Peer Review in juristischen Fachzeitschriften

Vom Manuskript zur Pub­li­ka­tion

Gastbeitrag von Alina GuldenLesedauer: 5 Minuten

"Zwei Juristen, drei Meinungen" – anders als in den Naturwissenschaften werden juristische Fachbeiträge nicht auf richtig oder falsch überprüft. Alina Gulden erklärt, wie im Veröffentlichungsprozess Peer-Review-Verfahren eingesetzt werden.

Wissenschaftliche Beiträge in Zeitschriften durchlaufen regelmäßig streng getaktete Verfahren, bevor es zur Veröffentlichung kommt. Der sogenannte Peer Review ist ein Verfahren, bei dem Fachleute aus demselben Fachbereich, die Peers (engl. "Gleichrangige"), die Beiträge begutachten. Hierdurch soll die wissenschaftliche Qualität eines Manuskriptes sichergestellt werden.

In der Naturwissenschaft erfreut sich der Peer Review großer Beliebtheit, während er in juristischen Fachzeitschriften unstetig zur Anwendung kommt. In erster Linie überprüft das Verfahren die angewandte wissenschaftliche Methodik, Originalität und Relevanz sowie Verständlichkeit und Struktur der Arbeit, was Wochen bis Monate beanspruchen kann. Die Dauer ist meist abhängig von dem Umfang, der Komplexität, Anzahl der Beteiligten und Arbeitsweise der Peers. Peers werden oft unentgeltlich oder nebenberuflich tätig, was die Verfahrensdauer unterschiedlich beeinflussen kann.

Naturwissenschaftliche Beiträge sind einheitlich an gewissen Grundkriterien zu messen. Hierzu zählen vor allem Objektivität, Repräsentativität, Validität und Reliabilität. Sie gewährleisten die objektive Überprüfbarkeit der Erkenntnis des Beitrages und die Einhaltung ihrer formalen Genauigkeit. Zudem stellen sie sicher, dass die angewandte Forschungsmethode gültig und zuverlässig ist, um bei ihrer Wiederholung ähnliche Ergebnisse erzielen zu können. Für die Rechtswissenschaft gelten diese Kriterien nur eingeschränkt.

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Die Rechtswissenschaft kennt kein Richtig oder Falsch

"Diese Gütekriterien können auf die Rechtswissenschaft nur insoweit übertragen werden, wie sie keiner Überprüfung des Werkes auf dessen Richtigkeit erfordern. Naturwissenschaftliche Peer Reviews ermöglichen im Gegensatz zu rechtswissenschaftlichen Peer Reviews in der Regel die Nachprüfung der aufgeworfenen Forschungsfrage und der Antworten der Autoren auf diese Frage", erklärt Prof. Dr. Johannes Rux, verantwortlich für das Legal Publishing im Nomos Verlag.

Die Rechtswissenschaft kennt kein Richtig oder Falsch. Sie lebt von Argumentation, Meinungen und Streitständen zwischen Praktikern sowie der Literatur und Rechtsprechung. "Das Sprichwort ‘Zwei Juristen, drei Meinungen’ kommt auch nicht von ungefähr. In der Rechtswissenschaft gibt es gerade kein Schwarz und kein Weiß. Was also vertretbar ist und was nicht, kann demnach auch ein Peer Review nicht wirklich objektiv festlegen, man kann allenfalls prüfen, ob der etablierte Kanon der juristischen Auslegungsmethoden korrekt angewendet wurde", so Rux.

Verschiedene Methoden des Peer Review

"Peer Review" stellt einen Oberbegriff für verschiedene Methoden dar. Die gängigsten Varianten in Natur- und Rechtswissenschaft sind der Single- und Double-Blind-Review. Um eine objektive Begutachtung gewährleisten zu können, erfolgt diese – ganz oder teilweise – anonym.

Die geringste Anonymität bietet der Single-Blind-Review. Die Begutachtenden wissen um die Identität der Verfassenden, diese kennen die Namen der Begutachtenden aber nicht. Eine doch ungleiche Intransparenz, die riskiert, dass etwaige persönliche Verbindungen die Objektivität mindern könnten.

Bei einem Double-Blind-Review haben hingegen nicht nur die Verfassenden keine Kenntnis von der Identität der Peers, sondern auch sie bleiben anonym. Dies sorgt für eine gerechte Intransparenz und erhöhte Objektivität.

Die höchste Stufe der Anonymität bietet der Triple-Blind-Review. Die Peers kennen weder die Identität der Verfassenden noch die der bearbeitenden Redakteure der Herausgebenden. Gleichzeitig bleibt den Verfassenden die Identität der Peers verborgen. Dies erfordert die hohe Konsequenz während des gesamten Verfahrens, die Anonymität zu gewährleisten.

Drei Stufen zur Qualitätssicherung

Auf der ersten Stufe, sog. Desk Review, prüft die Redaktion der Herausgebenden das Manuskript auf Vollständigkeit und Relevanz. Kommt sie zu dem Ergebnis, dass es ein Peer-Review-Verfahren durchlaufen darf, so wird ein externer Peer aus dem jeweiligen Fachbereich zur Begutachtung ausgewählt. Hierbei ist wichtig, dass dieser stets über die entsprechende Fachkenntnis verfügt.

Das jeweilige Verfahren prüft auf zweiter Stufe die Hochwertigkeit und Geeignetheit der Arbeit. Maßgeblich sind hierfür Verständlichkeit, Schlüssigkeit, Innovation und wissenschaftliche Originalität. Das Ergebnis basiert meist auf beantworteten Fragebögen.

Auf letzter Stufe entscheiden die Herausgebenden anhand der Fragebögen über eine Annahme und Veröffentlichung, endgültige Ablehnung oder Annahme unter dem Vorbehalt einer Überarbeitung. Im Falle einer Ablehnung ist eine Veröffentlichung nicht per se ausgeschlossen, sondern nur die Veröffentlichung in der jetzigen Form.

Kein regulärer Einsatz in juristischen Zeitschriften 

Drei von fünf befragten Verlagen haben zur Anwendung des Peer Reviews Stellung genommen.

Der Verlag C.F. Müller verzichtet bei seinen juristischen Journalen auf einen Peer Review. "Eine bewusste Entscheidung gegen das Peer-Review-Verfahren hat es bisher nicht gegeben, vielmehr haben wir nie ernsthaft überlegt, ein solches einzuführen", erklärt Alexandra Burrer, Programmbereichsleiterin Juristische Ausbildung und Wissenschaft bei C.F. Müller.

Die inhaltlich-redaktionelle Ausgestaltung und Überarbeitung nimmt regelmäßig die jeweilige Schriftleitung, Chefredaktion oder Ressortleitung vor. "Sie sind zumeist ‘Leuchttürme’ ihres Fachs und daher ist eine externe Überprüfung entbehrlich", so Burrer.

Nomos führt zunächst bei Praktikerwerken eine interne Prüfung durch. "Die internen Lektorinnen und Lektoren verfügen durchweg über eine abgeschlossene juristische Ausbildung und sind oder waren oft selbst wissenschaftlich tätig“, erläutert Rux. Im Übrigen hängt die Entscheidung, ob für einzelne Beiträge ein Peer-Review-Verfahren durchgeführt werden soll, in der Regel von einem entsprechenden Impuls der Herausgebenden ab.

"Die Verfassenden sind erfahrene Praktiker in ihren Fachgebieten. Sie können sich bei der Auswahl der relevanten Fragestellungen und bei der Formulierung ihrer Antworten auf diese Fragen regelmäßig auf die oft langjährigen Erfahrungen ihrer hauptberuflichen Tätigkeit stützen. Umgekehrt sind diese Erfahrungen und die in ihnen wurzelnde Kompetenz Voraussetzung für die Aufnahme in den Autorenkreis oder für die Bestellung als Herausgeberin oder Herausgeber“, erklärt Rux.

Gezielter Einsatz, klare Vorgaben

Ein Double-Blind-Review ist im juristischen Programm des Nomos-Verlages etwa für die Zeitschrift "Rechtswissenschaft" zwingend. Diese behandelt grundlegende Fragestellungen des Rechts und ist deshalb so konzipiert, dass möglichst jeder Beitrag fachgebietsübergreifend von Interesse sein soll. Der Review untermauert diesen Anspruch, indem er fachgebietsübergreifendes Verständnis sicherstellen und gewährleisten soll, dass die einzelnen Beiträge den aktuellen wissenschaftlichen Standards in ihren Fachgebieten entsprechen.

Springer zeigt viel Transparenz, indem der Verlag auf seiner Internetseite Autoren und Lesern Einblick in den Peer-Review-Prozess gewährt. Der Verlag informiert detailliert über den Ablauf sowie die Umsetzung des Verfahrens und erläutert eigene allgemeingültige Vorgaben für Peers. Zusätzlich setzt Springer bei manchen Journalen auf individuelle Peer-Review-Richtlinien, wie z.B. bei der Zeitschrift "Criminal Law Forum" und überträgt den Herausgebenden die Verantwortung für das Verfahren.

Fast alle Beiträge zur Primärforschung oder deren Sekundäranalyse durch Leit- oder Meinungsartikel, Kommentare oder Buchbesprechungen durchlaufen einen Single- oder Double-Blind-Review. Das sind Beiträge, die zu originär gewonnenen Erkenntnissen publiziert und deshalb meist sogar durch einen Erst- und Zweitgutachter geprüft werden. Springer legt bei deren Auswahl vor allem Wert auf Fachwissen, Ruf, konkrete Empfehlung, Interessenkonflikte und frühere Leistung.

Objektivität als Schlüssel der Begutachtung

Vertrauen und Verantwortung bilden die Basis für ein effektives Verfahren, das im ständigen Bewusstsein der Objektivität erreicht werden kann.

Die britische gemeinnützige Organisation Committee on Publication (COPE) unterstützt mit ethischen Richtlinien. Ihr Ziel ist es, ethische Praktiken zur Grundlage des Publizierens zu machen, indem sie Standards für Peers und Herausgebende und den Begutachtungsvorgang definiert. Basierend auf kollektiver Erfahrung der COPE-Mitglieder, dienen sie als Leitfaden und Orientierungshilfe, um eine einheitliche Begutachtung zu ermöglichen.

Peer-Reviewer spielen eine zentrale Rolle, um gute wissenschaftliche Praxis zu gewährleisten. Strikte Objektivität sichert die Qualität und akademische Glaubwürdigkeit und nicht zuletzt auch die Reputation der Verfassenden und Herausgebenden.

Die Autorin Alina Gulden ist derzeit Rechtsreferendarin im Oberlandesgerichtsbezirk München.

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