Alters-Ausstieg aus der Partnerschaft

Einmal Anwalt, immer Anwalt

von Sabine OlschnerLesedauer: 4 Minuten
Was passiert eigentlich mit Partnern, die aus Altergründen aus dem Kanzleimanagement aussteigen? In den Ruhestand begeben sich auf jeden Fall nicht alle, wie unsere Recherche ergab.

Laut Angaben der Bundesrechtsanwaltskammer waren im Jahr 2012, dem letzten Jahr der Erhebung, über zwölf Prozent der 61- bis 70-Jährigen weiterhin bei einer örtlichen Rechtsanwaltskammer gemeldet. Bei den über 70-Jährigen waren es immerhin noch 4,5 Prozent. Insgesamt waren 2012 über 13.600 Anwälte, die das Renteneintrittsalter überschritten haben, noch Kammermitglieder. Der älteste Anwalt zählte 106 Jahre – ob er zu dieser Zeit noch praktiziert hat, ist unbekannt. Wie viele dieser Anwälte Partner in einer Sozietät waren, wurde nicht erhoben. Manche Kanzleien haben eine feste Altersgrenze eingeführt, zu der Partner aus der Kanzleiführung ausscheiden, andere handhaben es individuell. Bei der HFK Rechtsanwälte LLP zum Beispiel scheidet jeder Gesellschafter mit Erreichen des 68. Lebensjahres aus der Gesellschaft aus. "Diese Grenze haben wir eingeführt, damit die jüngere Generation nachrücken kann und die ältere Generation nicht als Belastung empfindet", erklärt Gesellschafter Dr. Christian Nunn. "Nach Ausscheiden aus der Gesellschaft bieten wir den Gesellschaftern einen Beratervertrag an, wenn der Partner es will, er der Kanzlei weiterhin Potenzial bieten kann und wir das Know-how des ehemaligen Partners oder sein Netzwerk gern weiterhin nutzen möchten." Als Berater betreiben die ehemaligen Gesellschafter zum Beispiel Akquisition, sie sind in Schiedsgerichtsverfahren tätig oder nach wie vor aktiv in die Mandatsarbeit eingebunden. Auch wenn der Anwalt kein Partner der Gesellschaft mehr ist, steht er weiter auf dem Briefkopf, oft auch an der bisherigen Position. "Das ist für uns ein Zeichen von Respekt", betont Christian Nunn, der selbst noch 15 Jahre bis zum Rentenalter vor sich hat, aber jetzt schon sicher ist, dass er auch danach noch weitermachen will. "Einmal Anwalt, immer Anwalt", ist seine Devise. "Da unterscheidet sich unser Berufsstand sicherlich von vielen Managern in der freien Wirtschaft, die oft viel früher über den Vorruhestand nachdenken." Da sich die HFK Rechtsanwälte als ein inhabergeführtes mittelständisches Unternehmen verstehen, herrscht hier auch bei den Gesellschaftern das Verständnis, "unser eigenes Unternehmen zu führen, dessen Zukunft uns auch am Herzen liegt", so Christian Nunn.

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Ende der Verantwortung

Dr. Werner Müller hatte 1972 als Associate bei Baker McKenzie angefangen, sieben Jahre danach wurde er Partner. Erst 33 Jahre später, im Jahr 2012, verabschiedete er sich aus der Partnerschaft. Der Anwalt war gern Partner, "aber vom ersten Tag nach dem Ausscheiden aus der Partnerschaft an empfand ich es als wohltuend, dass ich nicht mehr die Last der Sozietät und der Mandantenverantwortung zu tragen hatte", sagt der 72-Jährige. Weiter arbeiten wollte er dennoch gerne, "weil mir mein Beruf viel Freude bereitet". "Ich war schon 67, also zwei Jahre über dem damals normalen Rentenalter", erinnert sich Werner Müller. Ein bestimmtes Alter, wann Partner sich von ihrem Partnerstatus verabschieden müssen, gibt es bei Baker McKenzie nicht. "In den letzten Jahren meiner Partnerschaft betreute ich für die Kanzlei global einen großen und wichtigen Mandanten. Als ich 65 wurde, besprach ich mit dem Management, dass ich aus dieser Aufgabe und gleichzeitig aus der Partnerschaft ausscheiden würde, wenn ich einen Nachfolger für die Betreuung dieses Mandanten gefunden hätte." Das war 2012 der Fall, und seitdem ist Werner Müller Of Counsel, also Anwalt in beratender Funktion. "Ich habe weiterhin ein Büro in der Kanzlei und kann im Prinzip tun und lassen, was ich will", erklärt Müller. Tatsächlich übernimmt er vor allem Mandate als Schiedsrichter und engagiert sich in einer Gruppe, die sich mit der AGB-Kontrolle im unternehmerischen Geschäftsverkehr befasst, sowie in der Initiative "Law – Made in Germany". Außerdem gibt er seine langjährige Expertise an jüngere Kollegen in der Kanzlei weiter. An Partnermeetings kann und will er nach wie vor teilnehmen. Montags bis donnerstags ist er in der Regel noch im Büro, aber er gönnt sich mehr Urlaub als früher, um mit seiner Frau ins Ferienhaus nach Österreich zu fahren. Wie lange er noch weitermachen will? "Wenn Baker McKenzie im Jahr 2022 in neue Räumlichkeiten zieht, brauche ich dort kein Büro mehr", sagt Werner Müller.

Berater im Vorruhestand

Ähnlich sieht es bei Dr. Ulrich Theune aus, der 1980 Partner der Kanzlei Luther wurde. "Zuvor hatte das Büro gerade einmal vier Partner und zwei Anwälte", erinnert sich der 75-Jährige, der 2012 aus der Partnerschaft ausgeschieden ist und anschließend einen Beratervertrag mit seiner Kanzlei abgeschlossen hat. "Zwei, drei Jahre danach war ich weiterhin intensiv mit Mandatstätigkeiten betraut, jetzt arbeite ich ausschließlich als Schiedsrichter, überwiegend in internationalen Schiedsverfahren." Er selber sieht sich zurzeit im "Vorruhestand": "Ich arbeite jetzt nur noch 60 Stunden in der Woche, früher waren es 80." Auch die Art der Arbeit habe sich verändert, sagt Ulrich Theune: Es gibt für ihn keine Umsatzerwartungen, keinen Fristendruck, keine Teamverantwortung mehr. "Wenn man aus der Partnerschaft austritt, muss man sich mit seinem 'Bedeutungsverlust' in der Kanzlei anfreunden", so der Anwalt. "Aber trotzdem fragen mich die jüngeren Kollegen nach wie vor um Rat, schließlich bin ich hier so etwas wie ein Leitfossil." Nach Ulrich Theunes Ansicht gibt es zwei Typen von Anwälten: Die einen sind glücklich, wenn sie die Altersgrenze erreichen und aus dem Berufsleben ausscheiden können, die anderen geben sich damit nicht zufrieden und wollen weitermachen. Ob ein ehemaliger Partner für die Kanzlei noch einen Nutzen hat, muss das aktuelle Management entscheiden. Theune hat sich nach und nach zurückgezogen: Erst hat er den Vorsitz des Partnerausschusses abgegeben, später dann die Standortleitung. Heute freut er sich darüber, dass er sich in der Community der Schiedsrichter einen Namen gemacht hat und seine Meinung hier nach wie vor gefragt ist. "Ein Jahr lang will ich das noch machen, dann steige ich vielleicht ganz aus", sagt Ulrich Theune. "Obwohl: So richtig vorstellen kann ich mir das noch nicht. Wahrscheinlich richte ich mir dann ja zu Hause noch ein kleines Büro ein und schreibe das 'Handbuch des Erbschleichers'."

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