Abschaffung des Splittingtarifs: Steuersparmodell Ehe und Lebenspartnerschaft am Ende?

Seite 2/2: Förderung der Familiensolidarität

Wer das Splitting für Ehegatten und künftig bereits sogar vor dessen Einführung auch für eingetragene Lebenspartner streichen will, weil es auch Paare mit Kindern ohne Trauschein gibt, muss zunächst die Frage beantworten, was er fördern möchte. Die Familienarbeit betrifft nicht nur die Erziehung von Kindern, für die immer noch ausreichende Kindertagesstätten fehlen. Es geht auch um die Versorgung der gebrechlichen oder kranken Eltern, für die keine bezahlbaren Pflegeplätze zur Verfügung stehen und die vielleicht auch nicht ein Pflegeheim abgeschoben werden wollen.

Und es geht um die Betreuung des Partners, den man bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit nicht im Stich lassen möchte. Diese Form der Familiensolidarität ist unentbehrlich und derzeit auch für den Staat nicht bezahlbar.

Der Splittingvorteil, der beispielsweise bei einem Paar mit Einkommen von 60.000 Euro und 15.000 Euro gegenüber Ledigen ca. 1.050 Euro jährlich ausmacht, ist hierfür nur ein eher mickriges Trinkgeld. Und um Neidkomplexe von vornherein zu vermeiden: Sind beide Partner Spitzenverdiener (bereits ab jeweils 55.000 Euro Einkommen) oder verfügen sie über ein gleich hohes Einkommen, wirkt sich das Splitting gar nicht aus.

Ehegattensplitting nicht ohne neues Konzept verwerfen

Die Argumente, die gegen das Ehegatten- und Lebenspartnersplitting vorgebracht werden, betreffen in gleicher Weise die Grundprinzipien des Scheidungs- und Aufhebungsfolgenrechts: Auch dem Zugewinn- und Versorgungsausgleich liegt das Modell einer Gleichwertigkeit von Erwerbs- und Familienarbeit zugrunde. Die Argumente für die Abschaffung des Splittings müssten dann in gleicher Weise dafür ins Feld geführt werden, den Zugewinn- und den Versorgungsausgleich zu beseitigen.

Diese Konsequenz wird von Kritikern des Ehegatten- und Lebenspartnersplittings derzeit verschwiegen. Bevor man dieses abschafft, müsste man deshalb erst darüber nachdenken, wie ein neues Partner- und Familienmodell aussehen soll. Dabei darf die Frage nicht ausgeklammert werden, ob man praktizierte Familiensolidarität weiterhin wünscht. Und falls nicht, wie der Staat die Betreuung von Kindern und in einer immer älter werdenden Gesellschaft auch die Pflege der alten Menschen unter Beachtung eines Mindestmaßes an Menschenwürde bewerkstelligen will.

Die richtige Reihenfolge lautet deshalb: Es braucht erst ein neues Konzept der Abgrenzung von Familienarbeit und öffentlicher Fürsorge, bevor an eine neue Familienförderung und im Zusammenhang damit auch über die Streichung der an die Ehe und die homosexuelle Partnerschaft bisher geknüpften Erleichterungen wie das das Splitting gedacht werden sollte. Außerdem: Gestrichen ist schnell, wie die frühere Eigenheimzulage zeigt. Auch bei ihr kam trotz diesbezüglicher Versprechen keine gerechtere Förderung nach.

Der Autor Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz ist Notar in Regen und Zwiesel.

Zitiervorschlag

Herbert Grziwotz, Abschaffung des Splittingtarifs: . In: Legal Tribune Online, 18.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7104 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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