Juristenbiografien: Schlechte, schlechte Richter

von Martin Rath

02.03.2014

2/2: Was macht Richter schlecht?

Mit seinen "Bad Judges" skizziert Graeme Williams nicht bloß humorvoll Fälle richterlichen Versagens, er versucht sich auch an einer Typologie schlechter Richter. Die Leitfrage lautet: "What makes a bad Judge? Or what makes a Judge bad?" Die Kriterien für seine Typologie sind überwiegend harmlos. Ungeduld, die statt zur Zeitersparnis zu überlangen Anhörungen führe, zählt er zu den richterlichen Sünden. Bei älteren Richtern ist Allwissenheit anzutreffen, unter jüngeren eher Wichtigtuerei. Bei strafbarem Verhalten komme es auf die Fähigkeit zum Aussitzen an: Wird der eine Richter schon wegen des Versuchs, Alkohol durch den Zoll zu schmuggeln, zum Rücktritt bewegt, darf der andere seine Trunkenheitsfahrten aussitzen.

Manche von Williams' Einschätzungen könnten auch für die deutsche Berufung ins Richteramt zu denken geben. So wird man hierzulande nach angloamerikanischen Maßstäben unglaublich jung in die Amtstracht gehüllt. Williams hingegen meint, dass die früher mit obskuren Gestalten reich gesegnete britische Richterschaft an Qualität deutlich gewonnen habe, weil man heutzutage nur noch Juristen ins Richteramt einsetzte, die sich bereits als Anwälte bewährt hätten und vor ihrer Berufung sorgfältigen Anhörungen durch fachkundige Kollegen standhielten. Schlechte, das waren in der britischen Geschichte nicht selten die allzu jung berufenen Richter.

Soll man "schlechte Richter" suchen?

Diesem fremdländischen Kriterium anwaltlicher Berufserfahrung nicht zu genügen, muss deutsche Laufbahnrichter nicht bekümmern, wie ein Blick in die sehr lebendige US-amerikanische Publizistik über "Bad Judges" zeigt. Bei den jüngsten Richterwahlen in New York City attestierte beispielsweise die Anwaltsvereinigung rund der Hälfte der gewählten Richterinnen und Richter, für ihr Amt qualifiziert zu sein. Und eben dieser Hälfte sprechen Polizeivertreter seither die Qualifikation ab, weil sie bei den Beschuldigtenrechten zu formal oder zu liberal sei. Freundlichere Beobachter der US-amerikanischen Judikative sehen in der Berufung von Bundesrichtern auf Lebenszeit und in der fehlenden Amtshaftung eine Hauptquelle für "Bad Judges".

Für die biografische Literatur über deutsche Richter stellt sich das Problem einstweilen gar nicht. Williams skizziert auf heitere Weise britische Justizschrullen, die US-amerikanische Presse nimmt sich ihrer tief politisierten Richterschaft natürlich auch mit Spitzen gegen die einzelnen Persönlichkeiten an.

Hierzulande geht das vorläufig schlecht. Nicht allein, dass der britische oder amerikanische Kult um die Richterpersönlichkeiten inszenatorische Vorteile hat. In Deutschland wird man insoweit eher auf die Anwälte schauen. Aber die deutschen Richterbiografien, die vom historischen für heitere Skizzen von britischem Format in Frage kämen, kommen es aus historischen Gründen nicht: Niemand wird sich z.B. mit den faustischen und komischen Seiten eines Erwin Bumke befassen wollen, seines Zeichens letzter Präsident des Reichsgerichts, wenn seine Tätigkeit zwischen 1933 und 1945 alle Freundlichkeit vernichtet.

Über "Bad Judges" heiter schreiben können? Vielleicht packen sie ja alle eines Tages aus: Ein Verfassungsrichter, der davon erzählt, wie er oder seine Kollegen überhaupt zu ihrem Amt gekommen sind. Peter Müller, RiBVerfG, war ja schon als Bundesratspolitiker bemerkenswert redselig. Man darf vielleicht hoffen. Oder vielleicht findet sich eines Tages ein grobianischer BGH-Senatsvorsitzender, der mehr als schamhafte Memoiren zu schreiben weiß, stattdessen ein Bild von Netzwerken und subtilen Spielregeln gibt, vor dessen Hintergrund sich auch "Bad Judges" als Gegenbild zeichnen lassen.

Aber die Republik wird wohl noch ein wenig älter werden müssen, um davon zu hören.

Literatur aus der perückentragenden Monarchie: "A short book of Bad Judges" von Graeme Williams, QC. Wildy, Simmonds & Hill Publishing, London 2013, 978-0854901418, XII + 77 Seiten, circa 12 Euro.

Der Autor Martin Rath arbeitet als freier Lektor und Journalist in Köln.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Juristenbiografien: . In: Legal Tribune Online, 02.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11202 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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