Kanzleigründung in der Nische

Kome­ten­hafter Start im Hoch­tech­no­lo­gie­sektor

von Cyrill JanssenLesedauer: 7 Minuten
Die Kanzlei BHO Legal ist ein Beispiel für eine erfolgreiche Gründung in der Nische. An ihr zeigt sich aber auch, dass es dafür mehr als Unternehmergeist braucht, nämlich Spezialisierung, ein großes Netzwerk und den richtigen Zeitpunkt. Im LTO-Interview spricht BHO-Partner Dr. Ingo Baumann über das BHO-Erfolgsrezept, rechtliche Pionierarbeit und Pläne für die Zukunft.

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LTO: Herr Dr. Baumann, Ihre Kanzlei BHO Legal wurde Anfang 2009 gegründet. Im November 2010 haben Sie den Kanzleigründerpreis von Soldan gewonnen. Insofern kann man von einem erfolgreichen Start sprechen. Sie beraten Unternehmen im Hochtechnologiesektor. Was muss man sich darunter vorstellen? Baumann: Wir beraten ungefähr zu je 50 Prozent Unternehmen und öffentliche Einrichtungen in den Bereichen Weltraumrecht, Sicherheits- und Verteidigungstechnologien, IT-und Telekommunikation, aber auch rechtlich zu Technologien, die sich noch in Forschung und Entwicklung befinden, beispielsweise im Luftfahrtbereich und anderen Verkehrstechniken. Wir decken dabei ein breites Spektrum an Industriebereichen ab, beispielsweise intelligente Verkehrssysteme, Bahnfunktechnologien, Peilsender oder bestimmte Werkzeuge zur Wartung von militärischem Gerät. Es sind meistens Technologien, die nicht für den Verbraucherbereich bestimmt sind, sondern sich noch im Forschungs- und Entwicklungsstadium befinden und bei denen sich viele Rechtsfragen für die Markteinführung stellen. Nämlich: Welche Lizenzen braucht man dafür? Welche Exportkontrollbestimmungen bestehen? Sehr viel Beratungsbedarf besteht dabei auch hinsichtlich der Möglichkeiten durch Förderungen seitens der öffentlichen Hand. LTO: Sie schreiben auf Ihrer Homepage, dass Sie Technologien von morgen schon heute identifizieren und anwenden... Baumann: Das ist ein schöner Werbespruch, aber es stimmt schon. Ein Beispiel, mit dem wir uns viel beschäftigen, ist das Satellitennavigationssystem Galileo. Die Fertigstellung des Systems wird voraussichtlich bis 2016 dauern. Heute denkt aber die EU-Kommission mit der Industrie schon darüber nach, wie die Haftung zu regeln ist. Wenn in Zukunft im Auto oder im Flugzeug Galileo-Empfänger eingesetzt werden und das System ausfällt,  oder es kommt zu Positionsverschiebungen, gibt es im Schadensfall weder international noch europäisch oder national eindeutige rechtliche Lösungen. Wir unterstützen daher unter anderem bei der Entwicklung von einem rechtlichen Rahmen zur Regelung dieser Haftungsfragen auf EU- sowie auf internationaler Ebene. Ein anderes Beispiel, auch aus dem Bereich der Weltraumaktivitäten, ist ein internationales Abkommen über die Besicherung von hochwertigen Weltraumgegenständen, das zurzeit von Regierungen aus Ländern der ganzen Welt ausgehandelt wird. Die Frage dabei ist beispielsweise: Wie kann man die Verwertung eines Satelliten im Sicherungsfall geltend machen? Hierbei sind wir beratend für die Deutsche Raumfahrt-Agentur und die Bundesregierung in Verhandlungsdelegationen des Abkommens tätig.

"Unser Credo: Technisch verstehen, rechtlich umsetzen"

LTO: Das heißt, Sie legen nicht nur Gesetze aus oder wenden diese an - die klassische Anwaltstätigkeit sozusagen - sondern betreiben konkrete Rechtsfortbildung? Wie eignen Sie sich das juristische und auch technische Wissen dafür an? Baumann: Was das Rechtliche betrifft: In vielen Bereichen, in denen wir tätig sind, gibt es weder bestehende Gesetze noch besonders viel Literatur. Vielleicht mal einen Aufsatz oder eine Doktorarbeit, aber sonst sind es im wesentlichen Dokumente der EU, die zum Teil nicht öffentlich sind und die man über andere Quellen erhalten muss. Der klassische Bereich der Recherche des bestehenden Rechts kommt daher nur in Teilbereichen vor, besonders im Vergaberecht, in dem viel Rechtsprechung besteht. Das technische Know-how ist eines unserer Markenzeichen. Unser Credo ist es, den Mandanten bei den Projekten auch dadurch unterstützen zu können, dass wir das Projekt technisch bestmöglich verstehen, um in der Lage zu sein, dies auch rechtlich umzusetzen. Konkret gehört dazu ein regelmäßiges Gespräch mit dem Projektleiter und den Technikern, von denen man sich das erklären lässt. Herr Dr. Heinrich und ich waren lange Zeit im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in der Projektarbeit tätig und haben dort Erfahrung - auch im technischen Bereich gesammelt. Das DLR ist in den Bereichen Luft- und Raumfahrt, aber auch Energie und Verkehr tätig und darüber hinaus. LTO: Hat das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt für die Standortwahl der Kanzlei eine Rolle gespielt? Sie haben ja Ihre Kanzleisitze in Köln und in München. Baumann: Auf jeden Fall. In Köln ist das DLR und in München ist ein Schwerpunkt der Luft- und Raumfahrtbranche Deutschlands. Auch sind viele unserer Mandanten im Raum München ansässig oder zumindest tätig.

"Weltraumrecht ist das Aushängeschild, Vergaberecht das Brot-und-Butter-Geschäft"

LTO: Ihre Mandantschaft ist dann bestimmt eine ganz spezielle... Baumann: Die Raumfahrt bzw. das Luft- und Weltraumrecht ist ein großer Teil unseres Projektgeschäftes und sicherlich eines unserer Aushängeschilder. Aber die eigentlichen rechtlichen Felder sind einerseits das Vergaberecht und andererseits das internationale Vertragsrecht. Wenn man sich solche Hochtechnologieprojekte anschaut, dann sind es doch sehr stark öffentlich geförderte Projekte.  Dabei spielt das Vergaberecht eine Rolle und auch die rechtliche Ausarbeitung in Verträgen. Das Vergaberecht ist immer noch eine Nische, obwohl es viel benötigt wird, und es ist unser Brot- und Buttergeschäft. Daran schließen sich weitere Umsetzungsfragen an.  Wir gehen auch aus dem Hochtechnologiebereich heraus. Zu unseren Mandanten zählen hier beispielsweise Einrichtungen aus dem sozialen Bereich und Kommunen, aber auch Bundesministerien. Wir bieten hier vor Ort mindestens einmal im Monat spezielle Vergaberechtschulungen an, die meist aus sechs bis acht Teilnehmern bestehen.  Einrichtungen und Firmen schicken dann gezielt ihre Arbeitnehmer zu uns zur Fortbildung. LTO: Sie sagen, dass die meisten Entscheidungen in Ihren Fachgebieten auf EU-Ebene getroffen werden.  Wie stehen Sie vor diesem Hintergrund dem Thema Lobbyarbeit gegenüber? Können Sie diese als Kanzlei betreiben? Baumann: Das würde ich zweifach sehen. Einmal als Netzwerken.  Das ist der Hauptteil. Man muss die Leute kennen. Man muss wissen, wer als Jurist an welchem Regulierungsvorhaben gerade arbeitet.  Kennenlern-Termine zum Mittagessen sind hilfreich, damit man auch über diesen Kontakt Zugang zu Informationen bekommt.  Netzwerkpflege ist wichtig. Was wir auch machen, ist Lobbyarbeit zu unterstützen. Zurzeit arbeiten wir an einem Fall, bei dem eine Regelungslücke für unseren Mandanten ein Problem darstellt. Jetzt sind wir dabei, Briefe an die Generaldirektion  zu schreiben, um auf das Problem aufmerksam zu machen und darum zu bitten, den Bereich näher zu prüfen, Gespräche zu führen und Studien zu erstellen, um eben dafür eine Wahrnehmung zu schaffen. Leider kommen Mandanten häufig erst im fortgeschrittenen Stadium ihrer Projekte zu uns – wir müssen dann vieles gerade ziehen, um das jeweilige Projekt wieder auf Kurs zu bringen. Das erfordert einen hohen Aufwand – entsprechend würden wir uns wünschen, Projekte möglichst von Beginn an zu begleiten. Unterm Strich läge darin für den Mandanten die effizientere Lösung.

"In Europa gibt es nur zwei Kollegen, die Ähnliches machen"

LTO: Der Anwaltsberuf erfordert starke Persönlichkeiten, die mit hoher Arbeitsbelastung aber auch einem unternehmerischen Risiko umgehen können. Gerade in Ihrem Bereich, wo wenig kodifiziert ist und sie dem Mandanten Rechtssicherheit geben müssen. Wie schaffen Sie es mit diesem unternehmerischen Risiko umzugehen? Baumann: In der Tat befassen wir uns häufig mit Rechtsfragen, die neu auftauchen und noch nicht geklärt sind. Die Personen, mit denen wir zu tun haben, honorieren daher unsere Bereitschaft, bei solchen Themen kompetente Unterstützung zu leisten und wissen auch, wie speziell die Materien sind. LTO: Vor der Gründung waren Sie alle drei angestellt. Was war die Motivation für die eigene Kanzlei? Baumann: Zunächst passen wir alle drei gut zusammen, um genau das, was wir machen, umzusetzen. Wir hatten recht schnell die gemeinsame Idee gefunden. Doch der beste Business-Plan hilft nichts, wenn man nicht hundertprozentig dahinter steht. Das ist Voraussetzung. Größere Kanzleien haben sich auch schon im Luft- und Weltraumrecht versucht, aber wenn hierzu eine Abteilung erst von Grund aufgebaut werden muss, rechnet sich der Aufwand eher nicht. Es gibt in ganz Europa nur etwa zwei Kollegen in sehr großen Kanzleien, die Ähnliches wie wir machen. Auch der Moment hat gestimmt. Wir hatten alle zum gleichen Zeitpunkt einen Veränderungswillen. Sicherlich hatten wir auch in gewisser Weise Glück, dass - entgegen dem wirtschaftlichen Trend - die Förderung der neuen Technologien konjunkturpolitisch unterstützt wurde und wird, wie die aktuellen Entwicklungen zeigen. LTO: Mussten Sie Marktforschung betreiben? Baumann: Gezielte Marktforschung haben wir nicht betrieben. Jeder von uns hatte mehr oder weniger ein Mandat und laufendes Geschäft. Wir mussten natürlich einiges vorfinanzieren, aber fingen nicht ganz von Null an. LTO: Welche Akquise machen Sie? Baumann: Wir halten sehr viele Vorträge auf den für unseren Bereich bedeutsamen Veranstaltungen, meist mit internationalem Umfeld. Außerdem veranstalten wir Seminare. Darüber hinaus betreiben wir unter anderem Kontaktpflege, schreiben Fachbeiträge und ein Blog zum Vergaberecht. Was auch sehr interessant ist, sind drei große Fachkonferenzen, mit jeweils 60 bis 100 Teilnehmern, die wir als Initiatoren mit Partnern organisiert haben. LTO: Welche langfristigen Ziele haben Sie? Baumann: Der Start ist recht gut gelaufen, wie auch der Kanzleigründerpreis zeigt. Wir beschäftigen uns bereits mit neuen Technologien, zu denen wir schon viel Vorarbeit geleistet und ein Netzwerk aufgebaut haben. Auch überlegen wir zu expandieren und eventuell auch einen weiteren Partner hinzuziehen, beispielsweise im Datenschutzrecht oder IT-Recht, da Großprojekte doch viel Zeit und Know-how fordern. LTO: Würden Sie alles wieder genauso machen, wenn Sie wieder starten könnten oder müssten? Baumann: Im Grunde ja. Wir sind sehr projektgebunden und dies kann uns auch mal ein bis zwei Jahre tragen. Für die Zukunft sind bereits begonnene Mandatsverhältnisse zu pflegen und auszubauen. Es dürfte schwierig sein, unser Modell auf andere Neugründer zu übertragen. Man braucht Berufserfahrung, denn man sollte den Schritt in die Selbständigkeit nicht zu früh machen und unbedingt ein Netzwerk haben. Wenn man das hat, dann kann man es wagen sich auch in einem ungewöhnlichen Bereich erfolgreich selbständig zu machen. LTO: Herr Dr. Baumann, vielen Dank für das Gespräch. Mehr auf LTO.de: Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht: Unterm Strich eine positive Bilanz Wissensmanagement in Unternehmen: Aus Erfahrungen lernen

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