Streit um erste Tax Law Clinic Deutschlands

"Wir werden keine Ord­nungs­wid­rig­keit begehen"

von Marcel SchneiderLesedauer: 3 Minuten

In Hannover wollen Studenten unter Aufsicht in Steuersachen beraten, um Praxiserfahrung zu sammeln. Ob das zulässig ist, sollte das FG Niedersachsen klären. Hat es aber nicht – obwohl sich Kläger und Beklagte in einer Sache einig sind.

Es muss eine Entscheidung her. Das sehen der Verein zur Förderung der Steuerrechtswissenschaft an der Leibniz Universität Hannover (VFS) und das Finanzamt Hannover-Nord ganz ähnlich. Es geht in diesem Streit um die erste Tax Law Clinic Deutschlands, an der Studenten – wie bei einer Law Clinic üblich – unter Aufsicht von Fachleuten in diversen Rechtsgebieten beraten, um Gutes zu tun und dabei Praxiserfahrung zu sammeln.

Doch während deutschlandweit verschiedenste Law Clinics seit Jahren praktizieren, hat die in Hannover ein Problem mit ihrer Materie, dem Steuerrecht. Zwar gestattet § 6 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) unentgeltliche Rechtsdienstleistungen, womit für Law Clinics außerhalb des Steuerrechts der Weg frei ist. Für die Hannoveraner gilt aber auch § 2 Steuerberatungsgesetz (StBerG). Danach kann die Hilfeleistung in Steuersachen geschäftsmäßig nur von Personen und Vereinigungen ausgeübt werden, die dazu befugt sind, also zum Beispiel Steuerberater oder Rechtsanwälte, nicht aber Studenten. Um eben diese Geschäftsmäßigkeit dreht sich der Streit, wenn Studenten in Steuersachen beraten sollen.

Der VFS, der die Tax Law Clinic in Hannover initiiert hat, ist sich dieser Problematik durchaus bewusst und hatte entsprechend von langer Hand geplant, bevor er schließlich dem zuständigen Finanzamt Hannover-Nord anzeigte, zum Wintersemester 2018/2019 mit der Tax Law Clinic starten zu wollen. Das hielt eine solche Tätigkeit Ende vergangenen Jahres für unzulässig und untersagte den Betrieb, womit der Verein rechnete und entsprechend vor dem niedersächsischen Finanzgericht (FG) klagte. Nun kam es zu einem Urteil (v. 25.07.2019, Az. 6 K 298/18) – das die grundsätzliche Frage, ob eine Tax Law Clinic nun zulässig ist oder nicht, jedoch nicht beantwortete.

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Keine Ordnungswidrigkeit, keine Entscheidung in der Sache

Die Finanzrichter nämlich hielten die Klage schon für unzulässig und hatten damit in der Sache nicht mehr zu entscheiden. Eine Klage, so das FG, müsse sich nämlich auf ein bestehendes Rechtsverhältnis beziehen. Die Ausnahmevoraussetzungen für den Fall, dass eine Klage im Bezug auf ein zukünftiges Rechtsverhältnis zulässig ist, seien in diesem Fall nicht gegeben, wie ein Gerichtssprecher auf Anfrage von LTO bestätigte.

Der VFS, der im Vorfeld seines Vorhabens etwa auch das niedersächsische Finanzministerium und die Steuerberaterkammer um ihre Einschätzungen bat und Wert darauf legte, stets mit offenen Karten zu spielen, war am Ende also nicht frech genug, wenn man so will. Denn um eine Entscheidung in der Sache zu erzwingen, hätte er die Tax Law Clinic ihre Tätigkeit trotz der Untersagung durch das Finanzamt aufnehmen lassen müssen, um so gegen geltendes Recht zu verstoßen und eine Ordnungswidrigkeit zu begehen. Nur dann hätte es auch ein Feststellungsinteresse gegeben.

Ein solches durch rechtswidriges Verhalten zu provozieren, kommt für Dr. Thomas Kess, Vorstandsvorsitzender des VFS und selbst Finanzrichter, nicht in Frage: "Wir werden keine Ordnungswidrigkeit begehen, nur um eine Entscheidung in der Sache zu provozieren. Deshalb haben wir im Vorstand beschlossen, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesfinanzhof einzulegen". Kess, der sich von der FG-Entscheidung überrascht wie enttäuscht zeigte, schätzte die Chancen im Gespräch mit LTO nicht schlecht ein: "Wir stützen die Nichtzulassungsbeschwerde darauf, dass es uns nicht zumutbar sein kann, sehenden Auges erst einmal gegen geltendes Recht verstoßen zu müssen, damit endlich entschieden wird."

Das sieht das beklagte Finanzamt übrigens genauso. Im Schriftverkehr mit dem Gericht hat es sich in einer Stellungnahme in diesem Aspekt auf die Seite des klagenden VFS geschlagen. Auch nach Auffassung der Behörde könne man von den Hannoveranern nämlich nicht erwarten, durch Aufnahme der Law-Clinic-Tätigkeit trotz Untersagung Bußgelder und - im Falle der verantwortlichen Vereinsmitglieder - womöglich sogar dienstrechtliche Konsequenzen zu riskieren.

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