Lieber gewinnen als siegen
Eine der heute bekanntesten Verhandlungstechniken firmiert unter der Bezeichnung "Harvard-Konzept". Diese Verhandlungsmethode geht zurück auf einen Klassiker der Verhandlungsliteratur, das unter dem Original-Titel "Getting To Yes" in den achtziger Jahren erschienene Buch von Roger Fisher, William Ury und Bruce Patton, die dem Harvard Negotiation Project angehören. Diese Forschergruppe der Harvard-Universität beschäftigt sich seit 1983 mit Methoden des Verhandelns und Vermittelns.
"Beim Harvard-Konzept geht es um mehr als eine bloße Technik", schreibt Ulrich Egger, Verhandlungsberater, in seinem Vorwort zum Buch. Die Philosophie des Ansatzes verfolge das Ziel, allen Beteiligten am Verfahren einen Mehrwert zukommen zu lassen. Angestrebt werde eine Win-Win-Situation, bei der ein fairer Interessenausgleich den Zielen aller Beteiligten gerecht und eine klassische Sieger-Verlierer-Situation vermieden werde.
Ein Ansatz des Konzeptes ist die Trennung von Sach- und Beziehungsebene. Eine gute Arbeitsbeziehung ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Verhandlung. Störungen auf Beziehungsebene sollten zuerst gelöst werden, um eine erfolgreiche Einigung in der Sache zu ermöglichen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Konzentration auf Interessen statt auf Positionen: "Je mehr Aufmerksamkeit man den Positionen widmet, umso weniger dringt man zu den dahinter liegenden Problemen der Parteien vor", so die Harvard-Forscher und Autoren von "Getting To Yes". Künftige Übereinkünfte würden damit immer schwerer.
Interessen der Verhandlungspartners erkennen
Das sieht auch Dr. Nadja Dietrich, Wirtschaftsmediatorin und Dozentin des von der DeutschenAnwaltAkademie angebotenen Seminars "Verhandlungskonzepte für die anwaltliche Praxis" so: "Das Hauptaugenmerk bei Verhandlungen sollte neben den formalen Ansprüchen und juristischen Positionen insbesondere auf die dahinter liegenden Bedürfnisse gerichtet werden". Oft wolle der Mandant mehr als nur die Anspruchsdurchsetzung. Ein Blick auf die wirklichen Interessen helfe daher, die Verhandlungen effizient zu führen. Auch die Einbeziehung der gegnerischen Interessen könne helfen, Optionen zu entwickeln, die dem beiderseitigen Vorteil dienen.
Viele Verhandlungstrainings basieren auf diesem Prinzip oder leicht variierenden Grundsätzen. Starr an einem bestimmten Verhandlungskonzept festzuhalten ist allerdings weder sinnvoll noch praktikabel. "Jeder Anwalt muss letztlich seinen eigenen Stil finden und praktizieren, um authentisch zu bleiben", findet Dr. Dietrich.
Übung darin verschafft ein Seminar. "Der Vorteil eines Verhandlungstrainings ist die Möglichkeit, eigene Impulse einzubringen", hebt Dr. Dietrich hervor. Auf diese Weise könne die Verhandlungsmethode an praxisnahen Fällen demonstriert werden. Spezielle Verhandlungstrainings für Juristen gibt es zum Beispiel bei der DeutschenAnwaltAkademie oder bei Managementcircle.
Dass trotz des umfangreichen Wissens zu Verhandlungsdynamik und der Beherrschung entsprechender Techniken Verhandlungen keinen Erfolg bringen, kann man zwar auch damit nicht ganz verhindern. Aber man fühlt sich in vielen Situationen besser gerüstet.
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2010 M07 12
Verhandlungstechnik
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