Trotz Beginn des Gesetzgebungsverfahren zu Syndizi

DRV sieht keine Anhalts­punkte für Ände­rung des Bef­rei­ungs­rechts

von Martin W. HuffLesedauer: 6 Minuten
Gut einen Monat nach Bekanntwerden des Referentenentwurfs des "Gesetzes zur Neureglung des Rechts der Syndikusanwälte" hat das Gesetzgebungsverfahren begonnen; zugleich schreiten auch die Verfahren vor dem BVerfG voran. Die DRV sieht sich dadurch allerdings nicht veranlasst, laufende Beschwerden ruhen zu lassen. Im Gegenteil versucht sie nun, vollendete Tatsachen zu schaffen.

Der nächste große Schritt auf dem Weg zu einer Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte ist jetzt vom Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz gegangen worden. Mit Schreiben vom 30. April 2015 hat das Ministerium den Landesjustizministerien und allen beteiligten Verbänden den Referentenentwurf vom Stand des 26. März 2015 zur Stellungnahme bis zum 15. Mai 2015 übersandt. "Das Gesetz soll möglichst zügig verabschiedet werden. Vor diesem Hintergrund bitte ich um Ihr Verständnis für die kurze Stellungnahmefrist", heißt es in dem Schreiben. Eigentlich war mit einer Zusendung direkt nach Ostern gerechnet worden. Jedoch hatte es wohl in der so genannten Ressortabstimmung, also der Abstimmung unter den Bundesministerien "gehakt", wie zu hören war. Zwar hatten sich das Justiz- und das Arbeits- und Sozialministerium auf den Entwurf geeinigt. Widerstand gab es zunächst aber wohl aus dem Gesundheitsministerium, das in die Übergangsregelungen zum Befreiungsrecht (§ 231 Sozialgesetzbuch VI) auch Bestimmungen für Ärzte und Apotheker aufnehmen wollte, die in Unternehmen tätig sind. Dazu ist es letztendlich nicht gekommen. Der Entwurf ist unverändert geblieben. Jetzt werden die Verbände rasch reagieren und ihre Stellungnahmen abgeben. So hat die Bundesrechtsanwaltskammer für den 11. Mai 2015 eine außerordentliche Präsidentenkonferenz einberufen, auf der die Stellungnahme verabschiedet werden soll. Mitte April 2015 hatte die Hauptversammlung der BRAK mit großer Mehrheit entschieden, sich aktiv an dem Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen und damit ihre bisherige Haltung geändert. Parallel zum Gesetzgebungsverfahren geht es auch in der justiziellen Aufarbeitung der Urteile des Bundessozialgerichts (BSG), welche vor gut einem Jahr den Syndizi die Befreiung von der Rentenversicherung versagt hatten, weiter. In den beiden Verfassungsbeschwerden (Az. 1 BvR 2534 und 2584/14), welche gegen diese Entscheidungen anhängig sind, lief die Frist zur Stellungnahme gegenüber dem Bundesverfassungsgericht am 30. April 2015 ab.

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Deutsche Rentenversicherung Bund will Tatsachen schaffen

Obwohl die vom BSG geschaffene Lage also von mehreren Seiten unter Beschuss steht und der (noch) geltende Zustand kaum unverändert fortdauern wird, sieht die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) sich offensichtlich nicht veranlasst, zunächst die weiteren Entwicklungen abzuwarten. Im Gegenteil scheint sie nun bestreibt zu sein, ihre harte Linie gegenüber den Syndikusanwälten in möglichst vielen Fällen rasch durchzusetzen. Zum einen versendet die DRV zurzeit flächendeckend Widerspruchsbescheide in Verfahren, die zum Teil seit gut zwei Jahren anhängig sind, und von denen sie zunächst selber oftmals erklärt hatte, sie würden bis zu einer "Auswertung der Urteile des BSG vom 3. April 2014 zurückstellt". Oftmals hatten die Betroffenen nur Widerspruch ohne Begründung eingelegt und das Ruhen des Verfahrens beantragt. Nunmehr erhalten sie – ohne vorherige Frist zur Stellungnahme – allesamt gleichlautende Widerspruchsbescheide, in denen sich vielfach mit den individuellen Vorträgen nicht auseinandergesetzt wird. Dies führt dazu, dass eine Flut von Klagen bei den Sozialgerichten erhoben wird, damit Betroffenen ihre Rechte wahren können. Dies besonders auch deshalb, weil die Übergangsregelungen des neuen Gesetzes nur bei nicht bestandskräftigen Verfahren greifen sollen. Auch in zum Teil seit Jahren laufenden Gerichtverfahren verweigert die DRV ihre weitere – nach dem Sozialgerichtsgesetz erforderliche – Zustimmung zum Ruhen der Verfahren. Manche Sozialgerichte reagieren darauf auf ihre Weise. So hat der 3. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen jetzt einen Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben mit dem Hinweis auf die geplanten Übergangsregelungen. Eine Vorgehensweise, die auf die Zustimmung der Kläger trifft und die finanziellen Interessen der DRV nicht berührt. Denn diese erhält zurzeit die Sozialversicherungsbeiträge, das Ruhen geht also höchstens zu Lasten der Betroffenen.

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2/2: DRV: Anhaltspunkte für Änderungen des Befreiungsrechts fehlen

In einer schriftlichen Stellungnahme an den Autor sieht die DRV auch weiterhin keine Notwendigkeit, nunmehr ein Moratorium zu erlassen, um die weiteren Entwicklungen abzuwarten. Zu den anhängigen Verfassungsbeschwerden schreibt sie etwa: "Die bereits für dieses Jahr avisierte Entscheidung könnte ebenso dahingehend interpretiert werden, dass das Gericht offenkundig nicht von einer Grundrechtsverletzung ausgeht und insofern weitergehende Ermittlungen oder Sachverständigengutachten für entbehrlich hält". Eine interessante Auslegung der Ankündigung des 1. Senats des Gerichts. Zusammenfassend geht meint die DRV lapidar: "Damit fehlen im Ergebnis nach wie vor hinreichend konkrete Anhaltspunkte, ob und in welcher Form das gegenwärtig geltende Befreiungsrecht abgeändert wird." Daher sei ein Ruhen der Verfahren nicht möglich. Diese Praxis gilt auch für das Verhalten gegenüber Fortgeltungsanträgen. Diese Anträge waren von einer Vielzahl von Syndikusanwälten gestellt worden, die von ihren Arbeitgebern aufgrund der Veröffentlichung der DRV vom 12. Dezember 2014 mit Wirkung zum 1. April 2015 vom Versorgungswerk zur gesetzlichen Rentenversicherung umgemeldet wurden. Hier ergehen – trotz Antrags auf Ruhen – Bescheide über "Befreiungsanträge", die gar nicht gestellt wurden. Auch Beweisangebote werden oft nicht berücksichtigt, stattdessen wird einfach entschieden. Zum Teil gibt es erstaunliche Begründungen in den Bescheiden. So etwa bei einem Rechtsanwalt, der seit 1993 in einem Unternehmen tätig ist, bei seinem Wechsel vor über 20 Jahren aber keine neue Befreiung beantragt hatte. Sein alter Bescheid war – nachweisbar – Bestandteil mehrerer Betriebsprüfungen der DRV und nie beanstandet worden. Einen Vertrauensschutz lehnt die Behörde jetzt mit dem Argument ab, in ihren Unterlagen sei nichts vermerkt. Bisher ist es allerdings in Betriebsprüfungen so, dass nur negative Feststellungen, die also zu einer Nachberechnung führen oder die für die Zukunft zu ändern sind, in den Bescheiden festgehalten werden. Es ist schon bemerkenswert, dass die Behörde nicht bereit ist, zu ihrer eigenen Praxis der Vergangenheit zu stehen, nämlich auch bei Arbeitgeberwechseln von der einen zur anderen anwaltlichen Tätigkeit keine neue Befreiung zu erteilen. In etlichen Schreiben hat die DRV – noch bis in das Jahr 2009 – diese Vorgehensweise vertreten. Es wäre im Interesse aller, wenn die Behörde nun insoweit einen Vertrauensschutz gewähren würde.

Befreiung für Rechtsanwalt in Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Doch auch heute folgen nicht alle Sozialgerichte dem BSG in seinen Urteilen vom 3. April 2014. Das bayerische LSG  hat in einem dieser Tage veröffentlichten Urteil vom 12. Februar 2015 (Az. L 14 R 775/12) der Klage auf Befreiung eines Rechtsanwalts, der in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft tätig ist, stattgegeben. Die Begründung der Richter geht dahin, dass diese Rechtsanwälte keine Syndikusanwälte seien. Als Rechtsanwälte bei Arbeitgebern, bei denen sie die Mandanten des Arbeitgebers beraten, fielen gerade nicht unter die Urteile des BSG. Denn für die Erbringung der Rechtsdienstleistung gegenüber den Mandanten sei die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und die damit erlaubte Rechtsberatung in Steuerangelegenheiten zwingende Voraussetzung. "Demnach kann im vorliegenden Fall allein wegen der Notwendigkeit einer Zulassung für die konkret ausgeübte Tätigkeit grundsätzlich ein Befreiungsanspruch bejaht werden", schreiben die Richter. Zudem setzen sie sich ausführlich mit der Argumentation des BSG auseinander und folgen ihr an vielen Stellen nicht. Die DRV hat allerdings schon angekündigt, die zugelassene Revision zum BSG einzulegen, weil sie diese Argumentation nicht teilt. Die Auseinandersetzungen gehen also weiter und zeigen einmal mehr, wie dringend notwendig ein gesetzgeberisches Handeln ist. Alle Zeichen deuten darauf, dass dieses erfolgen wird, was das resolute Vorgehen der DRV wenig nachvollziehbar macht. Dies umso mehr, als deren Führungsebene paritätisch besetzt ist. Warum die Arbeitgebervertreter im Vorstand und auch in den Widerspruchsausschüssen bei der aktuellen Lage mitmachen, ist kaum begreiflich. Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt in der Kanzlei LegerlotzLaschet (LLR) in Köln und Lehrbeauftragter für Medienrecht an der Fachhochschule Köln. Er bildet seit langem Pressesprecher der Justiz aus.

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Thema:

Syndikusanwälte

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