Regulierung des Glücksspiels: Neuer Glücks­spiel­staats­ver­trag

Die Regierungschefs der Länder haben sich am Mittwoch auf einer Sonderkonferenz in Berlin auf die Grundzüge einer ab 2012 geltenden Regulierung des Glücksspiels geeinigt. Während die grobe Linie klar scheint, sind im Detail noch wichtige Fragen offen. Dazu enthält der Beschluss reichlich Überraschendes zum Thema Online-Casinospiele. Ein Kommentar von Markus Ruttig.

Die Eckpunkte der Einigung sehen vor, dass im kommenden Jahr im Rahmen einer Experimentierklausel sieben bundesweite Konzessionen für die Veranstaltung von Sportwetten vergeben werden sollen. Wie die Ministerpräsidenten angesichts eines derzeit noch illegalen Sportwettenangebots von geschätzt zwanzig- bis dreißigtausend Anbietern ausgerechnet auf diese Anzahl von Konzessionen gekommen sind, wird ihr Geheimnis bleiben.

Wie mit sieben Konzessionen der illegale Markt ausgetrocknet werden soll, erschließt sich bei einer Betrachtung der bloßen Zahlen ebenfalls nicht sofort. Dem Vernehmen nach hat das Bundesland Schleswig-Holstein diesem Passus auch nicht zugestimmt. Offenbar ging die Liberalisierung den Norddeutschen nicht weit genug.

Einigkeit besteht hingegen darüber, dass fünf Jahre nach Inkrafttreten des Konzessionssystems eine Evaluation erfolgen soll, ob und wieweit die Zielsetzung des neuen Glücksspielstaatsvertrages realisiert werden konnten. Dabei dürften die Zielsetzungen des alten und neuen Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) im wesentlichen identisch sein und der Spielerschutz und damit die Spielsuchtprävention sollten im Vordergrund stehen.

Mehr Umsätze durch Sportwettenprivatisierung zweifelhaft

Ob das von den Ministerpräsidenten ausdrücklich als solches bezeichnete Experiment der Marktöffnung unter diesen Prämissen gelingen wird, dürfte ganz wesentlich davon abhängen, ob zwei weitere, ebenfalls am 6. April 2011 beschlossene Eckpunkte der neuen Regulierung von den gewerblichen Anbietern eingehalten werden.

Zum einen geht es dabei um die Verpflichtung der Konzessionsnehmer, selbst oder durch verbundene Unternehmen keine anderen nicht legalen Glücksspielangebote auf dem Deutschen Markt zu vertreiben, und zum anderen um die Bereitschaft, eine Konzessionsabgabe von rund 16,7 Prozent des Spieleinsatzes, das heißt des Umsatzes, zu zahlen.

Bislang unterlag nur das staatliche ODDSET-Angebot einer so hohen Abgabenlast. ODDSET konnte daher im Vergleich zu den bereits auf dem Markt tätigen Konkurrenten nur verhältnismäßig schlechtere Quoten anbieten. Die Folge waren erhebliche Marktverluste.

Zum Vergleich: Ein in Gibraltar lizenzierter Sportwettenanbieter muss statt etwa 16,7 Prozent auf den Gesamtumsatz nur 1 Prozent bis 42,5 Millionen britische Pfund, maximal aber 425.000 britische Pfund pro Jahr bezahlen. In Großbritannien beläuft sich die Abgabenlast auf 15 Prozent des Rohertrags, also von dem, was nach Auszahlung der Gewinne beim Veranstalter übrig bleibt. Zuletzt wurde bekannt, dass es trotz der im Vergleich zu Deutschland geringen Steuerlast neben anderen englischen Glücksspielanbietern auch Betfair nach Gibraltar zieht.

In Frankreich werden die Veranstalter nach der Marktöffnung im vergangenen Jahr mit 8,8 Prozent der Spieleinsätze zur Kasse gebeten. Auch hier bemängelt etwa der Vorstandsvorsitzende des französischen Marktführers BetClic, dass die legalen Webseiten nur etwa 30 Prozent des Marktes in Frankreich repräsentierten und der Steuersatz zu hoch sei. Ob sich folglich mit einer Sportwettenprivatisierung überhaupt mehr Geld verdienen lässt, wie sich dies insbesondere der Sport erhofft, muss angesichts der Marktgegebenheiten in Europa doch sehr bezweifelt werden.

Internet-Ausnahmeregelung mit großer juristischer Sprengkraft

Zu den gleichen Marktbedingungen wird es außerdem gehören, dass Live-Wetten nur auf das Endergebnis zulässig sein sollen. Auf andere Ereignisse, wie etwa welche Mannschaft die erste gelbe Karte erhält, oder den ersten Einwurf zugesprochen bekommt, kann auch künftig nicht gewettet werden. Solche Wetten bleiben verboten, weil sie Manipulationen Tür und Tor öffnen.

Trikot- und Bandenwerbung für Sportwetten sollen schließlich zulässig sein, Werbung für Sportwetten im Fernsehen im Umfeld von Sportsendungen hingegen nicht. Weitere Regelungen und Beschränkungen werden hinzu kommen müssen, wenn man den Spielerschutz in diesem dem Kommerz geöffneten Marktsegment wirklich ernst nehmen möchte.

Völlig überraschend und unerklärlich findet sich in dem Ministerpräsidentenbeschluss schließlich ein Passus, wonach Internetangebote von Casinospielen nur bei "realen Spielen, wie sie im Spielsaal einer terrestrischen konzessionierten Spielbank und nur von ihr angeboten werden", zulässig sein soll. Zu verstehen ist dies wohl so, dass etablierte Spielbanken und nur diese künftig ihre terrestrisch veranstalteten Spiele auch im Internet übertragen und so online spielbar machen dürfen. Dies war bislang durch § 4 Abs. 4 GlüStV verboten.

Da noch unklar ist, ob und in welchem Umfang andere Glücksspielformen, wie etwa Sportwetten oder Lotterien, online angeboten werden dürfen, verwundert diese Teilregelung umso mehr. Es fragt sich, ob den Ministerpräsidenten bewusst gewesen ist, welche Sprengkraft eine solche Bereichsausnahme angesichts der in der Rechtsprechung wiederholt festgestellten Gefährlichkeit von Internetglücksspielen birgt.

Der Autor Dr. Markus Ruttig ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz bei CBH Rechtsanwälte in Köln. Neben dem Gewerblichen Rechtsschutz liegt sein Tätigkeitsschwerpunkt unter anderem im Glücksspielrecht.

 

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Zitiervorschlag

Markus Ruttig, Regulierung des Glücksspiels: . In: Legal Tribune Online, 08.04.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2995 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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