Sag Du zu mir, Frau Meier
"Hallo, ich bin Marcus, wir können uns gern duzen." So manch ein frischgebackener Jurist mag etwas verunsichert sein, wenn ein erfahrener Kollege in der Kanzlei ihm direkt am ersten Arbeitstag das Du anbietet. Wie sollte er am besten darauf reagieren? "Das Angebot zum Du abzulehnen, wäre ein Affront", meint Falk Schornstheimer, Coach für Anwaltskanzleien. "Auch wenn es am Anfang seltsam erscheint, den älteren Kollegen zu duzen: Man sollte das Angebot annehmen und aufpassen, dass man künftig nicht aus Versehen doch immer wieder das Sie benutzt." Ob in einer Kanzlei eher das Du oder das Sie an der Tagesordnung ist, ist eine Sache der Unternehmenskultur: Es gibt konservative Kanzleien, in denen sich alle siezen und manchmal sogar großen Wert auf die Nennung des Doktortitels legen. Auf der anderen Seite der Skala stehen die Büros mit angelsächsischen Wurzeln, in denen das Du allein schon üblich ist, weil es sonst in der Kommunikation mit den englischsprachigen Kollegen kompliziert würde. Denn im Englischen nutzt man bei der Zusammenarbeit sehr schnell den Vornamen, was im Deutschen im Grunde dem Du entspricht. Um in international besetzten Meetings zu vermeiden, dass ein Christian Müller mal mit Herr Müller und mal mit Christian angesprochen wird, einigen sich die Mitarbeiter solcher Kanzleien oft von vornherein auf das Du.
Duzen vom Studi bis zum Manager
Ein Beispiel für solch eine Kanzlei ist Ashurst: "Bei uns duzen sich alle, von der studentischen Hilfskraft bis zum Managing Partner", erklärt Personalleiterin Diane Manz. "Das 'Sie' ist in unseren Büros keine Option." Wer bei der Frankfurter Kanzlei einsteigt, weiß also, worauf er sich einlässt. "Durch das Du entsteht eine angenehme Arbeitsatmosphäre, und die Schwelle, allen in der Kanzlei Fragen stellen zu dürfen, ist niedriger, ohne dass die Autorität geschwächt wird", ist Diane Manz überzeugt. Kanzleien, in denen ausschließlich geduzt oder gesiezt wird, gibt es also. Der Großteil der Kanzleien hält es mit der Ansprache jedoch flexibel. "Bei uns entscheidet jeder Anwalt für sich, welche Ansprache er wählt", sagt Harald Moorkamp, Partner bei Kaven Voß Moorkamp. Vorgaben gebe es in der Münsteraner Kanzlei mit fünf Anwälten nicht, das wäre für sie auch nicht passend. "Ich selbst etwa war bereits als Student in dieser Kanzlei tätig und habe mich mit den anderen Mitarbeitern geduzt", so Moorkamp. Dabei sei es natürlich geblieben, als er dort als Rechtsanwalt angefangen habe. Bei neuen Mitarbeitern bleibe er jedoch heute erst einmal beim 'Sie'. Falk Schornstheimer rät: "In den ersten Tagen beim neuen Arbeitgeber sollte man erst einmal beobachten, wie die Kollegen miteinander umgehen, und sich daran orientieren." Referendare und Berufseinsteiger sind seiner Erfahrung nach untereinander oft recht schnell beim Du. Bei unterschiedlichem Alter und zwischen den Hierarchien sollte man hingegen vorsichtig sein. Die Etikette besagt: Der Ältere bietet immer dem Jüngeren das Du an, der in der Hierarchie höher Stehende dem weniger Erfahrenen – und nach wie vor die Frau dem Mann – alles andere könnte als unerwünschte Annäherung verstanden werden.2/2: Du steht für Kollegialität
Zwischen Juristen und Nicht-Juristen geht es häufig distanzierter zu. "Unsere Partner duzen sich untereinander alle, die Rechtsanwälte handhaben es untereinander ähnlich, genauso die Sekretärinnen und Supportmitarbeiter. Über die einzelnen Gruppen hinweg duzen sich ebenfalls viele, das ist aber nicht die Regel", berichtet Hans-Hermann Aldenhoff, Leiter der deutschen Büros von Simmons & Simmons. Der 47-jährige Partner der Kanzlei hat für sich entschieden, allen Rechtsanwälten das Du anzubieten – einige seiner Partner handhaben es jedoch anders. "Manche Berufseinsteiger oder auch Quereinsteiger von konservativeren Kanzleien sind anfangs etwas befangen, aber das gibt sich schnell", so Aldenhoffs Erfahrung. Schwierig werde es, wenn das Du plötzlich als Fraternisierung missverstanden wird. "Für mich steht das Du nicht für Freundschaft, sondern einfach für einen kollegialen Umgang." Dass nicht alle seine Partner ebenfalls so locker mit dem Du umgehen, findet er verständlich: "Es muss einfach zur Person passen und authentisch sein. Wenn jemand nur duzt, weil es die anderen in der Kanzlei auch tun, er sich aber dabei unwohl fühlt, wirkt das Duzen schnell aufgesetzt." Selbst in schwierigen Personalgesprächen findet Hans-Hermann Aldenhoff das Du nicht problematisch: "Eine Botschaft wird nicht dadurch verwässert, ob ich jemanden duze oder sieze. Es kommt vielmehr auf die Gesprächshaltung an." Er brauche kein 'Sie', um sich Autorität zu verschaffen."Feiern, Beförderungen und Mandantenbesprechungen
Eigentlich also alles ganz einfach mit dem Du und dem Sie – oder? Fast. Es gibt einige Situationen, in denen es kniffelig werden kann. Ein Beispiel sind weinselige Abende: In vielen Kanzleien gilt das Motto "Work hard, play hard", und nach einem erfolgreichen Mandat wird gern auch gemeinsam gefeiert. Nicht selten rutscht dem Vorgesetzten dann mal das Du gegenüber seinen Mitarbeitern raus. Wie sollte man am nächsten Morgen im Büro damit umgehen? "Ich fände es peinlich, ein einmal angebotenes Du zurückzunehmen", meint Coach Falk Schornstheimer. "Wer bemerkt, dass sein Gegenüber nach dem Du vom Vorabend wieder zum Sie übergeht, kann entweder galant darüber hinweggehen oder die eigene Verwunderung vorsichtig zum Ausdruck bringen – das ist wohl eine Typsache." Das Gleiche gilt für eine Beförderung: "Wenn sich die Rechtsanwälte untereinander alle duzen, sollte ein Kollege nach seinem Aufstieg zu einer Position mit Führungsverantwortung nicht darauf bestehen, von seinen Mitarbeitern plötzlich mit Sie angesprochen zu werden. Das ist in meinen Augen unmöglich und sicherlich Gift fürs Betriebsklima", sagt Falk Schornstheimer. In der Regel bleibt man auch beim Du, wenn der sich mit den Support-Mitarbeitern duzende Student irgendwann in die Position des angestellten Rechtsanwalts rückt. Eine weitere etwas komplizierte Situation ist das Meeting beim Mandanten: Wie spricht man den Kollegen im Beisein der Gesprächspartner am besten an? Dazu der Tipp des Coachs: "Wenn man sich direkt an den Kollegen wendet, verwendet man natürlich das vertraute Du. Gegenüber dem Mandanten kann man die Kombination aus Vor- und Nachnamen nutzen: 'Mein Kollege Christian Müller wird Ihnen gleich Weiteres erläutern.' Damit wahrt man die höfliche Distanz zum Mandanten." Generell findet beim Thema "Du oder Sie?" derzeit ein Generationenwechsel statt: Jüngere sind heutzutage viel schneller beim Du als die älteren Kollegen. Das wird meist gegenseitig akzeptiert. Grundsätzlich gilt jedoch: Lieber einmal zu häufig siezen als zu schnell das Du verwenden. Schließlich will man ja nicht schon am ersten Arbeitstag ins Fettnäpfchen treten.Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.
2016 M06 13
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