Selbstverteidigung in Bußgeldsachen

Juristische Basics per E-Mail-Kurs vom Anwalt

von Constantin Baron van LijndenLesedauer: 4 Minuten
Bei dem Wort Selbstverteidigung denkt so mancher eher an fernöstliche Kampfkunst als an die Wahrung der eigenen rechtlichen Interessen. Dabei besteht durchaus nicht für jede Lappalie Anwaltszwang, und so manche Angelegenheit lässt sich ohne fremde Hilfe schneller und günstiger beilegen. Wie das geht, vermittelt ein Kurs der Kanzlei Hoenig in neun Lektionen. Von Constantin Baron van Lijnden.

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"Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt" – ein alter Anwaltsspruch, der vielleicht nirgends so viel Geltung beanspruchen kann wie im öffentlichen Recht. Rechtsanwalt Tobias Glienke von der Kanzlei Hoenig in Berlin weiß als Fachanwalt für Verkehrsrecht seit Jahren von vielen, dass sie diese Erfahrung am eigenen Leibe machen müssen. Denn bei Weitem nicht jedes Knöllchen und jeder Punkt, die von den Ordnungsbehörden ausgeteilt werden, hätten auch vor Gericht Bestand. Doch die Beauftragung eines Verteidigers ist aufwändig und teuer – bei ungewissen Erfolgschancen und fehlender Rechtsschutzversicherung ist da so mancher geneigt, lieber zähneknirschend ein Bußgeld abzudrücken, als sich auf einen langwierigen Rechtsstreit einzulassen. Diesem Umstand sucht die Kanzlei Hoenig seit 2007 Abhilfe zu schaffen, indem sie Interessierten einen kostenlosen "Selbstverteidigungskurs in Bußgeldsachen" in Form eines Newsletters anbietet. Selbstverteidigung hat in diesem Fall weniger mit angewandten Kampfkünsten (über deren Effizienz im Umgang mit missliebigen Ordnungsbeamten der Newsletter sich ausschweigt) zu tun, als vielmehr damit, das eigene rechtliche Geschick selbst in die Hand zu nehmen – gegenüber den Behörden und notfalls auch vor Gericht. In neun Lektionen wird kampfbereiten Verkehrssündern und fälschlich Verdächtigten nahegebracht, wie sie es notfalls auch ohne einen Volljuristen an ihrer Seite mit der Obrigkeit aufnehmen können.

Balanceakt zwischen Binsenweisheiten und juristischen Spezialfragen

Die Überschriften der einzelnen Lernabschnitte reichen dabei von "Verteidigung im Vorfeld" über "Einsicht in die Ermittlungsakte" bis hin zu "Das Einspruchs- und Gerichtsverfahren". Inhaltlich wird dem Leser zum Beispiel geraten, wie er sich gegenüber den Beamten vor Ort verhalten soll (bloß die Klappe halten), was er im schriftlichen Anhörungsverfahren äußern darf (bloß die Klappe halten), und wie er sein Einspruchsschreiben begründen kann (bloß die Klappe halten). Besonders notorischen Falschfahrern wird ans Herz gelegt, ihren PKW womöglich gleich auf eine andere Person zuzulassen, die dann notfalls bestreiten kann, den auf einer Lichtbildaufnahme sichtbaren Fahrzeugführer zu (er)kennen. Der Autor dieser Zeilen, der diese Verteidigungsstrategie vor Jahren, wenn auch eher zufällig als planmäßig, selbst zur Anwendung gebracht hat, vermisst jedoch den Hinweis auf die Möglichkeit, dass ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes auf einmal dienstagnachmittags, das fragliche Foto in Händen, vor der Haustür des Halters stehen könnte, was bei mangelnder innerer Vorbereitung regelmäßig zu ausgesprochen peinlichem Stammeln und Stottern des Letzteren führt. Ein weiterer Ratschlag besteht etwa darin, der Bußgeldstelle darzulegen, warum die Verhängung eines Fahrverbotes die (berufliche) Existenz des Delinquenten zerstören würde, und auf die Nachsicht der Beamten zu hoffen. Wer nicht derart vom Glück gesegnet ist, der erfährt immerhin, wie lang die Rechtsmittelfristen innerhalb der einzelnen Verfahrensphasen sind und wie er die führerscheinlose Zeit in einen möglichst opportunen Lebensabschnitt verlagern kann. Der erfahrene Jurist könnte geneigt sein, dies alles als leichte Kost zu bezeichnen, doch für den rechtlich unerfahrenen Leser bildet der Selbstverteidigungskurs eine weitgehend gelungene Balance zwischen Binsenweisheiten und tiefschürfenden Spezialfragen.

Verteidigung ohne Anwalt – (nicht immer) ein Himmelfahrtskommando

Überhaupt ist es ja erfrischend und ungewöhnlich, dass Menschen mit zwei Staatsexamina solchen ohne die Fähigkeit zusprechen, sich, und sei es nur sehr eingeschränkt, selbst rechtlich zu behaupten. Die Lehrmeinung in Anwaltskreisen geht jedenfalls eher dahin, der Laie sei damit so hoffnungslos überfordert, dass er sich ohne anwaltliche Vertretung selbst bei geringfügigen Geschwindigkeitsverstößen schnell mal eine Haftstrafe oberhalb der Bewährungsgrenze einfängt. "Grundsätzlich wird eine anwaltliche Vertretung natürlich niemandem schaden, und gerade bei schwereren Tatvorwürfen ist sie dringend zu empfehlen", meint Rechtsanwalt Hoenig, der Herausgeber des digitalen Selbstverteidigungskurses. "Bei Lappalien lohnt sich das aber oftmals schon auf Grund der Kosten nicht, und die Verteidigung ist dann zum Teil so einfach, dass man auf einen Anwalt auch verzichten kann. Wer das grundsätzlich bestreitet, der schielt womöglich zu sehr auf die eigenen Gewinnaussichten."

Kritik von Anwälten, Lob von Mandanten

Negatives Feedback hat Hoenig, der den Kurs seit über fünf Jahren unter http://www.kanzlei-hoenig.de/specials/kostenloser-email-kurs/ anbietet, nach eigener Aussage nur von einigen Kollegen erhalten – seine sonstige Leserschaft sei hingegen voll des Lobes. "Mir haben diverse Leute berichtet, dass der Kurs ihnen geholfen hat, sich gegen Bußgeldbescheide zu verteidigen. Ich denke auch nicht, dass ich mir auf diese Weise die eigene Mandantschaft abspenstig mache. Im Gegenteil: Die Leute, die den Kurs nutzen, hätten sowieso keinen Anwalt beauftragt. Wenn sie aber mit dem Kurs zufrieden sind und in Zukunft vielleicht ein anderes rechtliches Problem haben, dann erinnern sie sich hoffentlich an unsere Kanzlei." Für Hoenig ist der Kurs somit nicht zuletzt eine Werbemaßnahme, die er in ein umfassendes Konzept integriert, welches außerdem einen regelmäßig aktualisierten Blog und einen reichlich exotischen Firmenwagen (LTO berichtete) umfasst. Das macht die neun Lektionen für den Rechtssuchenden aber nicht weniger hilfreich, und sei es nur, um zu erfahren, wie man den eigenen Punktestand in Flensburg erfragt, oder nachzuprüfen,ob das zu zahlende Bußgeld wenigstens korrekt berechnet wurde. Wer sich hingegen mit schwerwiegenden rechtlichen Fragen auseinandersetzen muss, der ist mit der Beauftragung eines Anwalts – buchstäblich – besser beraten. Alternativ könnte man natürlich einfach vorschriftsmäßig fahren.

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