Rap-Songs betreffen neben rivalisierenden Rappern oft Politiker oder Polizisten. Die Justiz, etwa Richter oder Staatsanwälte, kommt dagegen selten vor. Einen vorsichtigen Blick in einige deutschsprachige Texte wagt Eike Fesefeldt.
Die Kunstfreiheit, verankert in Art. 5 Abs. 2 Grundgesetz (GG), gehört zu den am stärksten geschützten Grundfreiheiten des GG und wird vom Bundesverfassungsgericht als wesentlich für die demokratische Grundordnung angesehen. Dieser hohe Schutz kommt nicht zuletzt so manchem Hip-Hop-Musiker zugute. Eine staatliche Zensur ist in den wenigsten Fällen zu befürchten.
Fast schon ein wenig geehrt werden sich manche Juristinnen und Juristen fühlen, dass auch ihr Berufsstand einen kleinen Platz in Hip-Hop-Texten gefunden hat. Einige Songs beruhen darauf, dass ihre Interpreten bereits Erfahrungen im Gerichtssaal gesammelt haben.
Ein gutes Beispiel ist ein bekannter Fernsehmoderater und ehemaliger Schöffe am Amtsgericht Köln, der unter dem Künstlernamen P0L1Z1STENS0HN (zusammen mit Justice) in "Recht kommt (K.O. in KA)" rechtliche Themen verarbeitete. Diese hatte ein satirisches Gedicht über den türkischen Präsidenten vorgetragen, was sowohl straf- wie auch zivilrechtliche Prozesse und entsprechendes Medienecho nach sich zog. Ein kleines Auszug aus dem Text:
"Jurasohn gibt Schelle, Attacke, Anwaltarmee
Schriftsätze ballern wie Fahrradkette in die Fresse
Und deine blutet, auf Titelseite Lügenpresse."
Auch Danger Dan, Mitglied der Band "Antilopen Gang", klärt den geneigten Hörer in seinem neuen Lied "Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt" über von ihm offenbar gemachte Erfahrungen mit den juristischen Grenzen und Freiheiten des künstlerischen Ausdrucks auf:
"Juristisch wär’ die Grauzone erreicht
Doch vor Gericht machte ich es mir wieder leicht
Zeig mich an und ich öffne einen Sekt
Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt."
Das gleichnamige Album ging Anfang Juli 2021 sogar auf Platz Eins der deutschen Charts.
Mit staatlichen Mitteln - Rivalen vernichten
Über das für das lyrische Ich attraktive deutsche Rechtssystem ("Kommt schon, ich hab’ die Regeln nicht gemacht/ Nur ausgelegt wie's mir passt ohne den Nächstenlieben-Quatsch") rappt auch Alligatoah in seinem Lied "Vor Gericht". Treffend beschreibt er in dem Lied den jedem Zivilrichter bekannten Menschentypus des querulatorischen Rechthabers:
"Hab ich ein schlechten Tag
Wird jeder, der mir in die Quere kommt, wegverklagt
Kriegst du ganz salopp
Von meinem Anwalt Post."
Dieser Typus Mensch weiß genau, dass er keine Selbstjustiz anwenden muss, um seinen Gegner zu bezwingen: "Gewalt ist zum Zerstören nicht erforderlich (…) Ich kann mit staatlichen Mitteln Rivalen vernichten".
Alligatoah hat nicht Jura studiert. Das wundert umso mehr, als dass er im Lied "Im Namen des Gesetzes" recht detailliert eine strafrechtliche Hauptverhandlung beschreibt. Das Lied beginnt mit dem Aufruf zur Sache ("Ruhe im Gerichtssaal! Wir entscheiden heute über das Schicksal"), über die Anklageverlesung ("Hohes Gericht, dem Angeklagten / Wird vorgeworfen, Verbrechen begangen zu haben"), Einlassung des Anklagten zur Sache ("Hehe, ein Wunder, dass ich noch nicht vor Lachen den Tod fand / Das kann ja jeder sein, da auf dem Tonband"), einer Zeugenvernehmung ("Ich natürlich gleich zu den Bullen gerannt"), einem letzten Wort und endet schließlich mit einem (Fehl-)Urteil ("Der Mann scheint harmlos und die Beweise sind gleichzusetzen / Es bleibt mir nichts andres übrig, als ihn freizusprechen").
Einmal von A bis Z durch das StGB
Zumindest einmal ein Jurastudium in Mainz aufgenommen, aber mittlerweile das Langzeitstudentendasein aufgegeben hat der deutsche Hip-Hop-Star Kollegah. Fünf seiner acht Alben sind bislang bis auf Platz Eins der deutschen Albumcharts gegangen. Ob ihn das Studium des Schuld-, Bau oder Kommunalrechts geprägt hat, lässt sich an seinen Texten aber nicht wirklich erkennen.
Schon in einem Frühwerk namens Chinatown stellt er klar:
"Ich geh' die Gassen der Vorstadt entlang
Wende mit vorgehaltener Gun rohe Gewalt an
Scheiß' auf die Staatsanwaltschaft, kein Staatsanwalt schafft
Es, dass mich die Polizei in 'ne Strafanstalt packt."
Sein Lied "Gerichtsverhandlung" dürfte vermutlich von den strafrechtlichen Hauptverhandlungen inspiriert worden sein, die gegen ihn wegen Körperverletzungen liefen.
Er rappt: "Ihm werden schwere Tatvorwürfe gemacht, laut der Polizei habe er sich einmal von A bis Z durch die, durch, durch das Strafgesetzbuch gewütet, du Kek". In dem Lied beschreibt er jedoch eine Vorführung beim Haftrichter. Nachdem der Angeklagte in den Saal kommt ("Ein Beamter in schwarz nimmt mir die Handschellen ab"), Kollegah mit der Urkundsbeamtin flirtet ("Die Gerichtsschreiberin wird, nachdem ich ihr einmal nonchalant zulächle, rot") und der Staatsanwalt ausführlich die Haftgründe aufzählt ("Er muss in U-Haft bleiben, sonst gibt's wieder Drive-by-Schüsse"), wird er nach einem Seitenhieb gegen den Haftrichter von diesem in die Untersuchungshaft verwiesen.
Kugeln für den Staatsanwalt
Auch Schwester Ewa verarbeitet im Lied "Free Ewa" ihre kriminelle Vergangenheit ("Und auch wenn die Handschelle jetzt klick macht"). Die Rapperin wurde im Juni 2017 vom Landgericht Frankfurt am Main wegen 35-facher Körperverletzung, Steuerhinterziehung und Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Mittlerweile ist sie, nachdem sie zwei Drittel der Haftstrafe verbüßt hatte, aus dem Gefängnis entlassen worden. Gleich im Refrain des Liedes heißt es etwa:
Eine Kugel für den Staatsanwalt geht (pow, pow)
(…)
Eine Kugel für den Richter geht (rah, rah)
(…)
Eine Kugel für den Staatsanwalt geht (wouh).
Pizza für den Richter
Die oben angeführten Lieder sind anscheinend alle von der Kunstfreiheit gedeckt, wie Danger Dan sagen würde. Vielleicht könnte man mittlerweile auch von der "Rapfreiheit" sprechen.
Danger Dan bzw. seine Band Antilopen Gang klären in ihrem Hit "Pizza" übrigens auf, wie man sich am besten vor Gericht verhält. In dem Lied weiß sein Bandkollege Panik Panzer wohl aus sicherer Quelle, dass man einen Richter am besten mit Pizza besticht:
"Wenn sie dich erwischt hab'n, du sitzt im Gerichtssaal
Vergiss nicht: den Richter besticht man mit Pizza!".
Aus ebenfalls sicherer Quelle ist zu erfahren, dass die Pizza mindestens mit Salami oder Thunfisch belegt sein sollte.
Der Autor Dr. Eike Fesefeldt arbeitet als Staatsanwalt.
Die Justiz in Hip-Hop-Texten: . In: Legal Tribune Online, 24.07.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45555 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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