Erlaubte Aktivitäten bei Arbeitsunfähigkeit

So krank bin ich nun auch wieder nicht

von Martin BieblLesedauer: 4 Minuten

Ob wegen Corona, der jährlichen Grippewelle oder einer ganz normalen Erkältung: Arbeitnehmer werden mal krank. Was eine ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit bedeutet und was privat trotzdem erlaubt ist, erläutert Martin Biebl.

Wenn der Mitarbeiter beim Chef eine Krankschreibung einreicht, dann gehen viel Arbeitgeber davon aus, dass der Mitarbeiter sich bestimmt kaum auf den Beinen halten kann und eigentlich ans Bett gefesselt ist. Wenn dem nicht so wäre, dann könnte er ja schließlich auch zur Arbeit erscheinen. Ganz so einfach ist die Sache aber nicht. Es hängt immer von der genauen Erkrankung ab, welche Tätigkeiten einem Mitarbeiter erlaubt sind und welche nicht.

Die Rechtsprechung macht es sich bei dieser Frage relativ einfach. Sie weist darauf hin, dass der Mitarbeiter aufgrund seiner Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem Arbeitgeber dazu verpflichtet ist, während einer Arbeitsunfähigkeit alles zu unterlassen, was die Genesung hinauszögern könnte (Bundesarbeitsgericht (BAG), Urt. v. 11.11.1965, Az. 2 AZR 69/65).Begründet wird dies mit der Treuepflicht im Arbeitsverhältnis, die nach Ansicht der Rechtsprechung bis ins Privatleben reicht Die Pflicht zur Entgeltfortzahlung ohne Arbeitsleistung stellt schließlich für den Arbeitgeber eine finanzielle Belastung dar. Deswegen muss der Arbeitnehmer möglichst schnell wieder gesund werden.

Die unzähligen und teilweise skurrilen Entscheidungen, die die Arbeitsgerichte in diesem Kontext beschäftigen, lassen sich deshalb unter dem Stichwort genesungswidriges Verhalten zusammenfassen. Was aber nun genau genesungswidrig sein kann, muss immer im Einzelfall bewertet werden. Dabei hilft die Formel des BAG zur Treuwidrigkeit, der Arbeitnehmer sich so zu verhalten hat, dass er möglichst schnell wieder arbeitsfähig ist, , nur bedingt, auch wenn sie seit 1965 ständig wiederholt wird.

Anzeige

Die Volkskrankheit Nummer 1: Rückenleiden

Fangen wir mit einem Klassiker an: Wenn ein Mitarbeiter wegen Rückenbeschwerden krankgeschrieben ist, dann dürften schwere körperliche Arbeiten im Garten oder auf der privaten Baustelle eines Freundes eher kontraproduktiv sein. Diese Fälle stellen daher ein genesungswidriges Verhalten dar.

Sportliche Betätigungen hingegen, die aus medizinischer Sicht das Rückenleiden möglicherweise sogar positiv beeinflussen, fallen aber nicht unter die Kategorie des genesungswidrigen Verhaltens. Es stellt also keinen Abmahnungs- oder Kündigungsgrund dar, wenn Sie einen Mitarbeiter mit Bandscheibenvorfall beispielsweise beim Nordic Walking, beim Schwimmen oder bei der Gymnastik sehen. Skifahren oder Fallschirmspringen dürfte bei orthopädischen Befunden aber berechtigte Fragen des Arbeitgebers aufwerfen.

Grippe und Coronavirus?

Wenn jemand mit der echten Grippe flachliegt, hat er sowieso keine Lust oder Kraft für einen Kinobesuch oder ein Treffen in der Bar mit Freunden. Wenn ein Arbeitnehmer aber wegen einer leichteren Erkältung oder eines grippalen Infekts krankgeschrieben ist, kann ein Kino- oder Restaurantbesuch durchaus ebenso genesungswidrig sein, wenn eigentlich Bettruhe das beste Mittel zur Verbesserung des Gesundheitszustands wäre.

Wer also unter Grippe oder einem grippalen Infekt leidet, sollte man sich schonen und im Bett bleiben. Der Gang zum Arzt, zur Apotheke oder auch kurz zum Supermarkt um die Ecke ist aber natürlich auch dann erlaubt. Die mehrstündige Tour durch die Fußgängerzone oder das Einkaufszentrum eher nicht.

Wer tatsächlich mit dem Coronavirus infiziert ist, muss aufgrund der behördlichen Anordnung ohnehin zuhause bleiben und darf weder ins Restaurant noch ins Kino gehen. In diesen Fällen dürfte dann – je nach behördlicher Anordnung – auch der Gang zum Arzt oder der Gang zur Apotheke untersagt sein. Mit Blick auf das genesungswidrige Verhalten gelten dann die Grundsätze wie bei einer normalen Grippe oder Erkältung.

Wird man dagegen aus reiner Vorsicht unter Quarantäne gestellt, weil noch nicht klar ist, ob man sich möglicherweise infiziert hat, liegt kein Fall der Arbeitsunfähigkeit vor. Die Rechtsprechung zum genesungswidrigen Verhalten kann daher nicht einfach übertragen werden. In der konkreten Situation wird man davon ausgehen müssen, dass sich der Mitarbeiter allein aufgrund der behördlichen Quarantäneanordnung zuhause aufhalten muss.

Burn-Out, Depression, psychische Erkrankungen

Bei psychischen Erkrankungen ist die Sache anders. Bei einem solchen Krankheitsbild wäre es wohl eher kontraproduktiv, sich nur ins Bett zu legen, allein zu Hause zu sein und nichts zu tun. Spaziergänge, Treffen mit Freunden und Sport sind bei diesen Krankheitsbildern häufig förderlich. Auch Ausflüge und sogar Urlaubsreisen stellen dann nicht unbedingt ein genesungswidriges Verhalten dar.

Es ist also nicht automatisch ein Kündigungsgrund gegeben, wenn ein unter Depression leidender Arbeitnehmer bei Facebook ein Urlaubsfoto postet. Bei einem Foto von einem Trinkgelage mit Freunden dürfte die Sache aber schon wieder anders aussehen.

Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit

Im Bereich des genesungswidrigen Verhaltens gibt es keine Schwarz-Weiß-Betrachtung. Es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalles und auf eine medizinische Bewertung an. Der Skiurlaub mit Hirnhautentzündung ist eher keine so gute Idee. Die Teilnahme am Karneval bei einer psychischen Erkrankung kann dagegen erlaubt sein.

Wenn einem Arbeitnehmer aber genesungswidriges Verhalten nachgewiesen kann, kann dies sowohl eine Abmahnung als auch eine verhaltensbedingte (fristloste) Kündigung rechtfertigen. Der Arbeitgeber muss dabei auch einen Schritt weiter denken: Bei Schwarzarbeit während der Arbeitsunfähigkeit, der aktiven Teilnahme an einem Sportturnier oder der Mitarbeit im Unternehmen des Partners stellt sich neben der Frage des genesungswidrigen Verhaltens schließlich häufig die Folgefrage, ob die Arbeitsunfähigkeit nicht komplett vorgetäuscht war. Die vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit stellt dann wiederum einen eigenen Grund für eine Abmahnung oder Kündigung dar.

Vor allem dann, wenn während der Krankheit bei einem anderen Arbeitgeber gearbeitet wird oder ein Mitarbeiter Tätigkeiten für sein eigenes Gewerbe durchführt, liegt der Verdacht nah, dass die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht war. Kommt es zum Prozess, muss der Arbeitgeber darlegen, dass die Krankheit entweder vorgetäuscht war oder sich der Arbeitnehmer nicht gesundheitsfördernd verhalten hat. Dies ist typischerweise bei körperlichen Erkrankungen deutlich einfacher möglich als bei psychischen Diagnosen. Gelingt es dem Arbeitgeber, den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern, dann muss wiederum der Arbeitnehmer beweisen, dass er wirklich krank war.

Der Autor Martin Biebl ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Beiten Burkhardt in München.

Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.

Thema:

Arbeitsunfähigkeit

Verwandte Themen:
  • Arbeitsunfähigkeit
  • Gesundheit
  • Beruf
  • Karriere
  • Human Ressources

Teilen

Ähnliche Artikel

Newsletter