BVerfG zu Ex-Rechtsanwältin

Mit Wieder-Zulassung auch wieder Fachanwältin

von Martin W. HuffLesedauer: 3 Minuten
Wer Fachanwalt ist, muss sich jährlich fortbilden, um seinen Titel behalten zu dürfen. Was aber, wenn er seine Zulassung vorübergehend abgibt? Das BVerfG entschied, dass, wer sich theoretisch fortgebildet hat, dann auch den Fachanwaltstitel wieder führen darf. Das Argument: Praxiserfahrung hätten schließlich auch andere Fachanwälte nicht. Berechtigte Kritik, meint Martin W. Huff.

Der Fall, über den das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Ende Oktober zu entscheiden hatte, ist in der Praxis von Rechtsanwaltskammern gar nicht so selten. Ein Anwalt, der einen Fachanwaltstitel erworben hat, muss – etwa wegen einer unvereinbaren Tätigkeit – seine Zulassung zurückgeben. Seine erneute Zulassung ist, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, meist nur eine Formsache. Ob und wie aber der Fachanwaltstitel wieder geführt werden darf, darüber gab es bei den Rechtsanwaltskammern im Bundesgebiet unterschiedliche Auffassungen. Einige meinten, dass wieder alle Voraussetzungen neu erfüllt werden müssten, andere verlangten den Nachweis der ab 1. Januar 2015 vorgesehenen jährlichen 15 Fortbildungsstunden, einige wollten sogar ganz darauf verzichten.
Jetzt hat das BVerfG anhand des Falles einer Fachanwältin für Verwaltungsrecht für Klarheit gesorgt, die in den öffentlichen Dienst wechselte. Sie darf ihre Fachanwaltsbezeichnung nach Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft führen, ohne erneut die Zulassungsvoraussetzungen erfüllen, sofern sie sich jährlichen fortbildet, entschieden die Karlsruher Richter (Beschl. v. 22.10.2014, Az. 1 BvR 1815/12). Anwaltskammer, Anwaltsgericht und Bundesgerichtshof hingegen hatten das Ansinnen der ehemaligen Anwältin abgelehnt, ihr zu bestätigen, dass sie nach einer erneuten Zulassung wieder den Titel führen dürfe, wenn sie sich regelmäßig fortbilde.

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BVerfG: Zugelassene Anwälte müssen auch keine Praxiserfahrung nachweisen

Die Richter der 2. Kammer des Ersten Senats stützen sich auf Art. 12 Grundgesetz.  Die Fachgerichte hätten unerlaubt in die Berufsausübungsfreiheit der Anwältin eingegriffen. Zunächst bejahen die Verfassungsrichter die Antragsbefugnis der Juristin. Denn sie müsse wissen, ob sie mit der Fortbildung, die immerhin auch mit Kosten verbunden ist, das Richtige tue, um den Fachanwaltstitel wieder zu erhalten. Dann folgt eine Begründung, die schon jetzt für eine heftige Diskussion in Fachkreisen sorgt. Die Verfassungsrichter vergleichen die Tätigkeit der Juristin nämlich mit Rechtsanwälten, die ihre Zulassung noch  haben und einen Fachanwaltstitel führen. Dabei stellt die 2. Kammer darauf ab, dass es nach den Regelungen der Fachanwaltsordnung (FAO), wenn man den Titel des Fachanwalts einmal erhalten hat, in drei der zurzeit 21 Fachanwaltschaften überhaupt nicht erforderlich ist, dass der Anwalt tatsächlich auch Fälle auf dem Gebiet bearbeitet. Wer also Fachanwalt für Arbeitsrecht ist, muss – wenn er sich weiterhin theoretisch nach § 15 FAO fortbildet - nie wieder einen Arbeitsrechtsfall bearbeiten und damit seine praktischen Erfahrungen aufrechterhalten. Auch, so stellen die Richter fest, „findet sich in den Gesetzgebungsmaterialien ebenfalls kein Hinweis auf die Notwendigkeit einer praktischen Tätigkeit“. Und es ergäben sich keine Anwaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber über die Praxisfälle beim Erwerb des Titels hinaus eine fortgesetzte praktische Tätigkeit auf dem Gebiet der Fachanwaltsbezeichnung für nötig gehalten hätte.

Kritik aus Karlsruhe sollte Konsequenzen haben

Wenn aber von einem zugelassenen Rechtsanwalt keine Tätigkeit im Fachgebiet verlangt wird, dann gilt dies auch für eine Kollegin, die für keine Zulassung mehr hat. Diese Aussage der Richter ist klar und deutlich. Sie enthält auch eine Kritik an der bisherigen Regelung. Der Fachanwaltstitel genießt bei den meisten Mandanten ein hohes Ansehen, er sorgt für deutlich höhere Umsätze bei seinen Trägern. Würde man den Verbraucher offen befragen, wie man denn Fachanwalt bleibt, dann würde ein relevanter Anteil von ihnen sicher davon ausgehen, dass der Anwalt sich fortbildet und praktisch arbeiten muss, um Fachanwalt zu bleiben. Dass dem nicht so ist, wissen die Wenigsten. Das BVerfG hat jetzt aus diesem von vielen als Missstand empfundenen Zustand die richtigen Konsequenzen gezogen: Wer den Titel einmal hat, kann ihn bei der Fortbildung immer behalten, auch wenn er  auf diesem Gebiet nie mehr praktisch arbeitet. Es wäre jetzt an der Satzungsversammlung der Rechtsanwälte, sich damit zu befassen, ob diese Ausgestaltung der Fachanwaltstitel in Zukunft weiter der richtige Weg ist. Aus Gründen der Klarheit gegenüber den Mandanten wäre eine andere Lösung sicherlich klarer und besser. Der Autor Martin W. Huff ist Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln.

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