Höckes Rede sorgt für Empörung. Bei derselben Veranstaltung erklärte ein Dresdner Richter den "Schuldkult" der Deutschen für "endgültig beendet". Er wurde 2016 bekannt, weil er einem Parteienforscher das Wort verbot - auf Antrag der NPD.
Nach dem Auftritt des Richters Jens Maier bei einer Veranstaltung der "Jungen Alternative" in der Landeshauptstadt prüft das Landgericht (LG) Dresden, ob Disziplinarmaßnahmen gegen Maier eingeleitet werden sollen. Der 54-Jährige, der seit 2013 Mitglied des Landesschiedsgerichts und seit November 2016 Bundestagsdirektkandidat für Dresden der Alternative für Deutschland ist, könnte gegen § 39 des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) verstoßen haben, teilte das LG am Mittwoch mit. Danach muss sich ein Richter auch bei politischer Betätigung so verhalten, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird.
Laut einem MDR-Bericht hatte Maier am Dienstagabend vom "Schuldkult" der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg gesprochen und ihn für "endgültig beendet" erklärt. Bei der Veranstaltung, zu der regionale wie überregionale Medien keinen Zutritt hatten, hatte auch der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke gesprochen und mit seiner massiven Kritik am Holocaust-Gedenken einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.
Gerichtspräsident Gilbert Häfner erklärte, bei den Äußerungen Maiers handele es sich "um die private Meinung von Herrn Maier, die nicht die Meinung des Landgerichts widerspiegelt."
Noch deutlicher wurde der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn, gegenüber LTO: "Sollte Maier sich bei einer AfD-Veranstaltung in Dresden so geäußert haben, wie es heute berichtet wird, ist das unerträglich und völlig inakzeptabel: Wer das Weltbild eines Björn Höcke teilt, macht sich als Vertreter des deutschen Rechtsstaates unglaubwürdig."
Rebehn begrüßt, "dass das Landgericht Dresden sich des Falls sofort angenommen hat und jetzt Disziplinarmaßnahmen gegen Maier prüft. Wir haben volles Vertrauen in das Landgericht, dass es die richtigen Konsequenzen ziehen wird."
2016: Parteienforscher eine Aussage über die NPD verboten
Die in § 39 des DRiG geregelten Verhaltenspflichten des Richters innerhalb und außerhalb seines Amts sollen das Vertrauen der Verfahrensbeteiligten in die Sachlichkeit und Unparteilichkeit der Richter stärken. Das sogenannte Mäßigungsgebot hindert den Richter nicht daran, sich politisch zu betätigen, auch seine Meinung darf er kundtun. Das muss er aber sachlich und nicht polemisch tun, stellt Rebehn klar: "Das Richtergesetz und die richterliche Berufsethik gebieten es, dass ein Richter sich so verhält, dass er das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet. Diese Pflicht trifft ihn im Amt und außerhalb des Amtes, insbesondere auch bei politischer Betätigung."
Doch Zweifel an Maiers Unparteilichkeit gab es bereits im Jahr 2016. Im Mai vergangenen Jahres geriet der Richter erstmals in die Schlagzeilen, als er per einstweiliger Verfügung dem Dresdner Politologen Steffen Kailitz kritische Aussagen verbot – und zwar solche über die NPD. Er untersagte es dem Wissenschaftler des Hannah-Arendt-Institus für Totalitarismusforschung, der unter anderem im Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht als Sachverständiger zu der rechtsradikalen Partei angehört wurde, in der Öffentlichkeit zu behaupten, dass die NPD "rassistisch motivierte Staatsverbrechen" plane und "acht bis elf Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben" wolle, darunter auch "mehrere Millionen deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund" (LG Dresden, Beschl. v. 10.05.2016, Az. 3 O 925/16 EV).
Im Juni hob Maier den Beschluss wieder auf, sodass Kailitz die umstrittenen Aussagen derzeit wieder treffen darf. Allerdings nur vorläufig, denn Maier erkannte keine besondere Dringlichkeit mehr, die Voraussetzung für den Erlass einstweiliger Anordnung ist. Erst im Widerspruch von Kailitz' Anwalt Jörg Nabert habe er davon erfahren, dass die rechtsradikale Partei bereits vor acht Jahren gegen eine Schrift des Politologen vorgegangen sei, in der dieser fast gleichlautende Aussagen zu den politischen Zielen der Partei gemacht habe.
Eine etwaige Nähe zur NPD, die mit Bekanntwerden seiner Mitgliedschaft in der AfD vermutet wurde, wies Maier im vergangenen Jahr zurück. Der Süddeutschen Zeitung gegenüber sagte er damals, dass er den Wissenschaftler Kailitz vorher nicht gekannt und von seiner Arbeit als Sachverständiger beim NPD-Verbotsverfahren erst im Nachhinein erfahren habe. Als Mitglied des Landesschiedsgerichts der AfD sei es im Gegenteil seine Aufgabe, Neonazis in der Partei nicht zu dulden. Das klang am Dienstag allerdings anders.
Pia Lorenz, Nach Skandal-Auftritt mit Björn Höcke: . In: Legal Tribune Online, 19.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21837 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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