In der öffentlichen Diskussion zur DSM-Richtlinie ging es fast nur um Uploadfilter. Dabei könnte insbesondere die Einführung einer anlasslosen Auskunftspflicht gegenüber Urhebern weitreichende Folgen haben, meint Stanislaus Jaworski.
Uploadfilter, Uploadfilter, Uploadfilter. Dieses Reizwort hat besorgte Bürgerinnen und Bürger auf die Straße getrieben und die Diskussion zur Digital Single Market-Richtlinie (DSM-Richtlinie) nicht sachlicher gemacht. Dies vor allem mit Blick darauf, dass es "Uploadfilter" in Form von Prüfpflichten nach ständiger deutscher Rechtsprechung schon lange vor der DSM-Richtlinie gab. Die hitzige Diskussion darüber sowie zur Plattformbetreiberhaftung hat aber vor allem dafür gesorgt, dass sich – außerhalb von Fach- und Lobbykreisen – kaum jemand für die sonstigen Regelungen der DSM-Richtlinie interessiert hat.
Dabei haben es die übrigen Regelungen in sich. So etwa ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger, Regelungen zum Text- und Datamining, weitere Schrankenregelungen im Bildungs- und Wissenschaftsbereich oder Ausgleichsansprüche von Verlagen und Regelungen im Urhebervertragsrecht. Die meisten dieser Regelungen zielen auf bestimmte urheberrechtliche Nutzungssituationen oder zum Teil auch Branchen ab. Dies gilt jedoch nicht für die Regelung des Art. 19 DSM-Richtlinie: Die Auskunftspflicht, nun umgesetzt in § 32d Urheberrechtsgesetz (UrhG).
Auskunftsanspruch wird zur Auskunftspflicht
Der Gesetzgeber wollte mit der Auskunftspflicht den Urhebern unter die Arme greifen. Einen anlasslosen Auskunftsanspruch gibt es in § 32d UrhG schon seit 2017. Dieser wurde in der Praxis jedoch sehr selten durchgesetzt.
Die Neufassung des § 32d UrhG regelt nun seit dem 7.6.2021, dass Vertragspartnerinnen und Vertragspartner von Urhebern und ausübenden Künstlern diesen mindestens einmal jährlich Auskunft über den Umfang der Nutzung der Werke des Urhebers zu erteilen haben.
Es ist dabei nicht erforderlich, dass ein Urheber sich auf die Auskunftspflicht beruft. Die Pflicht zur Auskunftserteilung entsteht qua Gesetz. Nur ausnahmsweise entfällt sie.
Eine Einhaltung dieser Pflicht – nicht nur gegenüber einzelnen Urhebern, sondern gegenüber ganzen Urhebergruppen - kann gerichtlich von Urhebervereinigungen durchgesetzt werden. Verbände hätten durch den § 32d UrhG die Möglichkeit, sich mittels Klagen basierend auf dieser Norm kostengünstig für ihre Mitglieder einzusetzen.
Der Unionsgesetzgeber geht scheinbar davon aus, dass Urheber unterstützt werden müssen, da sie sich nicht "trauen" gegenüber ihren Vertragspartnerinnen und Vertragspartnern Auskunftsansprüche geltend zu machen. Es ist sehr fraglich, ob dies wirklich so ist. Desinteresse könnte der Hauptgrund sein, dass die wenigsten Urheber bestehende Auskunftsansprüche geltend machen. Jedenfalls will der Unionsgesetzgeber die Urheber in die Lage versetzen, "den wirtschaftlichen Wert ihrer Rechte im Vergleich zu ihrer Vergütung für die Lizenzvergabe" zu bewerten (Erwägungsgrund 75 der DSM-Richtlinie).
Hohe Kosten, geringer Nutzen
Es ist zwar nachvollziehbar, dass der Unionsgesetzgeber dem Urheber Kenntnis über die Nutzung von dessen Werken verschaffen will. Die Interessen der Rechteinhaber und Rechteinhaberinnen werden dabei aber nicht ausreichend berücksichtigt. Nicht nur Geheimhaltungsinteressen sind betroffen. Rechteinhaber und Rechteinhaberinnen müssten vor allem einen enormen Aufwand betreiben, um überhaupt alle Urheber zu identifizieren und deren Kontaktdaten zu erhalten sowie Daten über den Umfang der Nutzung zu sammeln.
Man denke etwa an eine Serienfolge an der im Zweifel dutzende Urheber und ausübende Künstler mitgewirkt haben. Oder die Nutzung eines Unternehmenslogos, welches online und offline auf mannigfaltige Art und Weise genutzt wird. Eine Erfassung alle Daten zur Nutzung von Werken und die Vornahme der Auskunftserteilung erfordert zusätzliches Personal und Anschaffung von entsprechender Software.
In den wenigsten Fällen werden die Urheber und ausübenden Künstler ein tiefergehendes Interesse an den erteilten Auskünften haben. Ihnen wird dann noch nicht einmal die Möglichkeit gewährt, in Zukunft auf die Auskunftserteilung zu verzichten, da § 32d UrhG unabdingbares Recht ist (außer eine gemeinsame Vergütungsregel oder ein Tarifvertrag werden angewendet).
Rettungsanker Verhältnismäßigkeit
Im schlimmsten Fall droht, dass den Rechteverwertenden erheblicher Aufwand und Kosten entstehen, von welchem die allerwenigsten Urheber greifbar profitieren. Am Ende könnten auch die Urheber als Verlierer dastehen, wenn die Vergütung für die Einräumung von urheberrechtlichen Nutzungsbefugnissen sinkt, weil die Rechteverwertenden die Kosten für die Auskunftserteilung bei Vergütungsverhandlungen einkalkulieren.
Eine derartige Situation, in der alle schlechter dastehen als zuvor, lässt sich nur vermeiden, wenn die Auskunftspflicht gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 2 UrhG regelmäßig ausscheidet, weil "die Inanspruchnahme des Vertragspartners […] unverhältnismäßig ist, insbesondere wenn der Aufwand für die Auskunft außer Verhältnis zu den Einnahmen aus der Werknutzung stünde."
Der Ball liegt jetzt bei den Gerichten, den § 32d UrhG so auszulegen, dass er den Interessen der Rechteverwerter und Urheber nicht zuwiderläuft. Im Idealfall wird dies gelingen. Im „worst case“ wird bald (womöglich EU-weit) eine neue Branche von Auskunftserteilungsdienstleistenden entstehen. Da § 32 d UrhG gemäß § 133 Abs. 3 S. 1 UrhG erst auf ab dem 7.6.2022 erfolgende Nutzungen Anwendung findet, wird bis zu einer gerichtlichen Konkretisierung des § 32d UrhG allerdings noch etwas Zeit vergehen.
Der Autor Dr. Stanislaus Jaworski ist Rechtsanwalt und Partner der Nordemann Czychowski & Partner Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte mbB. Zu seinen Schwerpunkten zählt das Urheberrecht, hier insbesondere Litigation im Bereich angemessene Vergütung und weitere Beteiligung.
Die neue Auskunftspflicht nach § 32d UrhG: . In: Legal Tribune Online, 15.09.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46015 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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