Corona und Auslandsstation

Refe­ren­darin klagt sich nach Namibia

von Dr. Markus SehlLesedauer: 4 Minuten

Die für die Ausbildung zuständigen OLG haben wenig in der Hand, um Referendaren die Zuweisung zur Auslandswahlstation wegen der Coronakrise zu verweigern. VG und OVG in Schleswig-Holstein machten einer Referendarin den Weg frei nach Windhoek.

Mit zwei Gerichtsentscheidungen hat sich eine Referendarin aus Schleswig-Holstein ihre Auslandsstation in Namibia erstritten – trotz Corona. Sie war vor dem Verwaltungsgericht (VG) Schleswig-Holstein (Beschl. v. 09.11.2020, Az. 12 B 80/20) sowie vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) des Bundeslandes erfolgreich (Beschl. v. 22.12.2020, Az. 2 MB 43/20) und hat ihre Station bei der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Windhoek angetreten. 

Als Lojain Al Holu sich im September 2020 um eine Zuweisung zu ihrer Wunsch-Auslandsstation bemühte, lehnte das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig das ab. Das für die Ausbildung zuständige Gericht begründete die Ablehnung damit, dass für Namibia wegen der Corona-Pandemie eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes (AA) für "nicht notwendige touristische Reisen" bestehe, eine Zuweisung könne nicht stattfinden. 

Dagegen wehrte sich die Referendarin. Es handele sich eben nicht um eine "nicht notwendige touristische Reise" im Sinne der Reisewarnung. "Für mich ist das die wichtigste Station meines ganzen Referendariats", erklärt Al Holu gegenüber LTO. "Ich strebe eine Karriere in der internationalen Zusammenarbeit an, das war meine wichtigste Chance, weil das Jurastudium dafür auch nicht viele Erfahrungsmöglichkeiten anbietet." Sie habe sich mit einem Jahr Vorlauf um die Station in Namibia gekümmert. 

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OLG befürchtet Verwaltungsmehraufwand 

Vor dem VG argumentierte sie, dass das AA trotz Reisewarnungen selbst noch Wahlstationen in Auslandsvertretungen in Afrika anböte. Zudem sei die Lage in Namibia stabil und das Land verfüge über eine mit deutschen Standards vergleichbare medizinische Versorgung. Darüber hinaus bestehe bei ihr mangels Vorerkrankungen keine erhöhte gesundheitliche Gefahr. Im Falle eines Lockdowns vor Ort sei die Arbeit vom Home-Office aus gewährleistet. Sie bat daher um Zuweisung auf eigene Verantwortung und eigenes Risiko. Auch nach der Rückkehr sei genügend Zeit, um Quarantäne und Test zu durchlaufen, ohne den Betriebsablauf des Referendariats dadurch zu stören. Sie könne dafür außerdem Erholungsurlaub nehmen. 

Die Verwaltung weigerte sich aber weiterhin, Al Holu zuzuweisen, sie befürchtete unter anderem Mehraufwand bei der Organisation des Referendariats. 

Als das AA dann Mitte Oktober seine Reisewarnung für Namibia aufhob, lenkte das OLG schließlich ein. Es behielt sich aber vor, bei einer erneuten Reisewarnung die Überweisung der Referendarin wieder zurückzuziehen. Damit wollte sich die Al Holu aber nicht abfinden und beantragte eine vorbehaltlose Zuweisung. Ihr ging es damals auch um die grundsätzliche Frage, so erzählt sie heute.  

Keine Berufung auf die Fürsorgepflicht für Referendare 

Das VG sah eine eilige Entscheidung angezeigt, weil der Referendarin die Planung und Vorfinanzierung ihres Auslandsaufenthalts rund um Visum, Flugbuchung, der Suche nach einer Unterkunft, etc. nicht zuzumuten sei, solange im Raum stehe, dass im Falle einer - jederzeit denkbaren - erneuten Reisewarnung durch das Auswärtige Amt ein Widerruf der Überweisung erfolgen könnte. 

Außerdem habe sie auch einen Anspruch darauf, vorbehaltlos in die von ihr gewünschte Wahlstation überwiesen zu werden. In den Ausführungen des Gerichts wird deutlich: Die einschlägigen Vorschriften in der Ausbildungsverordnung lassen in ihrer geltenden Fassung keine Berücksichtigung des Pandemiegeschehens bei der Zuweisung zur Auslandsstation zu. Auch im Rahmen des behördlichen Ermessens sieht das VG wenig Raum für entsprechende Erwägungen. 

Insbesondere seien die vom OLG angestellte Erwägungen von dem Ziel, das Infektionsgeschehen in Deutschland einzudämmen, nicht umfasst. Auch interne Vorschriften zu Dienstreisen in der Coronakrise entfalteten keine Wirkung für Referendare und ihre Wünsche für die Wahlstation - denn die sind keine Beschäftigten der Justizverwaltung.  

Auch eine Berufung auf die Fürsorgepflicht des OLG für seine Referendarin überzeugte das VG nicht. In dem Beschluss heißt es dazu: "Zudem ist ausgesprochen zweifelhaft, ob die Untersagung eines Auslandsaufenthalts bei der gegenwärtigen pandemischen Lage überhaupt ein geeignetes Mittel darstellt, um die individuelle Gesundheit des Referendars zu schützen, da die Gefahr einer Ansteckung innerhalb Deutschlands ebenfalls besteht", so das VG. 

Insgesamt fielen mögliche organisatorischen Erschwernisse nicht maßgeblich ins Gewicht gegenüber dem Interesse der Referendarin an der freien Wahl ihrer Ausbildungsstation. Das OLG legte Beschwerde gegen die Entscheidung ein. Das OVG schloss sich aber im Wesentlichen den Ausführungen des VG an und bestätigte dessen Entscheidung. 

Lübeck nicht gefährlicher als Windhoek 

Zu den Erwägungen einer erhöhten Ansteckungsgefahr in der Auslandsstation setzt das OVG noch einen drauf: "Die Argumentation der Antragsgegnerin ist auch in sich nicht schlüssig. Denn eine Einschränkung für Gebiete innerhalb Deutschlands, die deutlich erhöhte Inzidenzwerte aufweisen, besteht im Gegensatz zu Auslandsstationen nicht. Für Personen, die in ihrem Bundesland verbleiben oder die sich in einem anderen Bundesland mit vergleichbaren oder höheren Inzidenzwerten aufhalten, besteht jedoch eine ebenso hohe oder sogar noch höhere Wahrscheinlichkeit, dass sie sich mit dem Coronavirus infizieren (…)." 

Die Stimmung vor Ort in Windhoek beschreibt Al Holu im Februar am Telefon als entspannt. Einen Lockdown gäbe es nicht, das öffentliche Leben sei nicht lahmgelegt, Restaurants offen, ab 21 Uhr gibt es eine Ausgangssperre. Soweit möglich arbeite sie vom Homeoffice aus, auch wenn die Arbeit im Büro grundsätzlich erlaubt ist.  

"Die Gerichtsentscheidungen haben gezeigt, dass es einfach keine Rechtsgrundlage gibt, um die Zuweisung an die Wahlstation wegen einer Pandemie wie Corona einzuschränken. Das dürfte in allen Bundesländern die gleiche Lage sein." Anderenfalls bräuchte es aus ihrer Sicht dann eine entsprechende Gesetzesänderung, um Rechtssicherheit für alle Referendarinnen und Referendare zu schaffen. 

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