Ab April in Sachsen-Anhalt

Das zweite Examen am Com­puter

von Marcel SchneiderLesedauer: 3 Minuten

Als erstes deutsches Bundesland bietet Sachsen-Anhalt das E-Examen an. Obwohl sie die Wahl hatten, legen im April fast alle Referendare des aktuellen Durchgangs die Prüfungen am Laptop ab.

Nach diversen Testläufen wird es ab diesem Montag ernst: In Sachsen-Anhalt haben die Referendare des aktuellen Examensdurchgangs die Wahl, die schriftlichen Arbeiten der zweiten juristischen Prüfung entweder klassisch per Hand aufs Papier zu bringen oder diese am Computer zu schreiben. Auf LTO-Anfrage teilte das Landesjustizministerium mit, dass sich das Gros der Kandidaten dazu entschieden habe, die neue Möglichkeit zu nutzen. So fertigten nur noch drei von insgesamt 45 Teilnehmern des aktuellen Durchgangs die Klausuren handschriftlich an, hieß es.

Voll elektronisiert ist der Prüfungsvorgang aber noch nicht. Die am Laptop geschriebenen Klausuren werden auf ein Speichermedium übertragen und für die Korrektur ausgedruckt. Auch die prüfungszugelassenen Hilfsmittel wie Kommentare wird es erst einmal noch in analoger Form geben, weil dafür zum Beispiel zusätzliche Bildschirme nötig wären. Erst einmal gibt es für jeden Prüfling nur einen Laptop. Die sogenannte vollelektronische Prüfung einschließlich der Korrektur am Computer ist das langfristig angepeilte Ziel.

Die Referendare schreiben in einem Raum der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Da dieser maximal 75 Prüflingen Platz bietet, wird es noch etwas dauern, bis auch die Klausuren des staatlichen Teils des ersten Examens am Laptop abgelegt werden können. Dafür bräuchte es nach Angaben des Landesjustizministeriums etwa 200 Arbeitsplätze pro Durchgang. Außerdem, so der Sprecher des Ministeriums, müssten Jurastudenten im universitären Übungsbetrieb langsam an die elektronische Anfertigung von Klausuren gewöhnt werden, um sich mit der Möglichkeit überhaupt vertraut zu machen.

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Rechtsprofessor und Ausbildungsforscher: "Klausuren werden nicht länger"

Dass sich das E-Examen in Deutschland eher schleppend durchsetzt, während etwa die Anwaltsprüfung in den USA schon seit geraumer Zeit am Computer abgelegt wird, hat mehrere Gründe. Zum einen recht praktische: Die Landesjustizprüfungsämter verweisen auf die - in der Tat - nicht unerheblichen Kosten, die die flächendeckene Einführung mit sich brächte. Auch Platzprobleme sind ein Hindernis, gerade in den bevölkerungsreicheren Bundesländern, in deren OLG-Bezirken aufgrund hoher Studentenzahlen beinahe monatlich geprüft wird. In den kleineren Bundesländern gestaltet sich das schon etwas unkomplizierter.

Doch auch an an der elektronischen Prüfungsmethode selbst gibt es Kritik. So etwa, dass Prüfer künftig ausführlichere Klausuren erwarten könnten, weil das Schreiben am Laptop die Textgestaltung erleichtert und Schreibgeschwindigkeit erhöht. Wer sich dann dafür entscheide, handschriftlich zu schreiben, habe das Nachsehen. Solche Bedenken kann Michael Beurskens, Professor für Zivilrecht an der Universität Passau, allerdings nicht teilen: "Es ist ein Irrglaube, dass man in Jura-Klausuren 'mehr' schreiben würde, wenn man 'mehr Zeit' hat." In Zeitnot gerieten die Prüflinge nicht, weil sie zu langsam schrieben, sondern weil sie zu viel schreiben wollten. Laut Beurskens, der unter anderem zur Nutzung neuer Medien in der Juristenausbildung forscht, hätten deutschlandweite Erfahrungen gezeigt, dass PC-Klausuren nicht automatisch länger würden.

"Die spannendere - aber empirisch kaum zu erforschende - Frage ist doch, ob die Texte 'besser' werden, weil mehr an den Formulierungen gefeilt wird", sagt Beurskens. Seiner Meinung nach kommt es nicht darauf an, besonders schnell zu tippen. Den Vorteil des E-Examens sieht er woanders: "Ich denke, der wahre Trick ist es, gut mit der Copy-Paste-Funktion umgehen zu können, und Textblöcke schnell neu anzuordnen. Es ist teilweise beeindruckend, dass Kandidaten mit einer Hand tippen und mit der anderen im Gesetz blättern. Da geht es nicht um Anschläge pro Minute, sondern schnelles 'Remixen'."

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