Immer der eigenen Nase nach
Freshfields, Lovells, Clifford Chance - alle Großkanzleien haben sie erlebt: Spin-Offs. Ursprünglich verstanden als Ausgliederung einzelner Geschäftsbereiche aus dem Mutterunternehmen, bezeichnet dieser Begriff auch die Abspaltung einzelner Rechtsanwälte aus Großkanzleien.
Die Gründe für einen Spin-Off sind vielfältig. So war es zum Beispiel eine geplante Fusion, die im Jahr 2002 Dr. Jürgen Breitenstein, Partner in der Frankfurter Kanzlei Schmalz Rechtsanwälte, dazu veranlasste, sich mit 16 Kollegen aus einer großen Wirtschaftskanzlei auszugründen. Er lehnte insbesondere das Ansteigen der Kostenquote und die befürchtete Fremdbestimmtheit ab.
Ein häufig genannter Aspekt für eine Ausgründung ist die größere Entscheidungsfreiheit. "Eine Neugründung bringt Unabhängigkeit und Freiraum für Kreativität", hebt Dr. Ingo Baumann, Partner und Mitgründer der Kanzlei BHO Legal mit Standorten in Köln und München, die Vorteile hervor. Er verweist gleichzeitig auf Risiken wie Beauftragungs- und damit Einkommensunsicherheit, einen möglicherweise übersättigten Anwaltsmarkt und eingeschränkte Chancen im Wettbewerb zu Großkanzleien.
Vorbereitung und Investitionen nicht unterschätzen
Umso wichtiger für einen erfolgreichen Start in die Selbstständigkeit ist eine gründliche Planung. Noch vor der Kündigung des bisherigen Beschäftigungsverhältnisses sollten Gründer die wesentlichen Aspekte des Spin-Offs in einem Geschäftsplan skizzieren und die Stärken und Schwächen der neuen Kanzlei identifizieren.
Machen sich mehrere Rechtsanwälte gemeinsam selbstständig, müssen sie ihr Verhältnis untereinander vertraglich regeln und den Außenauftritt der Kanzlei abstimmen: Welcher Name soll im Briefkopf stehen? Wie soll die Internetpräsenz gestaltet sein? Musterverträge und Broschüren hierfür bietet zum Beispiel der DAV an (www.anwaltverein.de ).
Daneben dürfen die Gründer die notwendigen Investitionen nicht unterschätzen. Räume müssen angemietet, Makler bezahlt, Inventar angeschafft werden, EDV-Ausstattung und Literatur müssen vorhanden sein bzw. beschafft werden. Ein gewisses finanzielles Polster ist also notwendig.
Mandanten mitzunehmen ist zulässig und erlaubt, auch wenn dies manchmal als "Mandantenklau" von der ehemaligen Kanzlei nicht gern gesehen wird. "Wichtig ist insbesondere eine realistische Einschätzung hinsichtlich der Mandate, die dem wechselnden Anwalt möglicherweise treu bleiben könnten", sagt Dr. Jürgen Breitenstein. "Wenn möglich, sollte eine einvernehmliche Regelung mit der alten Sozietät angestrebt werden", empfiehlt er weiter. Zudem kann ein guter Kontakt zu den ehemaligen Kollegen bei Weitergabe von Mandanten, wie zum Beispiel bei Interessenkonflikten notwendig, Vorteile verschaffen.
Erfolg liegt in der Nische
Erfolgsfaktoren waren für Dr. Jürgen Breitenstein die rechtliche Spezialisierung seiner Kanzlei sowie der Fokus auf die persönliche Beratung seiner Mandanten. Für ihn stehen wirtschaftlich sinnvolle Lösungen und konkrete Handlungsempfehlungen für den Unternehmer im Vordergrund. "Schlicht das Feld weiterzubearbeiten, welches in der meist sehr viel größeren früheren Kanzlei bearbeitet wurde, genügt oft nicht", mahnt Dr. Breitenstein. Er sieht insbesondere in der Spezialisierung auf besondere Rechtsgebiete oder Branchen ein großes Potenzial, da es häufig sehr gute Geschäftsfelder gebe, die von den größeren Sozietäten nicht oder nicht intensiv bearbeitet werden.
Auch Dr. Ingo Baumann hat mit seinen Kollegen erfolgreich eine juristische Nische besetzt, indem er sich auf die rechtliche Beratung in hochtechnologischen Sektoren sowie im Bereich des öffentlichen Vergaberechts konzentriert. Auf die Frage, ob es sich für ihn gelohnt habe, antwortet er dann auch mit einem klaren "Ja".
Die Autorin Dr. Thurid Koch ist seit vielen Jahren Syndikusanwältin einer großen Forschungseinrichtung
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2010 M04 27
Kanzleigründung
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