Franz Obst aus Koblenz tritt in der RTL-Fernsehsendung "Nachbarschaftsstreit" auf und hat bei Langenscheidt das satirische Nachschlagewerk "Nachbar-Deutsch / Deutsch-Nachbar" veröffentlicht. Außerdem ist er Nachbarrechtler, Mediator und Fachanwalt für Strafrecht. Constantin Körner sprach mit ihm über Streit in allen Milieus, normenverliebte Deutsche und die geplante Mietrechtsreform.
LTO: Herr Obst, die neue Staffel von "Nachbarschaftsstreit" ist immer sonntags um 19:05 Uhr auf RTL zu sehen. Eine Fernsehsendung über juristische Themen im Vorabendprogramm eines führenden Privatsenders ist schon ungewöhnlich. Wie kam es überhaupt zu dieser Zusammenarbeit?
Obst: An meine Fernsehauftritte bin ich gekommen wie die Jungfrau zum Kinde.
Ich bekam im Herbst 2009 eine Mail, dass ein Rechtsanwalt und Mediator gesucht wird, wenn ich Interesse hätte, möge ich anrufen. Das habe ich dann getan und es folgte ein Interview in meinem Büro. Bis dahin wusste ich noch gar nicht, welche Produktion und welcher Sender. Etwa drei Wochen nach dem Interview rief mich dann die Produktionsgesellschaft an, dass RTL der Cast gefallen hat, man allerdings noch gerne sehen würde, wie ich mit Menschen arbeite.
Es folgten noch zwei Casts mit Protagonisten und dann erhielt ich im Februar 2010 den Anruf, dass RTL sich für mich entschieden habe und, für die Produktionsfirma auch ein Novum, mit mir unmittelbar den Vertrag abschließen will. Im April, in der Karwoche, haben wir dann den Pilotfilm gedreht, der Frau Schäferkordt (Geschäftsführerin der Mediengruppe RTL Deutschland - Anm. d. Red.) gefallen hat, und dann ging es in die für mich 1. Staffel.
LTO: Pro Folge wird ein Fall behandelt, der dann etwa "Der Generationenstreit" oder "Terror im Treppenhaus" heißt. Was erwartet die Zuschauer?
Obst: Die Zuschauer können sich wieder auf spannende Folgen freuen. Die gesamte Bandbreite nachbarschaftlicher Streitigkeiten wird wiedergegeben. Insbesondere sieht man bei den Folgen, dass die Streitigkeiten alle sozialen Schichten betreffen, egal ob Millionär, einfacher Arbeiter oder Rentner.
Normenverliebte Deutsche
LTO: Während Ihres Studiums haben Sie als Reiseleiter gejobbt. Deshalb dürften Sie mit der Mentalität anderer Länder vertraut sein. Inwiefern sind Nachbarschaftsstreitigkeiten denn etwas typisch Deutsches?
Obst: Ich habe mich während meiner Reiseleitertätigkeit oft im Ausland aufgehalten. Nicht umsonst werden die Deutschen in Urlaubsländern, vor allem in südlichen Urlaubsländern, häufig als "Quadratschädel" bezeichnet. Unsere Normenverliebtheit spiegelt sich ja nicht zuletzt auch in den deutschen Industrienormen wieder, die immerhin festhalten, dass die Schraube nach rechts reingedreht wird.
Andererseits haben auch andere Länder mit Nachbarschaftsstreitigkeiten ihre Mühe, die allerdings möglicherweise angesichts der Temperamente etwas hitziger und dann auch etwas kurzlebiger ausgetragen werden.
Von Chauffeur bis Reiseleiter
LTO: Wo wir gerade Ihren Werdegang ansprechen. Neben Rechtswissenschaft haben Sie auch klassische Archäologie studiert sowie während des Studiums nicht nur als Reiseleiter, sondern auch als Chauffeur für das Auswärtige Amt, Botschaften sowie Firmen wie NBC und Twentieth Century Fox gejobbt. Welche Erfahrungen aus diesem bunten Lebenslauf erweisen sich heute als besonders hilfreich?
Obst: Diese Tätigkeiten, die ich während des Studiums nebenher, auch zur Finanzierung meines Studiums, ausgeübt habe, haben sich vor allem für den Umgang mit Menschen stets gelohnt. Ich habe im Rahmen dessen auch mit ausländischen Staatsangehörigen zahlreiche Erfahrungen sammeln können, gerade was den Kontakt auch mit fremden Kulturen angeht.
Selbst mit bekannten Persönlichkeiten habe ich damals schon normal umzugehen gelernt. Es handelt sich nämlich immer um Menschen wie Du und ich, die ein offenes, ehrliches und respektvolles Wort schätzen.
"Unter Nachbarn friedensstiftend unterwegs"
LTO: Sie betreiben seit 2004 nicht nur Ihre eigene Anwaltskanzlei, sondern engagieren sich auch als Vorsitzender des Landesverbands Rheinland-Pfalz e.V. des Deutschen Mieterbunds. Nachbarschaftsrecht, das klingt nach nervenaufreibenden Mandantengesprächen über unliebsame Gartenzwerge und die nicht eingehaltene Flurwoche. Gleichzeitig dürften die Streitwerte recht undankbar sein. Warum praktizieren Sie trotzdem gerade auf diesem Rechtsgebiet?
Obst: Natürlich können die Streitwerte undankbar sein und es handelt sich um zeitraubende Themen. Andererseits verhält es sich auch so, dass je nach Umfang der Angelegenheit nur mit einer Honorarvereinbarung gearbeitet werden kann. Überdies gehen mein Tätigkeitsbereich und der der Kanzlei über das Thema "Nachbarschaftsstreitigkeiten" weit hinaus. Ich selbst bin zum einen Mediator und zum anderen Fachanwalt für Strafrecht und in beiden Berufsfeldern deutschlandweit tätig.
Unabhängig davon halte ich es schon für wichtig, gerade unter Nachbarn - wenn möglich - friedensstiftend unterwegs zu sein, da sich gerade Störungen im unmittelbaren nachbarschaftlichen Umfeld derart nachhaltig auf die Psyche der Menschen auswirken, dass Wohlbefinden und auch Arbeitskraft darunter leiden.
Damit es gar nicht erst zum Streit kommt: "sachlich, respektvoll und auch wertschätzend"
LTO: Die zu laut aufgedrehte Musikanlage, eine nächtliche Party oder der Grilldunst, der in die eigene Wohnung zieht - Streitigkeiten mit den Nachbarn kennen wir alle mehr oder weniger aus eigener Erfahrung. Was raten Sie als Experte hinsichtlich Nachbarschaftsstreitigkeiten, wie man solche möglichst vermeidet und wie man die Wogen am besten wieder glättet, falls es doch zum Streit gekommen ist?
Obst: Die Streitvermeidungsmaxime lautet: Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation. Diese sollte wertschätzend und respektvoll ablaufen. Nur, wenn ich unmittelbar meinen Nachbarn auf die Probleme anspreche, und zwar Auge in Auge, dann habe ich die Chance, ihn auch zu erreichen.
In unserer Gesellschaft ist bedauerlicherweise die verbale, direkte Kommunikation in den Hintergrund getreten.Man kommuniziert heute mehr über SMS und den Chat. Nichts kann missverständlicher sein als derartige Kommunikation, zumal die berühmten Lachmännchen oder auch andere Zeichen oftmals missverstanden werden. Es empfiehlt sich daher immer, sich unmittelbar mit dem Nachbarn sachlich, respektvoll und auch wertschätzend auszutauschen.
"Ich verstehe mich als normalen Nachbarn, der auch nicht frei von Fehlern ist."
LTO: In dem Kapitel "Hallo, wir sind die neuen Nachbarn!" Ihres satirischen Nachschlagewerks "Nachbar-Deutsch / Deutsch-Nachbar" ordnen Sie Nachbarn in verschiedene Kategorien ein. Der "Oberlehrer" findet sich dort genauso wie "der nachtaktive Single" oder "die neureichen Doppelverdiener". Jetzt mal Hand aufs Herz! Wie würden Sie sich als Nachbar denn selbst einschätzen?
Obst: Es fällt natürlich immer schwer, sich selbst einzuschätzen.Ich verstehe mich als normalen Nachbarn, der auch nicht frei von Fehlern ist. Wenn ich mir meine Nachbarschaft allerdings betrachte, ist diese absolut tiefenentspannt. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zu unseren Nachbarn, das von gegenseitiger Hilfsbereitschaft und Wertschätzung geprägt ist.
"Geplante Mietrechtsreform ist daneben"
LTO: Zum Schluss noch eine rechtspolitische Frage aus aktuellem Anlass. Was halten Sie von dem Entwurf der Bundesregierung zur Mietrechtsreform?
Obst: Jetzt sprechen Sie für mich einen Aufreger an. Ich halte diese Mietrechtsreform, zurückhaltend formuliert, für daneben. Es kann nicht angehen, dass, wie es nun in der beabsichtigten Mietrechtsreform geregelt ist, dem Mieter das Mietminderungsrecht abgeschnitten wird. Dies widerspricht dem Grundgedanken des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
Gleichgültig, ob Kauf-, Miet-, Reise- oder Werkvertragsrecht gilt in unserem Zivilrecht der Grundsatz, dass 100 Prozent Leistung nur bei 100 Prozent Gegenleistung beansprucht werden können. Auch die Umlage von 11 Prozent Modernisierungskosten auf die Jahresmiete ist für Mieter nicht mehr tragbar. Derart hohe, dauerhafte Belastungen nach energetischer Modernisierung auf Grundlage der aktuellen Mieterhöhungsvorschriften sind für den Großteil der Mieter nicht tragbar.
Vor diesem Hintergrund ist die 11 prozentige Modernisierungsumlage zu streichen. Gefordert ist hier der Staat, der weniger Kosten für die Selbstverwaltung ausgeben sollte als vielmehr die energetische Modernisierung, die ja durchaus sinnvoll ist und zu der auch Mieter ihren Beitrag leisten sollten, durch angemessene, auch steuerliche Anreize für die Investoren zu fördern.
LTO: Vielen Dank für das Gespräch.
Constantin Körner, Interview mit RTL-Streit-Experte Franz Obst: . In: Legal Tribune Online, 26.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6712 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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