis nicht ankommen, rechtstatsächlich schon mit Blick auf die Vermögensstärke der Muttergesellschaft. Der Verein selbst ist in dieser Sichtweise nicht schon deshalb unternehmerisch tätig, weil er Mehrheitsgesellschafter von Unternehmen ist.

Idealvereinen ist geradezu zu empfehlen, wirtschaftliche Aktivitäten auszugliedern, weil das Nebenzweckprivileg nicht uferlos ausgedehnt werden sollte. Das AG München könnte sich darauf beschränken, die Aktivitäten des Holdingsvereins selbst und insofern Änderungen seit 1982 zu untersuchen. Nach Pressedarstellungen wird zum Beispiel der Pannendienst unmittelbar vom Verein betrieben. Wenn dem so ist, dann ist dessen Konkurrenz zu gewerblichen Pannenhelfern wohl unternehmerische Tätigkeit. Was das Nebenzweckprivileg betrifft, muss man sich fragen, ob das aus Anlass einer aktuellen Autopanne beitretende Mitglied irgendeinen Wert auf die Satzungsziele legt oder schlicht eine vergünstigte Dienstleistung einkaufen möchte.

Der ADAC sprengt alle Dimensionen

Bei kleineren Vereinen mag die Ausgliederung wirtschaftlicher Aktivitäten das Mittel der Wahl sein. Der ADAC ist aber eine völlig atypische Organisation.

Die Beschränkung des eingetragenen Vereins auf ideelle Zwecke soll auch die Rechte von Mitgliedern und Mitarbeitern schützen. Im eingetragenen Verein übt das Mitglied seine Beteiligungs- und Kontrollrechte im Wesentlichen über die Teilnahme an der Mitgliederversammlung aus. Die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft oder Genossenschaft wählt dagegen nicht nur den Vorstand, sondern aus gutem Grund obligatorisch auch ein ständiges Kontrollorgan.

Der ADAC hat zwar einen Verwaltungsrat. In diesem sitzen aber kraft Amtes die Vorsitzenden der Regionalvereine. Eine laufende Kontrolle der Konzernaktivitäten sieht anders aus. Sozialpolitisch bedenklich wird es, wenn sich einzelne Presseberichte bestätigen sollten, nach denen Tätigkeiten der Konzerngesellschaften und der Mutter füreinander soweit verschränkt sind, dass dadurch Arbeitnehmermitbestimmungsrechte verlorengehen.

Im Jahr 1982 hat der BGH die Mitgliederrechte nicht als auschlaggebend angesehen und die Anwendung konzernrechtlicher Grundsätze auf den Verein verneint. Mitglieder- und mutmaßlich auch Beschäftigtenzahlen haben sich seitdem aber mehr als verdoppelt. Mit einem Verein und den  Beteiligungs- und Kontrollrechten seiner Mitglieder hat der gigantische ADAC kaum mehr etwas gemeinsam.

1982 hat der BGH gegen einigen Protest aus der Literatur den Vereinscharakter des Clubs durchgewunken. Nur wenn das Amtsgericht - und nachfolgend in einem Beschwerdeverfahren das OLG München - zu dem Ergebnis kommen sollte, dass sich seither Dimension und Tätigkeitsschwerpunkte des ADAC verändert haben oder die Schutzgründe der §§ 21, 22 Bürgerliches Gesetzbuch neu zu werten sind, bekämen die obersten Zivilrichter die Gelegenheit, sich erneut mit der Sache zu befassen. Weil das deutsche Vereinsrecht auf den Vereinskonzern im Grunde nicht passt, ist das unbedingt wünschenswert. Außer vielleicht für den ADAC.

Der Autor Dr. Dirk-Ulrich Otto ist tätig in Leipzig. Er ist Mitautor eines Handbuchs zum Vereinsrecht und bearbeitet seit zehn Jahren das Vereinsrecht in einem Online-Kommentar.

Zitiervorschlag

Dirk-Ulrich Otto, AG München prüft Status des ADAC: . In: Legal Tribune Online, 28.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10784 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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