Anwaltsmarkt USA

Ist nach der Krise vor der Krise?

von Robert PeresLesedauer: 4 Minuten
Amerikanische Top-Anwälte haben in den fetten Zeiten ihren Mandanten Stundensätze von bis zu eintausend US-Dollar in Rechnung gestellt. Zehn Jahre lang ging es immer nur bergauf mit den Gewinnen, bis mit der großen Rezession plötzlich auch die Wall Street Kanzleien starke Umsatzeinbußen hinnehmen mussten. Es sieht aus, als kämen die goldenen Jahre nicht mehr wieder.

Anzeige

Am 29. Juli 2009 verkündete das Wall Street Journal : "The End of Big Law". Nach Meinung des Blattes war das Ende der großen Geldmaschine gekommen, die seit Ende der Neunziger Jahre ausschließlich Wachstum und Gewinnmargen um die 30 Prozent produzierte. Die enge Verknüpfung mit der außer Kontrolle geratenen Finanzbranche brachte die Expansion der Rechtsindustrie zu einem jähen Halt. Scharfe Gewinneinbußen bei den Partnern und hastige Kostensenkungsmaßnahmen waren die Folge. Laut National Law Journal verloren im Jahr 2009 vier Prozent aller Anwälte der führenden 250 US-Kanzleien ihren Job, insgesamt ca. 5.300. Fried, Frank, Harris, Shriver & Jacobson, eine Kanzlei die auf das kompromittierte Derivativgeschäft spezialisiert war, trennte sich von 168 Kollegen, mehr als einem Viertel aller seiner Rechtsanwälte. Dieser Trend hat sich 2010 verlangsamt, aber es gibt nur wenige Kanzleien in Amerika, die personell aufrüsten. Die Frage, ob die Jobs bei einem Aufschwung überhaupt zurückkommen und das bisher erfolgreiche Geschäftsmodell der US-Kanzleien wieder anspringt, beantworten viele Beobachter mit einem Nein.

Keine Rückkehr zum Business as usual

"Die Krise war nur ein Katalysator. Das bisherige Modell war schon seit Jahren unter Beschuss und nicht zukunftsfähig. Trotzdem gibt es immer noch genug Managing Partner, die glauben, wieder zum "Business as usual" zurückkehren zu können", erklärt Prof. Dr. Silvia Hodges, Honorarprofessorin bei der Fordham University School of Law in New York. Hodges, Expertin für Kanzleimarketing, glaubt, dass technologische Lösungen und vermehrtes Outsourcing juristischer Einzelleistungen die Exklusivstellung der US-Kanzleien gegenüber den Mandanten weiter aushöhlen werden. Auch sind Unternehmen in den USA nicht mehr bereit, die üblichen, exorbitant hohen Stundensätze zu bezahlen. Das gilt insbesondere für Associates, die oft nicht die geeignete Erfahrung besitzen. Dass Junganwälte im Einstiegsjahr mit einem Basisgehalt von bis zu 160.000 Dollar entlohnt wurden, war vielen Mandanten ein Dorn im Auge. Susan Hackett, Justiziarin der Association of Corporate Counsel, meint dazu: "Mein Problem ist weniger die 1.000- Dollar-Stunde der Partner als die 350 Dollar für unerfahrene Anfänger."

Die Gewinner: Überschaubare Festpreise statt Hourly Billing

Mark Chandler, General Counsel von Netzwerkausrüster Cisco Systems, hat sich an die Spitze einer Bewegung gesetzt, die den Kanzleien ein mandantenfreundlicheres Geschäftsgebahren aufzwingen wollen. Produktivitätsfanatiker Chandler hält seit Jahren die Rechtskosten des Unternehmen unter einem halben Prozent des Gesamtumsatzes von 36 Milliarden US Dollar und handelt mit den Kanzleien, die für Cisco arbeiten wollen, Projektvereinbarungen aus, die nach oben gedeckelt sind. Auch anderswo werden amerikanische Anwälte von ihren Mandanten dazu gedrängt, das lukrative Stundenzählen durch preiswertere, projektbezogene Abrechnungssysteme zu ersetzen. Eine Kanzlei wie Duane Morris, mit Hauptsitz in Philadelphia, die seit Jahren eine auf die Bedürfnisse der Mandanten ausgerichtete Politik betreibt, übertriebene Stundenabrechnungen vermeidet und technologische Lösungen einsetzt, ist eine der Gewinnerinnen der Krise. Mark Messing, Marketingchef von Duane Morris bestätigt: "Das Leben ist kurz, Dinge ändern sich, Zyklen kommen und gehen. Diese Rezession war heftig, aber unsere Lektion daraus ist: Bleibe Deiner Strategie treu." Das Geschäftsmodell von Duane Morris basiert darauf, sich als wirtschaftlicher Partner der Mandanten zu positionieren. Die Kanzlei hat dem reinen "Hourly Billing" abgeschworen und verwendet nachvollziehbare Vergütungsprinzipien wie Festpreise für bestimmte überschaubare Projekte gepaart mit Erfolgskomponenten.

Die Zukunft: Umdenken oder untergehen

Paul Lippe, einer der Vordenker der Branche und Gründer des juristischen Portals „Legal OnRamp“, sagt für 2011 voraus, dass sich die Wirtschaft soweit erholt haben dürfte, dass Kanzleien wieder stabilere Marktvoraussetzungen vorfinden werden. Erfolg haben werden die Anbieter, die unternehmerisch denken, sich den veränderten Umständen stellen und schnell und flexibel auf Mandantenbedürfnisse eingehen. Weniger anspruchsvolle juristische Anforderungen werden durch preiswertere Vertragsanwälte, technologische Lösungen oder Offshoring, beispielsweise nach Indien, bewältigt werden. Das bestätigt auch Dr. Robin Fritz, Geschäftsführender Partner der deutschen Wirtschaftskanzlei FPS Rechtsanwälte & Notare, der die amerikanischen Kollegen "unter Druck" sieht. Im Spiel bleiben werden jedenfalls die hochpreisigen, Partner-lastigen Firms, die komplexe und existenzielle Probleme der Unternehmen lösen. Diese werden aber schrumpfen und sich auf die Topberatung beschränken. Kanzleien, die nicht in eine dieser beiden Kategorien fallen, werden weiter Gegenwind verspüren. Falls die US Wirtschaft aber wieder in eine Rezession fällt, was aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit und des weiter anhaltenden Preisverfalls bei Immobilien durchaus möglich ist, dann schlingert der Anwaltsmarkt in seiner Gesamtheit geradewegs in die nächste Krise. Der Autor Robert Peres ist Rechtsanwalt und Unternehmensberater. Er arbeitete viele Jahre lang für große US Kanzleien in Deutschland und den USA. Mehr zum Thema Anwaltsmarkt auf LTO.de: Anwaltsmarkt und Globalisierung: Von Stuttgart aus die ganze Welt vertreten

Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.

Thema:

Anwaltsmarkt USA

Verwandte Themen:
  • Anwaltsmarkt USA

Teilen

Newsletter