Menschen, die öffentlich Selbstgespräche zu führen scheinen, müssen nicht verrückt sein. Es kann ja ein Freisprech-Apparat dahinterstecken. Kaum hat man sich daran gewöhnt, droht die nächste Mode-Torheit: Zum heutigen "Weltlachtag" wird zu einem unmotivierten 3-Minuten-Lachen aufgerufen. Martin Rath versucht, mit etwas juristischem Ernst dagegen anzukommen.
Unter Juristen findet sich ein bisweilen recht ernüchterndes Verhältnis zum Humor, der als Auslöser von Lachen gilt. Im "Münchener Handbuch für Strafverteidigung" (1. Auflage, 2006) gibt etwa Thilo von Trotha unter dem zunächst beunruhigenden Titel "Auch im Gerichtssaal gilt: Humor ist nicht verboten!" das folgende Beispiel für forensischen Witz: "Wenn der Zeuge der Anklage Malermeister wäre und eine Kirchenuhr streichen müsste, würde ihm der Stundenzeiger den Pinsel aus der Hand schlagen."
Mag sein, dass darüber jemand lacht. Auch wenn es schwerfällt, das zu glauben. Man darf sich also vom juristischen Verhältnis zu Humor, Witz und Lachen etwas Ernüchterung versprechen. Versuchen wir es hier mit Juristischem zum Lachen.
Die Yoga-Lachbewegung
Denn das leichte Gefühl der Bedrohung, es könnte eine neue Mode-Torheit aufs Abendland zukommen, ist nicht ganz aus der Luft gegriffen. Vielleicht gibt es ja irgendwo in der rabenschwarz katholischen Provinz noch eine Volkshochschule, die Gymnastikkurse ohne angeblich asiatische sogenannte Spiritualität anbietet. In der Großstadt geht Gymnastik gar nicht mehr ohne Yoga. Die von einer indischen "Yoga-Lachbewegung" ausgehende Forderung, die Menschheit möge an jedem ersten Sonntag im Mai – 14 Uhr deutscher Ortszeit – in ein dreiminütiges Lachen verfallen, fällt dort auf fruchtbaren Boden. Immerhin liegen ja schon Millionen Menschen ebenerdig und verrenken sich yogisch.
Starke Zweifel daran, dass Lachen – wie für den heutigen "Weltlachtag" gefordert – zum Weltfrieden beiträgt, lässt eine erste Begebenheit aus dem Gerichtssaal vermuten: "Das Auto brannte, und mein Mann verbrannte im Inneren", sagte die Witwe eines spanischen Kommunalpolitikers am 2. November 2011 im Prozess gegen Javier García Gaztelu, den vormaligen Chef der baskischen Mafia- und Terrorvereinigung ETA. Das Lächeln des Angeklagten während dieser Aussage quittierte Richterin Ángela Murillo mit den Worten: "Arme Frau ... und obendrein lachen diese Scheißkerle noch." Der Kommentar führte zum Ausscheiden der Richterin aus dem Prozess – der Juristin war nicht bewusst, dass ihr Mikrophon den Gedanken laut machte.
Spott erdulden wie ein Durchschnittsmensch
Während die öffentliche Reaktion auf die unverhofft hörbare Äußerung der spanischen Richterin sich mit einem "dumm, aber sympathisch" zusammenfassen ließe, zeigen sich anderenorts stärkere Ambivalenzen juristischer Lachkultur.
Zum unsterblichen Legendenschatz vermutlich nicht nur der juristischen Fakultät zu Köln zählt die Anekdote vom Jura-Professor, der während des mündlichen Staatsexamens Papierflieger bastelte, um sie auf einen schwachen Kandidaten mit den Worten zu werfen: "Und ihr Flugzeug fliegt jetzt genauso ab …".
Anfangssemester hört man über solche Geschichten noch nervös lachen, bis sie mit Fällen aus dem wahren Leben konfrontiert werden. Mit Urteil vom 17. Oktober 2000 hatte sich das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) beispielsweise mit der Menschenwürde bei der Bundeswehr zu befassen. Soldaten waren wegen eines "Aufnahmerituals" gemaßregelt worden. Der Initiant hatte bis zum Erbrechen mit Tabasco gefüllte Kekse und hochprozentige Alkoholika zu sich nehmen müssen. Zwei Soldaten hatten diesen "Prüfling" derweil mit Bierdeckeln beworfen, was vom Truppendienstgericht – weil keine Körperverletzung vorlag – milde gewertet wurde. Im Verhalten der "Prüfer", sich über den Initianden "einen Spaß zu machen, über ihn zu lachen und ihn damit vor den Anwesenden der Lächerlichkeit preiszugeben" sah das BVerwG dagegen auch ohne Körperverletzung eine zu sanktionierende Tat (Az. 2 WD 12/00, 13/00).
Nicht durch die Kölner Papierflieger-Legende zum Lachen in Staatsexamen und anderen Aufnahmeritualen sensibilisiert zeigte sich hingegen das Verwaltungsgericht Köln (Urt. v. 14.08.2008, Az. 6 K 1219/07) im Fall eines Lehramtskandidaten, dessen Prüferinnen "kurz nach Beginn der unterrichtspraktischen Prüfung im Fach Englisch miteinander geredet" hatten, woraufhin ihn eine der beiden "zusätzlich 'eindringlich' angesehen und 'herzhaft gelacht'" habe.
Im Fall des Lehramtskandidaten urteilten die Richter, dass zwar kein Prüfling ein "ihn der Lächerlichkeit preisgebendes Prüfverhalten" zu dulden brauche. "Ein Prüfer, der Prüfungsleistungen durch (Aus-)Lachen sarkastisch, spöttisch, höhnisch oder in ähnlich herabsetzender Form" kommentiere, verletzte das Gebot der Fairness. Ob sich aber der Prüfling verletzt fühlen dürfe, kommt darauf an, ob sich auch "ein durchschnittlicher, nicht übermäßig empfindlicher Kandidat in der konkreten Situation des Prüflings durch die gerügten Verhaltensweisen irritiert fühlen durfte".
Die Eigenschaften solch virtueller "durchschnittlicher" Menschen ermitteln Richter vermutlich oft durch Introspektion – womöglich ein böser Witz: Das Erduldenmüssen des Rechtsuchenden hängt dann vom biografischen Erduldenkönnen des Richters ab.
Martin Rath, Humor und Witz unter Juristen: . In: Legal Tribune Online, 05.05.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8662 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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